Video nicht aus der Schweiz

Für den Transport von Gefahrgütern gibt es strenge Regeln

04.07.2023, 12:15 (CEST)

Bei Unfällen mit Gefahrguttransporten besteht ein erhöhtes Risiko für Verkehrteilnehmer und Umwelt. Daher gibt es in vielen Ländern strenge Vorschriften, was wo und von wem transportiert werden darf.

In den Sozialen Medien kursiert ein Video von einem Unfall, zu sehen ist ein brennender Kleinlaster. In einem Social-Media-Post empört sich ein User, dass derartige Fahrzeuge durch den Gotthard und in Einstellhallen fahren dürfen. Welche Sicherheitsvorkehrungen gelten in der Schweiz für den Transport von Gefahrgut?

Bewertung

Für den Transport von Gefahrgütern sind in der Schweiz strengen Vorschriften einzuhalten. Der im Facebook-Post gezeigte Unfall ereignete sich nicht in der Schweiz, sondern im Jahr 2013 in Moskau.

Fakten

«Gefährliche Güter (Gefahrgüter) sind Stoffe, welche eine gefährliche Eigenschaft für Mensch, Tier und Umwelt haben können», schreibt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) auf der Webseite. Gefahrguttransporte wie etwa Heizöl, Benzin, aber auch brennbare, druckverflüssigte Gase, Reinigungsmittel und Abfälle machen etwa 10 Prozent des Gütervolumens aus, welches auf den Strassen transportiert wird.

Für den Transport von Gefahrgütern gibt es strenge Vorschriften. Zum Beispiel ist geregelt, wie ein Lastkraftwagen für den Gefahrguttransport gebaut und ausgestattet sein muss, in welcher Zusammensetzung und Menge ein Gefahrgut transportiert werden darf und auf welchen Strecken, aber auch, wer einen solchen Transport ausführen darf.

Gefahrguttransporte sind international im Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR) und national in der Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (SDR)) geregelt.

Lastwagenbrand ereignete sich in Russland

Der im Facebook-Post gezeigte Verkehrsunfall ereignete sich im Jahr 2013 in Moskau. Auf der Autobahn geriet ein mit Gasflaschen beladener Kleinlastwagen in Brand. Dies wurde bereits in einem früheren Faktencheck dargelegt.

Der Vorfall hat folglich nichts mit der Schweiz oder dem Gotthardtunnel zu tun. Gemäss dem Bundesrat hat die Schweiz im internationalen Vergleich im Bezug auf Gefahrguttransporten einen hohen Sicherheitsstandard. Auch die Risiken beim Strassentransport von Gefahrgut werden laufend überwacht und wenn nötig entsprechende Massnahmen ergriffen.

«Der Transport gefährlicher Güter durch Schweizer Strassentunnel ist gemäss ADR beschränkt», schreibt das ASTRA. Es dürfen nur einzelne, konkret bezeichnete Strassentunnel mit Sonderbewilligung befahren werden. Der Gotthardtunnel ist der Tunnelkategorie E zugeordnet: Nur mit behördlicher Bewilligung darf Gefahrgut transportiert werden.

Transportierte Güter müssen gemäss Vorschriften mit einer sogenannten UN-Nummer (Kapitel 3.2) gekennzeichnet sein. Für bestimmte gefährliche Güter mit bestimmten UN-Nummern ist zudem die Einhaltung der vorgeschriebenen Bezettelung (Kapitel 5.2.2.2.2) der Gegenstände notwendig. Explosive Stoffe und Gegenstände mit Explosivstoff sind der Gefahrenklasse 1 zugeordnet und sind mit orangefarbenen Tafeln zu kennzeichnen.

Die Kennzeichnungspflicht hängt von der Gefährlichkeit des Gefahrgutes und von der jeweils beförderten Menge ab, wie Lorenzo Quolantoni vom ASTRA auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur schreibt. Der Mediensprecher führt aus, dass grundsätzlich «jede Beförderung von Gefahrgut durch den Gotthard zulässig [sei], sofern die Beförderungseinheit (Motorfahrzeug ohne Anhänger oder Anhängerzug) nicht mit orangefarbenen Tafeln gekennzeichnet werden» müsse.

