Abgabenlast

In der Schweiz gelten andere Steuersätze

22.08.2022, 16:51 (CEST)

Bei steigenden Preisen ärgern sich viele Menschen besonders über die Steuern. Doch die Sätze unterscheiden sich von Land zu Land. Kommen die in einem Sharepic aufgeführten Steuersätze für Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer und Mineralölsteuer überhaupt in der Schweiz zur Anwendung?

Steigende Preise belasten die Haushaltskasse, dazu kommen dann noch die Steuern. Da ist es nicht verwunderlich, dass staatliche Abgaben angeprangert werden. «Du gehst arbeiten – der Staat nimmt dir 50% weg! Du gehst einkaufen – der Staat nimmt dir 19% weg! Du fährst tanken – der Staat nimmt dir 70% weg!», echauffiert man sich in einem Sharepic (archiviert). Aber passen diese Zahlen zu den Steuersätzen in der Schweiz?

Bewertung

Der Schweizer Staat wendet die im Sharepic aufgeführten Steuersätze nicht an. Die Einkommenssteuern unterscheiden sich hierzulande nach den Kommunen, durchschnittlich wird das Einkommen mit maximal 33,5 Prozent besteuert. Die Mehrwertsteuern sind je nach Leistung verschieden, liegen aber höchstens bei 7,7 Prozent. Mineralölsteuern hingegen sind fixe Abgaben. Steigen die Treibstoffpreise, ist der prozentuale Steueranteil sogar niedriger.

Fakten

Die Steuersätze in der Schweiz unterscheiden sich - teilweise deutlich - von denen, die im Sharepic genannt werden.

Durchschnittliche maximale Einkommenssteuer ist bei etwa 33,5 Prozent

In der Schweiz unterscheiden sich die Steuerbelastungen von Gemeinde zu Gemeinde – auch innerhalb eines Kantons. Neben dem Bund erheben die Kantone sowie die Gemeinden Steuern auf das Einkommen. Jeder Kanton hat sein eigenes Steuergesetz, die Kommunen wiederum geniessen die Souveränität, entweder im Rahmen der kantonalen Grundtarife Zuschläge zu verlangen oder eigene kommunale Steuern zu beschliessen.  

Wie die direkte Bundessteuer ist auch in fast allen Kantonen der Tarif auf die Einkommenssteuer progressiv – der Steuersatz erhöht sich mit steigendem Einkommen bis zu einer bestimmten gesetzlich festgelegten Grenze. Der Bund ist befugt, das Einkommen von natürlichen Personen zu maximal 11,5 Prozent zu besteuern. Zudem kommen bei der Besteuerung je nach Zivilstand sowie nach der Zahl unterstützungsbedürftiger Personen im Haushalt unterschiedliche Tarife zum Einsatz.   

Der maximale effektive Einkommenssteuersatz der Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuer beträgt nach einer Ermittlung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Durchschnitt 33,52 Prozent. Im Vergleich zwischen den Kantonshauptorten hat die Stadt Zug den geringsten Steuersatz von 22,22 Prozent, die Calvinstadt Genf mit 44,75 den höchsten. Die effektive Einkommenssteuer, die eine natürliche Person im Zuge der Steuerabgabe an Bund, Kanton und Gemeinde zu entrichten hat, beläuft sich in der Schweiz auf weniger als 50 Prozent.

Im europäischen sowie internationalen Vergleich bewegt sich die Schweiz mit ihren Individualsteuersätze der KPMG-Erhebung zufolge im Mittelfeld. In den europäischen Ländern Belgien und Slowenien beträgt demnach der maximale Einkommenssteuersatz genau 50 Prozent.   

Der Normale Mehrwertsteuersatz ist niedriger als in EU-Staaten

Auf allen Stufen der Produktion, des Handels und des Dienstleistungssektors wird die allgemeine Verbrauchssteuer - die Mehrwertsteuer (MWST) – erhoben. Sie bildete für das Jahr 2021 mit 31 Prozent eine der wichtigsten Bundeseinnahmen.

Es gibt mehrere MWST-Sätze. Für Dienstleistungen, Autos, Alkohol und Tabakwaren sowie Uhren und Schmuck gilt der Normalsatz von 7,7 Prozent MWST. Für bestimmte Güterkategorien wie Nahrungsmittel, Medikamente sowie Zeitungen und Bücher findet der reduzierte Satz von 2,5 Prozent Anwendung. Für Beherbergungen gilt ein Sondersatz von 3,7 Prozent. Leistungen in den Bereich Gesundheit, Bildung, Kultur und Immobilienvermietung sind von Mehrwertsteuerabgaben befreit.

Seit dem 1. Januar 2018 sind die Mehrwertsteuersätze unverändert. Die im Sharepic behauptete Steuerabgabe von 19 Prozent auf eingekaufte Ware findet in der Schweiz keine Anwendung. In den EU-Staaten Deutschland, Zypern und Rumänien beträgt der normale Mehrwertsteuersatz 19 Prozent.

