Irreführendes Plakat
Seuchen und Kriege gibt es auch ohne WHO, Nato und EZB
2.7.2022, 16:39 (CEST)
Seuchen, Wirtschaftskrisen und Kriege gibt es schon seit Jahrtausenden. Die Ursachen dafür sind vielfältig - was jedoch nicht jeder akzeptieren will. Auf einem Plakat, welches in den sozialen Medien kursiert, ist zu lesen: «ohne WHO – keine Pandemie, ohne EZB – keine Inflation, ohne NATO – kein Krieg» (archiviert). Doch wären ohne WHO, EZB und Nato all diese Probleme tatsächlich vom Tisch?
Bewertung
Die Abschaffung der genannten Organisationen würde weder alle Kriege und Pandemien noch die Inflation beenden. Eine Pandemie ist eine global auftretende Infektionskrankheit, die auf Erreger wie Viren zurückgeht. Die WHO bemüht sich, deren Ausbreitung einzugrenzen. Für eine Inflation gibt es stets mehrere Gründe, auch die Geldpolitik der EZB beeinflusst sie. Kriege gab es lange vor der Gründung der Nato und auch heute ist sie nicht an sämtlichen bewaffneten Konflikten weltweit beteiligt.
Fakten
Fakt 1: Seuchen kommen und gehen seit Tausenden von Jahren
Eine Pandemie ist eine Infektionskrankheit, die für eine gewisse Zeitspanne weltweit gehäuft auftritt. Seuchen «treten auf, breiten sich aus, schlagen da und dort zu, werden schwächer und verschwinden ohne ersichtlichen Grund», steht im Historischen Lexikon der Schweiz. Umweltbedingungen, hygienische Massnahmen, ökologisches Gleichgewicht, kulturelle Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Mobilität und Lebensstil beeinflussen den Verlauf von Seuchen.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass aufgrund des beschleunigten Artensterbens das Pandemierisiko zunimmt. Wird das Ökosystem gestört, entstehen mehr neue Krankheiten. Gelegenheiten für einen Virusaustausch zwischen Mensch und Tier nehmen durch das menschliche Eingreifen in die Natur zu. Viren mit hohem Pandemiepotenzial treffen beim Menschen unvorbereitete Immunsysteme an.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt sich seit 1948 für eine gesündere und sicherere Welt ein. Sie hat 194 Mitgliedsstaaten. Sie setzt sich für eine global faire Bereitstellung von Ressourcen ein und unterstützt bei Gesundheitsnotfällen betroffene Regionen.
Die Schweizer Gesetzgebung respektiert die Kompetenzen der gesundheitlichen Warnung durch die WHO. Das Epidemiegesetz (EpG) hält fest, dass eine besondere Lage vorliegt, wenn die WHO «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» feststellt und in der Schweiz eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit droht. Entsprechend hat der Bundesrat die Befugnisse, Massnahmen anzuordnen. Sars-CoV-2 stuft die WHO seit Ende Januar 2020 als gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ein.
Fakt 2: Faktisch jede Währung ist langfristig von Inflation betroffen
Ein anhaltender Prozess der Geldentwertung wird als Inflation bezeichnet. Der Konsument erhält dabei immer weniger Ware für sein Geld, auch Ersparnisse verlieren ihren Wert. Diverse Ursachen können zu einer Inflation führen.
Wenn die Konsumentennachfrage nach bestimmen Gütern grösser ist als das Angebot, steigt in der Regel der Preis. Unternehmen können eine Inflation herbeiführen, indem sie für die Gewinnerhöhung die Preise anheben oder andere Kostenanstiege an die Konsumenten abwälzen.
Auch eine fehlgeleitete Geldpolitik kann zu einer Inflation führen. Dabei wächst die im Umlauf befindende Geldmenge schneller als das Waren- oder Dienstleistungsangebot.
Das Historische Lexikon der Schweiz schreibt, dass fast alle Geschichtsperioden mit grossem Wirtschaftswachstum mit Preiserhöhung und Inflation konfrontiert waren. Diese können schwere wirtschaftliche und soziale Folgen haben.
Um der Inflation hierzulande entgegenzuwirken, wurde 1905 die Schweizerische Nationalbank (SNB) gegründet. Diese soll die Preisstabilität in der Schweiz gewährleisten. Andere Staaten entwickelten dafür ihre eigenen nationalen Zentralbanken. Die Europäische Zentralbank (EZB), welche im Sharepic erwähnt wird, soll die Preise im Euroraum stabilisieren. Sie Institution wurde 1998 gegründet, der Euro wurde 1999 eingeführt.
Inflation gab es also schon vor der Gründung der Europäischen Zentralbank, und der Euroraum ist nicht das einzige Gebiet, das von Inflation betroffen ist.
Fakt 3: Auch ohne die Nato gibt es Kriege
Die Enzyklopädie Britannica führt eine Liste von diversen Konflikten, die Jahrhunderte zurückreicht. In der Chronik der World History Encyclopedia, spezialisiert auf alte Geschichte, listet einen Konflikt in Mesopotamien auf, der auf das Jahr 2 400 vor Christus datiert ist.
Die Nato wurde 1949 gegründet und ist ein europäisches und nordamerikanisches militärisches Verteidigungs- und Sicherheitsbündnis. Dem Vertrag liegt das Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung zugrunde. Ein Angriff gegen eines oder mehrere Mitglieder wird dabei als Angriff gegen alle bewertet. Dies wurde Stand Juni 2022 nur einmal angewendet, nach den Anschlägen am 11. September 2001 in den USA.
Das Bündnis nimmt längst nicht bei allen aktuellen Konflikten eine aktive Rolle ein, zum Beispiel im Jemen. Die Nato verurteilt Russlands Krieg gegen die Ukraine und hat umfangreiche Hilfe zugesichert.
(Stand: 1.7.2022)
Links
NetDoktor: Pandemie & Epidemie (archiviert)
NetDoktor: Zeitalter der Pandemie (archiviert)
WHO: Arbeit der WHO (archiviert)
WHO: Erklärung des Notfallausschusses zu Covid-19, 30.01.2020 (archiviert)
WHO: Erklärung des Notfallausschusses zu Covid-19, 13.04.2022 (archiviert)
Epidemiengesetz (EpG) (archiviert)
EZB: Über die EZB (archiviert)
EZB: Wirtschafts- und Währungsunion (archiviert)
HLS: Schweizerische Nationalbank (SNB) (archiviert)
Handelszeitung: Inflation (archiviert)
Nato: Was ist die Nato (archiviert)
Nato: Beziehung zur Ukraine, 15.6.2022 (archiviert)
Nato: Unterstützung für die Ukraine, 27.6.2022 (archiviert)
World History Encyclopedia: Chronologie der Kriege (archiviert)
Britannica: Chronologie der Kriege (archiviert)
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