Rente

AHV-Fonds muss über den Betrag einer Jahresausgabe verfügen

19.2.2024, 13:14 (CET)

Ein Diagramm kann täuschen: Auf den ersten Blick scheint der AHV-Ausgleichsfonds gut gefüllt. Doch tatsächlich lag er 2022 unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststand.

Die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) bildet die Basis der schweizerischen Altersvorsorge. Sie soll den Existenzbedarf bei Wegfall des Erwerbseinkommens gewährleisten. Am 3. März 2024 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung darüber ab, ob Rentnerinnen und Rentner eine Monatsrente mehr ausgezahlt werden soll - in Form einer 13. AHV-Rente. In den sozialen Medien kursiert eine Grafik, welche das Vermögen des AHV-Fonds im Jahr 2022 sowie Prognosen für die Jahre 2025 und 2030 zeigen soll. «Das Vermögen der AHV steigt stetig an», steht dazu geschrieben. Es sei genug Geld da, um Rentnerinnen und Rentnern eine Monatsrente mehr auszuzahlen. Über wie viel Kapital verfügt der AHV-Fonds und wofür ist der Fonds effektiv gedacht?

Bewertung

Das Vermögen der AHV kann nicht einfach als Rente ausgezahlt werden. Das Gesetz bestimmt, dass der AHV-Ausgleichsfonds über einen Mindestbetrag von 100 Prozent einer jährlichen Ausgabe verfügen muss. Die AHV-Ausgaben werden aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung steigen. Gemäss Prognosen wird das Fondskapital im Jahr 2033 unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststand liegen.

Fakten

Die in der Grafik verwendeten Daten stammen nicht wie behauptet vom Bundesamt für Statistik, sondern vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) (Download). Im Jahr 2022 weist der AHV-Fonds ein Kapital von 47 Milliarden Franken auf, für das Jahr 2025 wird etwa 56,9 und im Jahr 2030 mehr als 67 Milliarden Franken prognostiziert. Anschliessend soll das Fondskapital wieder sinken.

Dahingegen hat die AHV im Jahr 2022 Ausgaben von über 47,8 Milliarden Franken, im Jahr 2025 sollen sich diese auf 52,6 Milliarden belaufen und im Jahre 2030 auf fast 60 Milliarden Franken.

Im Jahr 2022 wurde der gesetzlich geforderte Mindeststand des AHV-Ausgleichsfonds nicht erreicht, der Stand des Fonds betrug lediglich 98,4 Prozent einer Jahresausgabe der AHV. Gemäss Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) Artikel 107 Abschnitt 3 muss der AHV-Ausgleichsfonds über den Mindeststand von 100 Prozent einer gesamten Jahresausgabe im AHV-Fonds verfügen: «Der AHV-Ausgleichsfonds darf in der Regel nicht unter den Betrag einer Jahresausgabe sinken.»

Steigen die Ausgaben der AHV, «muss auch der Kapitalstand des Ausgleichsfonds entsprechend angehoben werden», schreibt das BSV auf dpa-Anfrage. Wegen der voraussichtlichen demografischen Entwicklung und den damit einhergehenden steigenden AHV-Ausgaben wird für den Ausgleich das Fondskapital bis 2028 «deutlich über das gesetzliche Minimum angehoben», begründet das BSV das prognostizierte Fondskapital für die Jahre 2022 bis 2033. Damit soll sichergestellt werden, dass die AHV-Ausgaben auch im Jahr 2032 gedeckt werden können.

Ab 2028 nimmt demnach die Differenz zwischen Fondskapital und Ausgaben ab, ab 2030 soll das Fondskapital unter 67 Milliarden fallen, was in der auf Facebook verbreiteten Grafik jedoch nicht ersichtlich ist. Im Jahr 2033 wird das Fondskapital voraussichtlich unter das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 100 Prozent einer Jahresausgabe fallen.

Zahl der Rentenbeziehenden lässt die AHV-Ausgaben steigen

Geburtenschwache Jahrgänge und steigende Lebenserwartung verändern die Bevölkerungsstruktur. Der Anteil der älteren Personen in der Schweizer Bevölkerung steigt, die Babyboomer-Generation tritt in den Ruhestand ein, es folgen geburtenschwächere Jahrgänge. Diese Veränderungen wirken sich auch auf die Finanzlage der AHV aus (Download, S. 4).

Mit der zunehmenden Anzahl der Rentenbeziehenden steigen auch die Ausgaben der AHV kontinuierlich an (Download, S. 2). Entsprechend muss auch das Kapital des AHV-Ausgleichsfonds steigen.

