Neufassung noch in Arbeit
Screenshot zeigt lediglich Änderungsvorschlag für WHO-Vertrag
26.1.2023, 13:48 (CET)
Um besser auf künftige Pandemien vorbereitet zu sein, will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Internationalen Gesundheitsvorschriften reformieren. Das ruft Kritiker auf den Plan. So behauptet ein User, die Änderung von Artikel 3, Abschnitt 1 sei ein globaler «Angriff auf unsere Freiheit und Würde». Angeblich wird das bisherige «unter voller Achtung der Würde, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten der Personen» durch eine alternative Formulierung ersetzt. Ein Screenshot mit einem durchgestrichenen und einem ergänzten Textteil ist beigefügt. Zeigt dieser die neue Fassung der Internationalen Gesundheitsvorschriften?
Bewertung
Beim Screenshot handelt es sich lediglich um einen Vorschlag der indischen Regierung, wie Artikel 3 Abschnitt 1 nach der Revision aussehen könnte. Eine Annahme dieses Vorschlages ist ungewiss.
Fakten
Die Internationalen Gesundheitsvorschriften, die International Health Regulations (IHR) bieten einen Rechtsrahmen, welche die Rechte und Pflichten der Länder im Umgang von gesundheitlichen Risiken definieren und die internationale Zusammenarbeit zu deren Eindämmung regelt. Auch die Schweiz koordiniert auf dieser Grundlage Massnahmen gegen gesundheitliche Risiken mit anderen WHO-Mitgliedsstaaten.
Der Screenshot zeigt einen Ausschnitt aus der Zusammenstellung von Änderungsvorschlägen der IHR. Mehreren Mitgliedsstaaten reichten solche Vorschläge ein, welche die Arbeitsgruppe, die mit der Revision der IHR betraut wurde, zusammenstellte. In der Einleitung steht ausdrücklich, dass die Vorschläge die aktuell gültige IHR aus dem Jahr 2005 nicht ersetzen.
In einem anderen WHO-Dokument sind sämtliche IHR-Änderungsvorschläge von diversen Mitgliedsstaaten zusammengefasst. Wie sich dem Dokument entnehmen lässt, wurde der im Screenshot abgebildete Vorschlag von Indien eingereicht.
Der aktuell gültige Artikel 3, Abschnitt 1 lautet: «Die Durchführung dieser Vorschriften erfolgt unter uneingeschränkter Achtung der Würde des Menschen, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten.» Die indische Regierung schlägt folgende Formulierung vor: «Die Durchführung der vorliegenden Verordnungen erfolgt auf der Grundlage der Grundsätze der Gerechtigkeit, der Inklusivität, Kohärenz und im Einklang mit den gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten der Vertragsstaaten und unter Berücksichtigung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung.»
Ob der indische Vorschlag im weiteren Verlauf der Beratungen über die Änderung der Gesundheitsvorschriften eine Mehrheit finden wird, ist ungewiss. Die Vorschläge Russlands, der USA und der EU sehen jedenfalls keine Veränderung des ersten Abschnittes von Artikel 3 vor. Auch gemäss den Änderungsvorschlägen der Schweiz bleibt Artikel 3 unverändert.
Über die Veränderung der Internationalen Gesundheitsvorschriften wurde bereits bei der WHO-Generalversammlung im Mai 2022 diskutiert. Falschbehauptungen dazu wurden bereits von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) widerlegt.
Wie die medizinische Zeitschrift «Lancet» berichtet, soll auf die Tatsache reagiert werden, dass die internationale Gemeinschaft nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie nicht in der Lage war, robust und koordiniert gegen die Ausbreitung des Virus vorzugehen. Die Autoren des Artikels betonen, ein Konsens über die neuen Vorschriften werde schwer zu erreichen sein, wenn die erheblichen Ressourcen-Unterschiede zwischen reichen und ärmeren Staaten nicht stärker berücksichtigt würden.
(Stand: 26.1.2023)
Links
WHO: International Health Regulations (archiviert)
WHO: Zusammenstellung der IHR-Änderungsvorschlägen, nach Mitgliedsstaat unterteilt (archiviert)
WHO: Zusammenstellung der IHR-Änderungsvorschlägen (archiviert)
BAG: Internationale Gesundheitsvorschriften (archiviert)
Bundesrecht: Internationale Gesundheitsvorschriften 2005 (archiviert)
Lancet: Zukunft der IHR, 07.2022 (archiviert)
dpa-Faktencheck: Pandemie-Vereinbarung der WHO noch in Arbeit
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