Pandemieabkommen

Die Schweiz entscheidet auch künftig souverän über Gesundheitspolitik

31.01.2024, 15:33 (CET)

Im Mai 2024 steht der Entwurf eines neuen Pandemieabkommens der WHO zur Debatte. Doch damit geht weder die Entmachtung von Staaten noch die Schaffung einer Weltregierung einher.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt sich weltweit für die Gesundheit aller ein und koordiniert zum Beispiel den Kampf gegen Infektionskrankheiten wie Sars-CoV-2. Die Covid-19-Pandemie hat Schwächen dieses Systems offengelegt. Deshalb wird nun eine neue Vereinbarung zur Pandemiebewältigung ausgearbeitet. In einem in den sozialen Medien kursierendem Video wird behauptet, dieses Abkommen führe zu einer «totalitären Macht der Weltgesundheitsorganisation in Pandemiefragen». Dank dieses Abkommens dürfe die WHO ohne Beweise eine Pandemie ausrufen, Bewegungsfreiheit der Menschen einschränken und beispielsweise Impfzwänge einführen. Werden die Staaten mit dem Pandemieabkommen ihre Souveränität verlieren?

Bewertung

Falsch. Die noch in Bearbeitung befindende Vereinbarung zur Pandemiebewältigung garantiert die Souveränität der Staaten. Die endgültige Fassung ist nicht bekannt. Unklar ist auch, ob es eine neue Konvention, eine Vereinbarung oder ein neues internationales Instrument sein wird.

Fakten

Am 1. Dezember 2021 beschlossen die 194 Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation, ein globales Instrument zur Stärkung der Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion auszuhandeln. Dafür wurde ein zwischenstaatliches Verhandlungsgremium (INB) gegründet, eine endgültige Version soll der 77. Weltgesundheitsversammlung im Mai 2024 vorgelegt werden.

Es liegt soweit erst einen Entwurf dieses Abkommens vor, darüber tagte das Verhandlungsgremium zuletzt im Dezember 2023. Die konkrete Form ist Stand Januar 2024 aber noch nicht bekannt. Die Schweiz unterstützt das Bestreben der WHO und nimmt selbst Teil an den Verhandlungen und nimmt somit eine gestaltende Rolle ein.

Entwurf garantiert die staatliche Souveränität

Der Entwurf des Pandemieabkommens bekräftigt die Souveränität der einzelnen Staaten. In Artikel 3 steht, dass die Staaten in Anlehnung an die UN-Charta und dem allgemeinen Völkerrecht das souveräne Recht haben, das Abkommen gemäss ihrer nationalen Gesundheitspolitik umzusetzen und Rechtsvorschriften zu erlassen.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) betont, die Schweiz werde auch in «Zukunft souverän über die eigene Gesundheitspolitik und Massnahmen im Pandemiefall entscheiden.» Das neue Pandemieabkommen der WHO schränke das «souveräne Recht der Staaten, Gesetze zur Umsetzung ihrer nationalen Gesundheitspolitik zu erlassen», nicht ein

Gemäss dem dreistufigen Modell des Empidemiengesetzes (EpG) sind je nach normaler, besonderer oder ausserordentliche Lage entweder die Kantone, der Bundesrat oder beide zusammen für die Massnahmen zur Eindämmung einer übertragbaren Krankheit verantwortlich. Dies wurde bereits in einem früheren Faktencheck ausgeführt. Die Massnahmen sind jedoch zu befristen.

Eine allgemeine obligatorische Impfpflicht widerspricht dem Schweizer Gesetz. Gemäss Artikel 22 des Epidemiengesetzes können Kantone, sofern eine «erhebliche Gefahr» besteht, für besondere Bevölkerungsgruppen eine Impfung für obligatorisch erklären. Dies jedoch lediglich unter Absprache mit den Kantonen sowie wenn eine «besonderen Lage» vorliegt. Einen Impfzwang gibt es aber nicht (Download, Seite 2). «Niemand darf gegen seinen Willen geimpft werden», schreibt das BAG in seinen Erklärungen zum Epidemiengesetz.

Die WHO kann, wie im Fall der Covid-19-Pandemie, Empfehlungen zu Massnahmen zur Pandemiebekämpfung aussprechen. Diese sind jedoch für die Staaten nicht rechtlich verbindlich.

Staaten sind frei, neues Abkommen zu ratifizieren

Als souveräner Staat kann die Schweiz eigenständig entscheiden, ob sie das neue Pandemieabkommen ratifizieren möchte. Das Abkommen wird das souveräne Recht, Gesetze zur Umsetzung der nationalen Gesundheitspolitik, nicht einschränken.

Gemäss WHO soll das neue Pandemieabkommen sämtlichen Staaten offenstehen, wenn diese eine Teilnahme wünschen. Staaten, welche das Abkommen annehmen, sind eigenständig für die Umsetzung verantwortlich unter Berücksichtigung der eigenen nationalen Gesetze und Vorschriften.

Die Falschbehauptung, die WHO sei dabei, die Souveränität der Staaten zu unterwandern und eine Weltregierung zu installieren, ist nicht neu und wurde bereits mehrfach von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) widerlegt.

(Stand: 31.1.2024)

Links

Facebook-Reel (archiviert, Video archiviert)

WHO: FAQ Pandemieabkommen, Stand 28.06.2023 (archiviert)

WHO: Zwischenstaatliches Verhandlungsgremium (archiviert)

WHO: Prozess des Zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums (archiviert)

WHO: Medienmitteilung über siebte Sitzung des Zwischenstaatlichen Verhandlungsgremiums, 7.12.2023 (archiviert)

WHO: Entwurf des Pandemieabkommens, Stand 30.10.2023 (archiviert)

BAG: Zwischenstaatliches Verhandlungsgremium (INB) der WHO (archiviert)

BAG: Pandemiefolgeprozesse in der WHO, 21.12.2023 (archiviert)

Bundesrecht: Epidemiengesetz (archiviert)

BAG: FAQ Epidemiengesetz, Juli 2013 (archiviert)

dpa-Faktencheck: Entwurf für WHO-Pandemievertrag garantiert ausdrücklich die Menschenrechte, 13.11.2023

dpa-Faktencheck: Pandemie-Vereinbarung der WHO noch in Arbeit, 14.7.2022

dpa-Faktencheck: Initiative will Souveränität der Schweiz schützen, 11.07.2022

dpa-Faktencheck: WHO ist zu weniger als zehn Prozent von der Bill and Melinda Gates Foundation finanziert, 26.4.2022

dpa-Faktencheck: Ausruf der ausserordentlichen Lage im März 2020 erfolgte im Rahmen des Epidemiengesetzes, 25.5.2021

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