Internationaler Vergleich

Deutschland hat weder absolut noch kaufkraftbereinigt die höchsten Strompreise

24.8.2022, 10:49 (CEST)

Strom wird teurer, auch in Deutschland. Aber beim internationalen Preisvergleich machen es sich manche zu leicht. Wo kostet die Kilowattstunde tatsächlich am meisten?

Im Sommer 2021 teilte der Bund mit, dass der Schweizer Strompreis fürs Jahr 2022 um 0,7 Rappen pro Kilowattstunde auf 21,2 Rappen steigen werde. Für das Jahr 2023 wird der Strom nochmals teurer. Der Krieg in der Ukraine hat die Energiekrise nochmals zugespitzt, nicht nur die Schweiz, sondern ganz Europa ist davon betroffen. Doch hat Deutschland wirklich die weltweit höchsten Strompreise, wie in einer bei Facebook verbreiteten Grafik abzulesen ist?

Bewertung

Ein weltweiter Vergleich der absoluten Strompreise ist wenig aussagekräftig, da Einkommen und Lebenshaltungskosten sich von Land zu Land unterscheiden. Kaufkraftbereinigt ist der Strompreis gemäss einer Analyse aus dem Jahr 2021 in Ruanda am höchsten. Auch beim absoluten Strompreis liegt Deutschland nicht mehr an der Spitze.

Fakten

Die Grafik findet sich unter anderem in einem Blogbeitrag vom April 2022, dabei wird auch als Quelle der Datenbasis «Deutschland Strompreise September 2020 Global Petrol Prices (2020)» ausgewiesen. Auf der verlinkten Seite finden sich jedoch inzwischen aktuellere Daten: Im Dezember 2021 lag Deutschland auf Platz 4. Teurer war der Strom demnach in Dänemark, Bermuda und auf den Kaimaninseln. Schon im Februar 2022 war auf der Seite abzulesen, dass Deutschland nicht mehr Spitzenreiter ist.

Doch ein Vergleich der absoluten Strompreise ist ohnehin wenig aussagekräftig - und nur eine Momentaufnahme. Mehrere Faktoren beeinflussen den Strompreis, dieser ist folglich permanenten Schwankungen unterlegen. In der Schweiz bezahlen Endverbraucher etwa 47 Prozent des gesamten Strompreises für die Netznutzung. Rund 38 Prozent entfallen auf den Energiebezug und etwa 15 Prozent sind staatliche Abgaben, unter anderem für die Förderung von erneuerbaren Energie sowie für den Gewässerschutz.

Zudem unterscheiden sich Einkommen und Lebenshaltungskosten von Land zu Land, also sagt der absolute Preis für eine Kilowattstunde Strom wenig aus. Denn die Kaufkraft, also das zum Konsum verfügbare Geldvolumen, ist unterschiedlich hoch.

Werden beim Vergleich der Strompreise die Kaufkraft berücksichtigt, ergibt sich eine anderes Bild: Das deutsche Vergleichsportal Verivox hat 2021 eine solche Analyse vorgenommen. «Unter Berücksichtigung der vergleichsweise hohen Kaufkraft liegen die Strompreise in Deutschland im weltweiten Vergleich auf Platz 15», resultierte aus der Strompreisanalyse von 145 Ländern. Unter Berücksichtigung der Kaufkraft war der Strom demnach in Ruanda am teuersten, gefolgt von Mali und Burkina Faso.

Im kaufkraftbereinigten Vergleich unter den G-20-Staaten bezahlten die Deutschen Staatsbürger jedoch die höchsten Strompreise. In vielen Staaten mit ähnlich hohem Lebensstandard – so auch in der Schweiz – waren die Strompreise kaufkraftbereinigt deutlich niedriger als in Deutschland.

Während die im Facebook-Post abgebildete Statistik die Angaben von etwa 150 Ländern berücksichtigt, wurden für eine andere Analyse die absoluten Strompreise von 230 Staaten auswertet. Die Daten stammen aus dem Jahr 2021. Demnach zahlen die Bewohner der Salomonen die höchsten Strompreise, gefolgt von der Insel Sankt Helena und Vanuatu.

(Stand: 23.8.2022)

Links

ElCom: Medienmitteilung zum Anstieg des Strompreises 2022, 8.9.2021 (archiviert)

Swissgrid: Strompreise Schweiz (archiviert)

Blog-Beitrag mit Grafik, 27.4.2022 (archiviert)

Global Petrol Prices: Strompreise, Dezember 2022 (archiviert)

GlobalPetrolPrices: Über die Plattform (archiviert)

VSE: Zusammensetzung des Strompreises (archiviert)

BFS: Statistik der Konsumentenpreise für Energie, 2022 (archiviert)

Handelszeitung: Definition Kaufkraft (archiviert)

Verivox: Weltweite Strompreise kaufkraftbereinigt, November 2021 (archiviert)

G-20: Mitglieder (archiviert)

Cable.co.uk: Strompreise in 230 Länder (archiviert)

Cable.com.uk: Medienmitteilung über die Studie (archiviert)

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