Gleiches Recht

Geschwindigkeitslimit gilt auch für ukrainische Fahrzeuge

02.06.2022, 14:52 (CEST), letztes Update: 03.06.2022, 16:07 (CEST)

Kein Parkverbot, kein Tempolimit - und das alles für 150 Euro? Mit einem gefälschten Verkaufsangebot wird Stimmung gegen Geflüchtete aus der Ukraine gemacht.

Mehr als 50 000 Ukrainerinnen und Ukrainer haben bereits Schutz in der Schweiz gefunden, wie das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) Ende Mai 2022 mitteilte. Nun wird auf einem Screenshot behauptet, dass alle, die mit einem ukrainischen Nummernschild im Strassenverkehr unterwegs sind, «überall kostenlos parken» und beliebig schnell fahren dürfen. Dazu wird angeblich ein ukrainisches Kennzeichen für 150 Euro zum Kauf angeboten (archiviert).

Bewertung

Es handelt sich um ein gefälschtes Angebot. Ebay Kleinanzeigen dementiert, jemals ein derartiges Verkaufsangebot aufgeschaltet zu haben. Mit einem ukrainischen Kennzeichen darf man nicht beliebig schnell fahren.

Fakten

«Das fragliche Angebot war zu keiner Zeit auf Ebay Kleinanzeigen verfügbar», schrieb deren Pressesprecherin Pauline Heereman auf Anfrage von Keystone-SDA. Das Unternehmen vermutet, dass es sich um den Screenshot einer Vorschau handelt, die man beim Erstellen einer Anzeige ansehen kann.

Das im Sharepic abgebildete Nummernschild wurde aus der Wikipedia kopiert, wie man an den schwarzen Punkten zwischen «4» und «A» sowie an einer Unregelmässigkeit am Rand darunter erkennt. Es ist zudem veraltet und wurde in der Ukraine in der Zeit von 2004 bis 2014 verwendet. Die Buchstaben AK stehen für die Halbinsel Krim, die schon seit 2014 russisch besetzt ist.

In der Schweiz sind die kantonalen beziehungsweise die kommunalen Polizeibehörden für die Durchsetzung der Verkehrsregeln sowie des Parkplatzregimes zuständig, teilte Mediensprecher Christoph Gnägi vom EJD auf Anfrage von Keystone-SDA mit.

«Das Strassenverkehrsgesetz gilt für alle Verkehrsteilnehmer gleichermassen», schrieb der Mediensprecher Kenneth Jones von der Kantonspolizei Zürich auf Anfrage von Keystone-SDA. Auch die Stadtpolizei Zürich nimmt die Kontrolltätigkeit auf der Strasse für alle Verkehrsteilnehmenden wahr. Der Mediensprecher Pascal Siegenthaler teilte auf Anfrage von Keystone-SDA mit, dass «bei Einwendungen und Besuchen am Schalter durch Ukrainische Staatsangehörige […] ein einmaliges Aufheben der Ordnungsbusse [erfolge]». Dies gelte sozusagen als Erinnerung an die hiesigen Strassenverkehrsregeln.

«Für die Blauen Zonen erhalten Fahrzeuge mit ukrainischen Kennzeichen hingegen kostenlos eine Anwohnerparkkarte für denjenigen Kreis, in dem der Fahrzeughalter temporär wohnhaft ist», schrieb Heiko Ciceri von er Stadt Zürich auf Anfrage von Keystone-SDA. Der Leiter Kundendienst führte aus, dass die Geflüchteten vorab glaubhaft darlegen müssten, dass der Krieg in der Ukraine die Ursache für die Einreise in die Schweiz war, zudem müsse sie im Besitz des Aufenthaltsstatus S sein und die Wohn- oder Aufenthaltsadresse in Zürich angeben. Anschliessend würde die Stadt Zürich eine Anwohnerparkkarte für den entsprechenden Stadtkreis für das laufende Jahr 2022 kostenlos ausstellen.

Jede Gemeinde entscheidet diesbezüglich autonom. Auch andere Gemeinden erlassen den Geflüchteten aus der Ukraine die Gebühren für die Blaue Zone. Medienberichten ist zu entnehmen, dass die Stadt Winterthur und Basel eine ähnliche Regelung haben und die Geflüchteten in der Blauen Zone gratis parken dürfen. In Basel sei dies bis Ende Mai 2022 befristet.

Mehrere Hinweise deuten darauf hin, dass das vermeintliche Angebot seinen Ursprung nicht in der Schweiz hat. Einerseits ist im Sharepic die deutsche Ortschaft Mannheim angegeben, andererseits wird das Wort «parken» anstelle vom in der Schweiz üblichen «parkieren» verwendet.

Die Durchsetzung der Verkehrsregel obliegt in Deutschland den Bundesländern, in einigen Kommunen wurde Falschparkende aus der Ukraine von Seiten der lokalen Polizei Kulanz entgegengebracht. Dies geht aus den Recherchen der Faktenchecker der AFP hervor.

In der österreichischen Hauptstadt Wien hingegen wurde eine Sonderregelung für Fahrzeuge mit ukrainischem Kennzeichen geschaffen. Bis Ende Mai 2022 durften diese kostenlos ihre Autos auf Parkplätzen im öffentlichen Raum abstellen.

(Stand: 1.6.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

EJPD: Medienmitteilung zur Zwischenbilanz der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine, 20.5.2022 (archiviert)

Ukrainische Verkehrsnummernschilder (archiviert)

Ukrainische Verkehrsnummernschilder: Buchstabencode (archiviert)

Wikipedia: Verkehrsnummernschilder Ukraine (archiviert)

Telebasel: Geflüchtete aus der Ukraine dürfen gratis parieren, 5.4.2022 (archiviert)

Landbote: Geflüchtete aus der Ukraine dürfen gratis parieren, 26.4.2022 (archiviert)

AFP-Faktencheck, 12.5.2022 (archiviert)

Stadt Wien: Medienmitteilung zur Verlängerung der Unterstützungsmassnahmen für Geflüchtete aus der Ukraine, 14.3.2022 (archiviert)

Stadt Wien: Medienmitteilung zur Auflösung der Sonderregelung zum Parkieren für Geflüchtete aus der Ukraine, 29.4.2022 (archiviert)

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