Ist Windenergie nachhaltig?

Die Deponierung von Rotorblättern ist in der Schweiz verboten

09.08.2022, 20:43 (CEST)

Der Ausbau der Windenergie wird in vielen Ländern vorangetrieben. Doch was passiert mit veralteten Anlagen und wie werden diese entsorgt?

Die Energiewende wird angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine umso dringlicher. Doch auch erneuerbaren Energiequellen wie Windenergie sind nicht unproblematisch. In den sozialen Medien wird angeprangert, dass man Windenergieanlagen angeblich nicht recyceln kann (archiviert). Auf dem Foto dazu sieht man am Boden liegende Rotorblätter, die mit Erde bedeckt werden.

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Das Bild stammt aus den USA, wo ausgemusterte Rotorblätter anderen Entsorgungsvorschriften unterliegen als in der Schweiz. Hierzulande werden sie nicht vergraben. Rotorblätter können in speziellen Anlagen verbrannt werden, die zurückbleibende Asche wird anschliessend in der Zementherstellung wiederverwendet.

Fakten

Das Bild ist in der Bilddatenbank Getty Image zu finden. Wie die Bildlegende beschreibt, ist der Windturbinen-Friedhof in Wyoming in den USA. Dort werden tatsächlich Rotorblätter von ausgedienten Windkraftanlagen in Deponien vergraben.

Der amerikanische Verband für erneuerbare Energie zitiert im Jahr 2020 die Managerin einer Mülldeponie in Casper, Wyoming, wonach diese angibt, dass die Rotorblätter die unproblematischsten Abfälle darstellen, die diese Deponie überhaupt entgegennehmen würde. Gemäss dem Nachrichtenportal Bloomberg gibt es in den USA mehrere solche Mülldeponien.

Das Recycling von Windkraftanlagen ist zu 80 bis 90 Prozent möglich, das betrifft vir allem Stahl und Beton. Der recycelte Beton findet unter anderem im Strassenbau Verwendung, die Stahlsegmente gehen wieder zurück in die Stahlwerke.

Mit dem Rest wird nicht in allen Ländern gleich verfahren: Während er in den USA auf speziellen Deponien entsorgt wird, verbieten einige EU-Länder sowie die Schweiz diese Handhabung.

Gemäss Artikel 10 der Abfallverordnung (VVEA) besteht in der Schweiz eine Pflicht zur thermischen Behandlung, sofern Abfälle brennbar sind und stofflich nicht anderweitig verwendet werden können. «Da Kunststoffe brennbar sind, ist nach Art. 10 VVEA die Deponierung von ausgemusterten Rotorblätter in der Schweiz verboten», schreibt Robin Poëll vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf Anfrage von Keystone-SDA.

Doch die Verbrennung von Rotorblättern ist aufgrund deren Zusammensetzung aus Glasfaserkunststoffen, Kohlefasern und anderen Kunststoffen schwierig. Sie werden daher in speziellen Anlagen thermisch behandelt. Die übrigbleibende Asche findet anschliessend in der Zementindustrie Verwendung.

In der Schweiz gibt es aber keine derartige Aufbereitungsanlage, erklärte Tim Voegelin von Iwas der Keystone-SDA. Er forscht unter anderem an Recyclingmethoden von glasfaserverstärkten Duromeren, welche in den Rotorblättern vorkommenden. Eine derartige Anlage wäre für die hierzulande anfallende Menge von Rotorblättern nicht rentabel.

Windkraftanlagen, die hierzulande ausgemustert wurden, werden daher ins Ausland gebracht. «Die bisher in der Schweiz ausser Betrieb genommenen Windenergieanlagen wurden komplett verkauft», schrieb Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie BFE auf Anfrage von Keystone-SDA. Sie geht davon aus, dass sie im Ausland weiter betrieben werden.

Ähnliche Deponieverbote wie in der Schweiz gibt es unter anderem in Österreich, Finnland, Deutschland und den Niederlanden. Der europäische Verband für Windenergie WindEurope fordert bis 2025 ein europaweites Deponieverbot für ausgemusterte Rotorblätter.

In den USA hingegen werden wohl ausgemusterte Rotorblätter weiterhin auf Deponien verscharrt. So vermutet das Electric Power Research Institute (EPRI) im Jahr 2020, dass bis 2050 etwa vier Millionen Tonnen Windturbinenblätter auf US-Mülldeponien entsorgt werden könnten. Daher suchen Forschungsinstitute in aller Welt nach neue Recyclingverfahren, auch in der Schweiz . Es wird auch an abfallfreien Windturbinen und recycelbaren Windturbinenblätter gearbeitet. Die Branche setzt dadurch auf Nachhaltigkeit und engagiert sich für die Kreislaufwirtschaft. Unternehmen wiederum erkunden Geschäftstätigkeiten, welche Rotorblätter oder Teile davon anderweitig zur Herstellung von Produkte verwendet werden können wie zum Beispiel Bauplatten, Paletten oder Spanplatten. Auch in Kunstprojekten sollen veraltete Rotorblätter Verwendung finden.

(Stand: 9.8.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Getty Images: Bild des Windturbinen-Friedhofs in Wyoming in den USA, 09.01.2020 (archiviert)

American Clean Power Association: End-of-Life Windturbinen-Strategie, Juni 2020 (archiviert)

Bloomberg: Vergrabung von Windturbinenblätter, 05.02.2020 (archiviert)

Blog Wind Letters: Europäische und US-Ansichten bezüglich Recycling von Rotorblätter, 17.09.2021 (archiviert)

SuisseÉole: Recycling von Windenergieanlagen (archiviert)

Schweizer Gesetzgebung: Abfallverordnung VVEA (archiviert)

Rotorblätter befeuern Zementwerk (archiviert)

Wind Europe: Forderung nach Verbot von Deponieverbot für ausgemusterte Rotorblätter, 16.06.2021 (archiviert)

EPRI: Medienmitteilung zum Recycling von Rotorblätter, 19.05.2020 (archiviert)

Iwas-Concepts: Recycling von GFK-Abfällen, Juni 2021 (archiviert)

GE: Medienmitteilung zur Produktion des ersten Prototyps seines recycelbaren Windturbinenblatts, 17.03.2022 (archiviert)

Cowboy State Daily: Kunstprojekte mit Rotorblätter, 02.08.2022 (archiviert)

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