Mineralölsteuersätze sind fix, Steueranteil sinkt prozentual bei höheren Treibstoffpreisen

Die Mineralölsteuer ist eine besondere Verbrauchssteuer und umfasst Erdöl, andere Mineralöle, Erdgas und die daraus gewonnenen Produkte wie Benzin oder Diesel. Über den Produktpreis wird die Steuer auf den Verbraucher abgewälzt. Dabei handelt es sich um eine fixe Abgabe, deren Preis je nach Produkt und dessen Verwendung variiert. Aktuell beträgt die Steuerbelastung auf Autobenzin 76,82 Rappen, auf Dieselöl 79,57 Rappen. Da die Sätze nicht variabel sind, sinkt ihr Anteil bei höheren Treibstoffpreisen, schreibt Roland Bilang vom Branchenverband Avenergy Suisse auf dpa-Anfrage. Bei sehr tiefen Treibstoffpreisen könnte die Mineralölsteuer 70 Prozent des Gesamtpreises ausmachen.

Auf mineralölsteuerpflichtige Produkte wird zudem eine Mehrwertsteuer von 7,7 Prozent erhoben. Dieser Anteil mit seinen prozentual berechneten Sätzen ist variabel. Bei höheren Treibstoffpreisen steigen bei gleicher Absatzmenge die absoluten Bundeseinnahmen. Doch prozentual betrachtet sinkt der Steueranteil des Zapfsäulenpreises. Beim aktuellen Treibstoffpreis belaufen sich die staatlichen Abgaben auf «etwas weniger als die Hälfte des Zapfsäulenpreises», schreibt Bilang weiter. 

Eine Erhöhung der Mineralölsteuer um 3,7 Rappen pro Liter trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Seither gab es keine weiteren Änderungen. Das Parlament verwarf Forderungen nach einer Senkung der Mineralölsteuer im Juni 2022. Der Anteil der Energiekosten an den Lebenshaltungskosten sei in der Schweiz eher gering, sagte der GLP-Politiker Beat Flach in der Nationalratsdebatte.

Über die Zusammensetzung des Treibstoffpreises in der Schweiz publizierte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits einen Faktencheck. Im Jahr 2021 trugen die Mineralölsteuer sechs Prozent zu den Bundeseinnahmen bei. Deren Verwendung ist mehrheitlich zweckgebunden und wird für Infrastrukturprojekte verwendet.

Die akute Inflation hält sich in Grenzen

Steigende Preise gab und gibt es immer wieder. Die hiesige Konjunktur ist auch von den weltpolitischen Geschehnissen abhängig, der Krieg in der Ukraine aber auch die strikte Covid-Politik in China stellen Risiken dar. Obwohl schon vorher steigend, haben die Teuerungen seit Kriegsbeginn deutlich zugenommen. Im Juli 2022 wurde eine Teuerung von 3,4 Prozent registriert.

Der Inflationsschub in der Schweiz fällt im Vergleich zu anderen Staaten deutlich niedriger aus. Die Konsumentenpreise steigen hierzulande weniger, weil das Preisniveau generell überdurchschnittlich hoch ist. Lebensmittel sind auch normalen Zeiten um etliches teurer.

Stand: 22.8.2022

Links

Facebook-Post (archiviert)

Eidgenössische Steuerverwaltung: Broschüre über das Schweizer Steuersystem, Ausgabe 2021 (archiviert)

Bundesverfassung der Schweiz (archiviert)

KPMG: Steuern in der Schweiz, Mai 2022 (archiviert)

EFD: Revision der Mehrwertsteuer (archiviert)

EFV: Einnahmen 2021 (archiviert

EU-Vergleich der Mehrwertsteuer in den Mitgliedsstaaten (archiviert)

Avenergy Suisse: Zusammensetzung des Benzinpreises erklärt (archiviert)

Bundesrat: Medienmitteilung zur Erhöhung der Mineralölsteuer, 01.07.2022 (archiviert)

Schweizer Parlament: SDA-Meldung zur Debatte über eine mögliche Senkung der Mineralölsteuer, 16.06.2022 (archiviert)

Schweizer Parlament: Votum Beat Flach an der Ausserordentlichen Session, 16.06.2022 (archiviert)

dpa-Faktencheck: Der Steueranteil am Treibstoffpreis ist deutlich niedriger

BFS: Konsumentenpreise (archiviert)

Staatssekretariat für Wirtschaft: Medienmitteilung Konjunkturprognose, 15.06.2022 (archiviert)

BFS: Veränderungen der Konsumentenpreise verglichen mit dem Vorjahr (archiviert)

BFS: Medienmitteilung zum Konsumentenpreis Juli 2022, 03.08.2022 (archiviert)

FUW: Inflation in der Schweiz, 05.08.2022 (archiviert)

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