Alternativ zum Gotthardtunnel kann «ausserhalb der Wintersperre und wenn kein Anhänger mitgeführt wird» die Passtrasse gewählt werden, schreibt Lorenzo Quolantoni vom ASTRA auf dpa-Anfrage. «Für Transitfahrten von ausländischen Fahrzeugen wird zudem der Bahnverlad empfohlen», schreibt der Mediensprecher weiter.

Der zweite Schweizer Strassentunnel, der den gleichen starken Regulierungen unterworfen ist, ist der San Bernardino.

Lagerung von Gefahrgut

Alexander Renner von der Kantonspolizei Zürich schreibt auf dpa-Anfrage: «Wird ein Fahrzeug mit Gefahrgut für längere Zeit, in der Regel mehr als acht Stunden, abgestellt, kann dies als Lagerung von gefährlichen Stoffen interpretiert werden und es kommen die Vorschriften für die Lagerung zum Zuge.» Dies wird jeweils kantonal reglementiert.

Für die Lagerung von Transportgut gelten Vorschriften, welche verbindlich einzuhalten sind. So müssen die Güter gemäss Transportvorschriften ADR klassifiziert und entsprechend gekennzeichnet werden (Seite 14). Ein anderes Klassifizierungssystem richtet sich nach dem schweizerischen Chemikalienrecht. Vorschriften für die Lagerung (ab Seite 20 ff) betreffen unter anderem die Menge des Stoffes sowie welche Stoffe zusammen oder sicherheitsbedingt getrennt gelagert werden müssen.

Weiters müssen Richtlinien bezüglich Brandschutz, Gewässerschutz, Löschwasserrückhalt, Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Chemikaliensicherheit eingehalten werden. Je nach Gefahrgut ist eine Lagerung im Freien oder in einem geeigneten Gebäude vorgeschrieben.

Auch Gaslager sind von diesen Vorschriften betroffen «Permanente Gaslager müssen spezifische Anforderungen an die Sicherheit erfüllen wie Explosionsschutz und Brandschutz», schreibt Adrian Vonlanthen von der Versicherung SUVA auf dpa-Anfrage.

Mit Gefahrgut beladenen Fahrzeuge dürfen – sofern der Transport regelkonform und dort nicht ausdrücklich verboten ist – Einstellhallen befahren und darin parken. Je nach Gefahrgut und transportierter Menge müssen die Fahrzeuge in dieser Zeit überwacht werden, schreibt Renner von der Kantonspolizei Zürich.

Gemäss Brandschutzrichtlinien dürfen aber in Garagen mit mehr als 600 m2 Grundfläche, welche für das Parking von Motorfahrzeugen vorgesehen sind, keine gefährlichen Stoffe gelagert werden, schreibt die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF auf dpa-Anfrage.

(Stand: 4.7.2023)

Links

Facebook-Post (archiviert)

ASTRA: Gefährliche Güter (archiviert)

ASTRA: Gefahrguttransporte (archiviert)

ASTRA: Tunneltransport Gefahrgüter (archiviert)

ASTRA: Orientierung für die Gesuchsteller zur Durchfahrtsbewilligung durch Strassentunnel (archiviert)

ASTRA: Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR), Band 1 (Download) (archiviert)

ASTRA: Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR), Band 2 (Download) (archiviert)

Bundesrecht: Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (SDR) (archiviert)

BAFU: Risiken überwachen beim Transport von gefährlichen Gütern, 28.06.2017 (archiviert)

UNECE: Codierung Gefahrgut (archiviert)

dpa-Faktencheck: Video zeigt explodierende Gasflaschen in Russland

VKG: Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen – Organisation (archiviert)

Umweltfachstelle der Kantone Nordwestschweiz: Leitfaden Lagerung gefährlicher Stoffe (archiviert)

Kanton Zürich: Lagerung wassergefährdender Stoffe (archiviert)

SUVA: Merkblatt Gasflaschen, 2023 (archiviert)

VKF: Brandschutzrichtlinien (archiviert)

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