Daten vom Bundesamt für Sozialversicherungen prognostizieren einen laufenden Anstieg der Ausgaben. Die Belastung der wirtschaftlich aktiven Generation hat in den Jahren zugenommen. «Immer mehr Personen im Rentenalter [kommen] auf eine Person im erwerbsfähigen Alter.»

Vor etwa 60 Jahren finanzierten durchschnittlich sechs Erwerbstätige einen Rentenbezüger, im Jahr 2022 waren es nur noch etwa drei, Tendenz sinkend. Denn der Anteil der beitragspflichtigen Personen sank in den letzten Jahren kontinuierlich im Vergleich zur steigenden Anzahl der Rentenbeziehenden.

Umlageverfahren als Finanzmodell der AHV

Das AHV-Finanzierungssystem nach dem Prinzip des Umlageverfahrens ist nicht dazu gedacht, Geld anzusparen. Die wirtschaftlich aktiven Generationen finanzieren die Rentnerinnen und Rentnern. Die eingenommenen AHV-Beiträge der erwerbstätigen Bevölkerungsgruppe werden unmittelbar zur Finanzierung der AHV-Leistungen verwendet

Die einbezahlten AHV-Beiträge der wirtschaftlich aktiven Generationen sowie der Arbeitgebenden reicht jedoch nicht gänzlich aus, um die Ausgaben für die Rentenbeziehenden zu decken. Auch der Bund trägt mit etwa 20 Prozent zur Finanzierung der AHV bei. Auch ein Anteil der Mehrwertsteuern fliesst in die AHV (Download, S. 22).

Der AHV-Ausgleichsfonds als Sicherheitsgarantie

Die wirtschaftliche Lage ist ständigen Veränderungen ausgesetzt, entsprechend schwanken auch die Ausgaben und Einnahmen der AHV. Der AHV-Ausgleichsfonds gleicht dies aus und fungiert somit als Sicherheitsgarant. Das im Fonds vorhandene Kapital ist für wirtschaftlich schwache Zeiten vorgesehen.

Die mit der Verwaltung des Ausgleichsfonds beauftragte Compenswiss hat entsprechend gesetzliche Auflagen zu erfüllen. So steht im Ausgleichsfondsgesetz Artikel 3, Abschnitt 5, Absatz b: «Für jeden Ausgleichsfonds ist jederzeit genügen Liquidität bereitzustellen, um den Ausgleichskassen die zu Erbringung der gesetzlichen Leistung der AHV, IV und EO nötigen Vorschüsse zu gewähren.»

Eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen zum AHV-Ausgleichsfonds ist zurzeit nicht vorgesehen. Dies bestätigte das BSV und kann auch den aktuellen Abstimmungsunterlagen für die Abstimmung am 3. März 2024 entnommen werden (Download Abstimmungsbüchlein, S. 8ff).

(Stand: 19.2.2024)

Links

Facebook-Post (archiviert)

BSV: Initiative für eine 13. AHV-Rente (archiviert)

Bundesrecht: Initiative für eine 13. AHV-Rente (archiviert)

Bundesrat: Abstimmungsbüchlein für den 3.3.2024 (Download) (archiviert)

Bundesrecht: Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung AHVG (archiviert)

Bundesrecht: Bundesgesetz über die Anstalt zur Verwaltung der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO (archiviert)

Compenswiss: Ziele des AHV-Ausgleichsfonds (archiviert)

AHV / IV: Alters- und Hinterlassenenversicherung (archiviert)

AHV / IV: Umlageverfahren (archiviert)

AHV / IV: Ausgleichsfonds AHV / IV / EO (archiviert)

BSV: Finanzperspektive der AHV, 14.07.2023 (Download) (archiviert)

BSV: Jahresbericht AHV-Ergebnisse 2022, 12.07.2023 (Download) (archiviert)

BSV: AHV-Statistik 2022, Mai 2023 (Download) (archiviert)

BSV: Leistungen und Finanzierung der AHV (archiviert)

BSV: AHV – Ausgangslage (archiviert)

BSV: Die Schweizerische Altersvorsorge (Download) (archiviert)

BFS: Umlageergebnis der AHV (archiviert)

BFS: Älter werden in der Schweiz (archiviert)

BFS: Alterung der Bevölkerung (archiviert)

BFS: Generationen auf dem Arbeitsmarkt (archiviert)

BFS: Altersquotient (archiviert)

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