Entscheidung steht noch aus

WHO veröffentlichte Änderungsvorschläge für Internationale Gesundheitsvorschriften

6.2.2023, 13:25 (CET)

Die Weltgesundheitsorganisation will sich besser für künftige Pandemien wappnen. Dafür sollen die Internationalen Gesundheitsvorschriften überarbeitet werden. Der Prozess dauert aber noch an.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche sich international für die Gesundheitsförderung einsetzt, war insbesondere während der Corona-Pandemie gefordert. Nun wird in einem in den sozialen Medien kursierendem Video behauptet, die WHO wolle «die Menschenrechte aus den Internationalen Gesundheitsvorschriften streichen». Diese seien «ein Buch, das festlegt, nach welchen Standards medizinische Behandlungen durchgeführt werden müssen». Durch Änderungen würde die WHO zu «einer Art medizinischer Weltmacht». All dies sei in der Weihnachtszeit veröffentlicht worden, um nicht bemerkt zu werden, heißt es in dem Video weiter.

Bewertung

Die Änderungen der Internationalen Gesundheitsvorschriften sollen zur besseren Vorbereitung auf künftige gesundheitliche Notlagen beitragen. Dazu wird aktuell über Vorschläge diskutiert - darunter auch einer zur Streichung des Wortes «Menschenrechte». Dieser stammt jedoch nicht von der gesamten WHO, sondern aus Indien. Welche Änderungen tatsächlich umgesetzt werden, ist Stand Februar 2023 noch ungewiss. Voraussichtlich soll eine Entscheidung bei der Weltgesundheitsversammlung 2024 fallen.

Fakten

Wie aus Artikel 2 der Internationalen Gesundheitsvorschriften hervorgeht, besteht der Sinn der Vorschriften «darin, die grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen, davor zu schützen und dagegen Gesundheitsschutzmassnahmen einzuleiten». Dies müsse in einer Art und Weise geschehen, «die den Gefahren für die öffentliche Gesundheit entspricht und auf diese beschränkt ist und eine unnötige Beeinträchtigung des internationalen Verkehrs und Handels vermeidet».

Die Internationalen Gesundheitsvorschriften – International Health Regulations (IHR) (Download-Link) – bieten also einen Rechtsrahmen, welche die Rechte und Pflichten der Länder im Umgang mit Gesundheitsrisiken festlegt und die internationale Zusammenarbeit zu deren Eindämmung regelt. Auch die Schweiz koordiniert auf dieser Grundlage Massnahmen gegen gesundheitliche Risiken mit anderen WHO-Mitgliedsstaaten. Die IHR stellen also keine Behandlungsvorschriften für Patienten dar.

An der Weltgesundheitsversammlung im Mai 2022 wurde entschieden, dass eine Arbeitsgruppe Änderungsvorschläge der Internationalen Gesundheitsvorschriften ausarbeiten werde. Die Arbeitsgruppe entschied sich im November 2022, die Änderungsvorschläge zu veröffentlichen. In der Einleitung des Dokuments steht ausdrücklich, dass die Vorschläge die aktuell gültige IHR aus dem Jahr 2005 nicht ersetzen.

Indiens Änderungsvorschläge für die Internationalen Gesundheitsvorschriften

Bei denen im Video beanstandenden angeblichen Artikeln der IHR handelt es sich um Änderungsvorschläge aus Indien. Der aktuell gültige Artikel 3, Abschnitt 1 lautet: «Die Durchführung dieser Vorschriften erfolgt unter uneingeschränkter Achtung der Würde des Menschen, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.» Die indische Regierung schlägt folgende Formulierung vor: «Die Durchführung der vorliegenden Verordnungen erfolgt auf der Grundlage der Grundsätze der Gerechtigkeit, der Inklusivität, Kohärenz und im Einklang mit den gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten der Vertragsstaaten und unter Berücksichtigung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung.»

Andere Behörden wie etwa die Schweiz, die EU, aber auch die USA schlagen keine Änderung des Artikels 3 vor. Ob der indische Vorschlag im weiteren Verlauf der Beratungen über die Änderung der Gesundheitsvorschriften eine Mehrheit finden wird, ist ungewiss. In der Vergangenheit wurden bereits Änderungsvorschläge abgelehnt.

Die indische Regierung schlägt weiter vor, die WHO müsse in sieben Bereichen ihre «Kapazitäten verstärken», unter anderem bei der Bekämpfung von «Fehlinformation und Desinformation». Der Schweizer Vorschlag hingegen enthält keinen Passus zur Bekämpfung von Falschinformation.

Vorbereitung für künftige gesundheitliche Notlagen

Die Revision der IHR soll unter anderem dazu beitragen, besser für künftige gesundheitliche Notlagen gewappnet zu sein. Die Corona-Pandemie habe Grenzen der aktuellen Internationalen Gesundheitsvorschriften gezeigt. Denn die internationale Gemeinschaft sei nicht in der Lage gewesen, robust und koordiniert gegen die Ausbreitung des Virus vorzugehen.

Bei der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung 2023 soll die Arbeitsgruppe, welche mit den Änderungen der IHR beauftragt wurden, ihre Ergebnisse vorstellen. Bei der Weltgesundheitsversammlung 2024 werde dann über die Empfehlungen abgestimmt.

Nach Einschätzung der medizinischen Zeitschrift Lancet wird ein Konsens über die neuen Vorschriften schwer zu erreichen sein, wenn die erheblichen Ressourcen-Unterschiede zwischen reichen und ärmeren Staaten nicht stärker berücksichtigt würden.

Covid-19 weitaus gefährlicher als ein Schnupfen

In dem bei Facebook verbreiteten Video ist im Zusammenhang mit den Massnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus die Rede von einem «Schnupfen». Französische Forschende, welche die ersten Monate der Pandemie begutachteten, ermittelten, dass Sars-CoV-2-Viren fast dreimal tödlicher sind als Influenza-Viren. Experte in Immunologie bestätigte dies gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

(Stand: 6.2.2023)

Links

Facebook-Post (archiviert, Video archiviert)

WHO: Gesundheitliche Notfälle (archiviert)

WHO: International Health Regulations, 2005 (archiviert)

WHO: International Health Regulations (archiviert)

WHO: Update über Entscheide der 75. Weltgesundheitsversammlung, 24.05.2022 (archiviert)

WHO: Arbeitsgruppe für die Revision der Internationalen Gesundheitsvorschriften (archiviert)

WHO: Zusammenstellung der IHR-Änderungsvorschlägen (archiviert)

WHO: Zusammenstellung der IHR-Änderungsvorschlägen, nach Mitgliedsstaat unterteilt (archiviert)

WHO: Stärkung der Architektur zur Wahrung der Gesundheitssicherheit, 22.11.2022 (archiviert)

Bundesrecht: Internationale Gesundheitsvorschriften 2005 (archiviert)

BAG: Internationale Gesundheitsvorschriften (archiviert)

Lancet: Zukunft der IHR, 07.2022 (archiviert)

Lancet: Studie zur Mortalität von Covid-19 und Influenza, 17.12.2020 (DOI) (archiviert)

dpa-Faktenchecks:

- Pandemie-Vereinbarung der WHO noch in Arbeit

- Screenshot zeigt lediglich Änderungsvorschlag für WHO-Vertrag

- Omikron-Infektion ist gefährlicher als eine Grippe

- Sars-CoV-2-Ausbruch erfüllt Kriterien einer Pandemien

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