Aussage von Bhakdi unbelegt: Nach Covid-Impfung bleibt das Immunsystem weiterhin funktionstüchtig

13.01.2022, 12:29 (CET)

Auch nach über einem Jahr Erfahrung mit den Covid-Impfstoffen wird eifrig daran geforscht. Zum Jahreswechsel kursierte in den sozialen Medien (archiviert) und auf weiteren Onlineportalen (archiviert) ein Video mit dem Titel: «Der Beweis ist da: Impfung zerstört Immunsystem». Gemäss der Videobotschaft des pensionierten Mikrobiologen Sucharit Bhakdi soll ein pathologischer Befund aufzeigen, dass das Immunsystem bei Geimpften sich selbst zerstören würde. Die Corona-Impfstoffe würden Menschen aller Altersklassen töten, sagt Bhakdi.

Bewertung

Für die Behauptung von Bhakdi gibt es keine wissenschaftlichen Belege, Experten weisen diese zurück. International wird die Vergabe der Covid-Impfstoffe genau beobachtet. Häufige Nebenwirkungen wären unter einer solch strengen Beobachtung längst entdeckt worden.

Fakten

Treten gesundheitliche Probleme kurz nach einer Covid-19-Impfung auf, können diese den nationalen Gesundheitsbehörden gemeldet werden. Diese analysieren und werten die erhaltenen Daten regelmässig aus. Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic konnte bei ihrer letzten Analyse kein gravierendes Sicherheitsproblem feststellen und wertet den Nutzen der zugelassenen Covid-Impfstoffe höher ein als deren Risiko. Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), welches die Daten aus Deutschland analysierte, konnte gemäss dem letzten Bericht keine Risikosignale feststellen.

Durch die Überwachung der Impfstoffe sind einige sehr seltene Nebenwirkungen der Corona-Impfung bekannt geworden. So wurde Myokarditis oder Perikarditis höchst selten nach der Injektion mit den Covid-Vakzinen Pfizer / Biontech oder Moderna insbesondere bei jungen Männer beobachtet. Ebenso wurde eine spezielle Form der Thrombose nach der Impfung vom Hersteller Johnson & Johnson festgestellt, ebenso beim nicht in der Schweiz zugelassenen Impfstoff von Astrazeneca. Basierend auf den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen werden die Impfempfehlungen laufend angepasst. Diese sind in der Schweiz online einsehbar.

Das PEI erachtet die aktuelle Überwachung der Corona-Impfstoffe als gut. «Neue Impfstoffe führen immer zu einer erhöhten Melderate», sagte eine PEI-Sprecherin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) für einen früheren Faktencheck. Die Neuartigkeit sensibilisiere die Aufmerksamkeit bei Geimpften sowie bei den Impfenden stark. Dadurch können auch sehr seltene Nebenwirkungen frühzeitig entdeckt werden, so die Sprecherin weiter.

Folglich ist äusserst unwahrscheinlich, dass häufige schwerwiegende Nebenwirkungen, wie sie Sucharit Bhakdi angeblich beobachtet haben soll, bisher nicht bemerkt worden wären.

Experten weisen auch die Behauptung, die Impfstoffe könne eine Selbstzerstörung des Immunsystems auslösen, zurück. Der Immunologe und Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie Carsten Watzl sagte gegenüber «tagesschau.de», Bhakdis Behauptungen seien «unwissenschaftlicher Unsinn». Auch die Universität Mainz, wo Bhakdi früher tätig war, distanzierte sich von seinen Aussagen.

Watzl widerlegte auch die Behauptung Bhakdis, dass der Impfstoff sich im ganzen Körper ausbreite und Schäden verursache. «So viel Impfstoff könnte man gar nicht spritzen, dass dieser überall hinkommt», so Watzl. Selbst wenn winzige Spuren des Spike-Proteins, das bei einer Corona-Impfung in den Zellen entsteht, im Körper nachgewiesen werden könne, habe dies keine biologischen Auswirkungen.

