Statistiken eindeutig

Hitzetage und Durchschnittstemperaturen nehmen zu

23.08.2023, 16:16 (CEST), letztes Update: 23.08.2023, 16:19 (CEST)

Eine Hitzewelle überrollt die Schweiz. Aber waren die Sommertage früher heisser als heute? Schlagzeilen aus der Vergangenheit sollen dies belegen. Doch die Vergleiche sind wenig überzeugend.

Für die Mehrheit der Schweiz gilt seit einigen Tagen eine erhebliche Hitzegefahr. Doch ist das alles Nonsens, wie ein Sharepic glauben lässt? Darin wird eine Foto-Collage von Ausschnitten aus diversen Medien aus den Jahren 1957, 1975 sowie 2022 gezeigt. Die deutsche «Bild»-Zeitung titelte im Jahr 1957: «56 Grad! Ganz Deutschland ein Brutofen!» Ebenfalls in der «Bild»-Zeitung erschien im Jahr 1975 die Schlagzeile: «40 Grad Hitze - Jetzt wird das Wetter lebensgefährlich!» Die österreichische «Kronen Zeitung» titelte im Juni 2022 hingegen: «Temperaturen um die 35 Grad, das hat es früher nicht gegeben».

Diese drei Schlagzeilen werden dahingehend kommentiert, dass es immer kälter werde. Stimmt das? Und was hat es mit den angeblichen Hitzerekorden in den Jahren 1957 und 1975 auf sich?

Bewertung

Der Vergleich der drei Artikel ist irreführend. Der Juni 2022 in Österreich war überdurchschnittlich heiss, wohingegen die 56 Grad im Jahr 1957 in Deutschland in einer Bahnhofsuhr gemessen wurden und somit nicht in den offiziellen Temperaturstatistiken erscheinen. Auch die vermeintlichen 40 Grad aus dem Jahr 1975 sind statistisch irrelevant, da es sich dabei lediglich um eine Prognose handelte.

Fakten

Bereits seit einiger Zeit kursiert die irreführende Schlagzeile über die 56 Grad im Jahr 1957. In einem Faktencheck hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) erklärt, dass der Wert im Innern einer Bahnhofsuhr in der deutschen Stadt Wanne-Eickel gemessen wurde und somit keine Aussagekraft hat. Damals lagen sämtliche archivierte Messwerte der Aussentemperaturen in Deutschland unter 40 Grad.

Auch die Schlagzeile zu den 40 Grad Messwerten kursiert bereits seit geraumer Zeit im Internet. Auch dazu gibt es einen dpa-Faktencheck. Im Sommer 1975 war es in Deutschland heiss, doch die vom Boulevardblatt «Bild» prognostizierten 40 Grad wurden am 10. August nicht erreicht. In den Aufzeichnungen mit den heissesten Tagen in Deutschland wird das Jahr 1975 nicht erwähnt. In der ersten Augusthälfte 1975 gab es gemäss dem Deutschen Wetterdienst (DWD) eine moderate Hitzewelle. Die heissesten Sommer traten in Deutschland vor allem nach 1992 auf.

Meteorologe sprach über heißen Juni

Die Schlagzeile aus dem Juni 2022 erschien in der österreichischen «Kronen Zeitung». Der Meteorologe Klaus Reingruber spricht in dem Artikel über die bisherigen Temperaturen, den anstehenden Sommer und Wetterextreme. Ihn überrasche es, dass es «so schnell gleich so heiss ist». Auf die Frage, ob es kein normales Wetter mehr gebe, antwortet er: «Es ist schon so, dass Temperaturen um 34 oder 35 Grad ungewöhnlich sind, das hat es früher nicht gegeben.»

Offensichtlich bezog sich Reingruber dabei auf den Juni, in dem Monat, in dem auch das Interview stattfand. Das erklärte er den Faktencheckern von «Correctiv». Sein Eindruck stimmt mit den Einschätzungen anderer Experten überein. «Die Zahl der Hitzetage hat sich im Juni in den letzten Jahrzehnten in den tiefen Lagen Österreichs verdoppelt bis vervierfacht. Der Juni 2022 lag aber nochmals deutlich über dem ohnehin schon hohen Niveau der letzten 30 Jahre», so Alexander Orlik von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Von einem Hitzetag sprechen Meteorologen, wenn mindestens 30 Grad gemessen werden. Die Zahl dieser Hitzetage hat zum Beispiel in Österreich zugenommen. Die ZAMG kommt deshalb zu dem Schluss: «Was früher ein Rekord war, ist heute Durchschnitt.»

Situation in der Schweiz

Extreme Hitzesommer hat es aber auch in der Vergangenheit schon gegeben - auch in der Schweiz, wie Geschichtsbücher aufzeigen. Die dpa hat in einem Faktencheck zum Beispiel den Dürre- und Hitzesommer im Jahr 1540 beschrieben.

Seit Messbeginn im Jahr 1864 sind die Temperaturen in der Schweiz um 2 Grad Celsius gestiegen. Die Daten zeigen eindeutig, dass die Durchschnittstemperaturen insbesondere in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen sind. Extremwetter wie Hitzetage nehmen zu, Frosttage nehmen ab, die Sommermonate werden trockener, in den Wintermonaten fällt weniger Schnee.

Auch international sind die Temperaturen gestiegen, wie Daten der US-Weltraumbehörde Nasa zeigen. Die Jahre 2020 und 2016 waren demzufolge die wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1880.

Die Klimaerwärmung wird im Netz immer wieder verharmlost oder gar geleugnet. Derartige Falschbehauptungen, die auch in der Schweiz kursieren, hat die dpa mehrfach mit Faktenchecks widerlegt.

(Stand: 23.8.2023)

Links

Facebook-Post (Sharepic archiviert)

Bundesrat: Aktuelle Hitzegefahr, 21.08.2023 (archiviert)

«Kachelmannwetter»: Klimadaten 6.7.1957 (archiviert)

DWD: Klimastatusbericht 2001 (archiviert)

«ChronikNet»: Heisseste Tage in Deutschland gemäss DWD (archiviert)

«Kronen Zeitung»: Interview mit Meteorologe Klaus Reingruber, 17.6.2022 (archiviert)

«Correctiv»-Faktencheck (archiviert)

ZAMG: Bilanz Juni 2022, 30.6.2022 (archiviert)

ZAMG: Klimafakten Österreich, 9.8.2021 (archiviert)

Bundesamt für Meteorologie: Klimawandel (archiviert)

Nasa: Land-Ozean-Temperaturindex (archiviert)

dpa-Faktenchecks zum Klimawandel:

- Temperatur wurde hinter dem Zifferblatt einer Bahnhofsuhr gemessen

- «Bild»-Schlagzeile nur Prognose - 1975 wurden 40 Grad nie erreicht

- Bodensee war auch während Dürre im 16. Jahrhundert nicht ausgetrocknet

- Schäden durch Erderwärmung überwiegen Düngeeffekte bei CO2-Zunahme

- Meeresspiegel steigt - Bilder der Freiheitsstatue sind kein Gegenbeweis

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-schweiz@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.