Als Quelle für seine Behauptungen verweist Bhakdi auf angebliche Untersuchungen des pensionierten Pathologen Arne Burkhard. Dieser behauptete im September 2021 an einer Pressekonferenz, dass Analysen von acht Obduktionsberichten als Todesursache die Covid-Impfung ergeben hätten. Als Schlussfolgerung warnte Burkhard vor angeblich tödlichen Folgen der Corona-Impfung. Die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) bezeichnete die Behauptungen als «Meinungsäusserungen» und «nicht wissenschaftlich fundiert».

Auch die im weiteren Verlauf des Videos aufgestellte Behauptung Bhakdis von einer angeblichen «Explosion von Tumoren unter Geimpften» ist nicht belegt. Der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) ist ein derart beschriebener Anstieg von Tumorbefunden in Folge der Covid-Impfung nicht bekannt. «Wenn das ein echtes Problem wäre, hätten wir das bemerkt», sagte die Jenaer Professorin und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Infektionen in der DGHO Marie von Lilienfeld-Toal gegenüber der dpa.

Möglich sei aber, dass die laufende Pandemie und das damit verbundene eingeschränkte Gesundheitssystem dazu führen, dass Tumore später entdeckt und behandelt werden. «Wir gehen davon aus, dass einige Patientinnen und Patienten aufgrund der Pandemie verzögert mit Krebserkrankungen oder Rückfällen in ärztliche Behandlung gekommen sind», sagte die Onkologin von Lilienfeld-Toal. Diese Fälle hätten aber nichts mit der Impfung zu tun.

In der Schweiz wurden ebenfalls onkologische Abklärungen und Therapien aufgrund der Pandemie verschoben. Pandemiebedingte verminderte Arztbesuche könne zu späteren Krebsdiagnosen führen, sagte der Vizepräsident des Vorstands der Krebsliga Schweiz Georg Stüssi. Ob dies allerdings zu einem Anstieg von Krebsfälle führe, sei noch unbekannt. Der Chefarzt Hämatologie im Onkologischen Institut der italienischen Schweiz (IOSI) Stüssi versichert, dass die Versorgung im onkologischen Bereich trotz Pandemie in der Schweiz weiterhin gewährleistet sei, zu einer Unterversorgung solle es nicht kommen.

Auch die Krebsliga empfiehlt den Krebsbetroffenen, sich gegen Sars-CoV-2 impfen zu lassen. Sie sind eher von schweren Verläufen betroffen und einer höheren Wahrscheinlichkeit ausgesetzt, an einer Corona-Infektion zu sterben. Gemäss dem Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Impffragen Christoph Berger sei jeder in der Schweiz zugelassene Covid-Impfstoff auch für Krebspatientinnen und -patienten geeignet.

Aussagen von Bhakdi widerlegte die dpa bereits mehrfach.

(Stand: 13.1.2022)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Uncut-news: Artikel mit Falschbehauptung, 28.12.2021 (archiviert)

Video mit der Behauptung (archiviert)

Swissmedic: Sicherheitsupdate Covid-Impfstoffe, 17.12.2021 (archiviert)

PEI-Sicherheitsbericht vom 23. Dezember 2021 (archiviert)

tagesschau.de: Äusserungen des Immunologen Carsten Watzl (archiviert)

Universität Mainz: Bhakdi vertritt nicht die Ansichten der Universität, 28.10.2020 (archiviert)

Pressekonferenz «Todesursache nach COVID-19-Impfung», 20.09.2021 (archiviert)

DGP: Stellungnahme zur Pressekonferenz «Todesursache nach COVID-19-Impfung» (archiviert)

Krebsliga Schweiz:

- Fragen und Antworten: Krebs und Corona, Stand 19.11.2021 (archiviert)

- Interview Georg Stüssi über die onkologische Versorgung, 16.11.2020 (archiviert)

- Interview mit Christoph Berger zur CovidImpfung für Krebsbetroffene (archiviert)

dpa-Faktencheck:

- Verdachtsfälle werden häufiger gemeldet, nicht tatsächliche Nebenwirkungen

- Bhakdi nennt falsche Zahlen über die Nebenwirkungen der CoronaImpfung

- Zitat verfälscht Corona-Sterberate je nach Studie verschieden

Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-schweiz@dpa.com