Virusvarianten entwickeln sich auf natürliche Art

23.09.2021, 11:25 (CEST)

Wie entstehen Virusmutationen, und in welchen zeitlichen Abständen treten sie auf? In den sozialen Medien kursiert eine Tabelle (archiviert), in der angeblich geplante «Covid-19-Varianten» aufgelistet sind. Jede ist in der Spalte «Lanzamento» (spanisch für «Start») einem Datum zugeordnet – die Zeitspanne reicht von Juni 2021 bis Februar 2023. Daneben sind die Logos der Johns-Hopkins-Universität, des Weltwirtschaftsforums, der Weltgesundheitsorganisation sowie der Bill & Melinda Gates Foundation aufgeführt. Weiter wird behauptet, dass mit der Impfung ein «Betriebssystem» im Körper installiert wird, dass dann «mit dem DELTA 5G [Mikrowellen]-System manipuliert wird, um Sie zu kontrollieren».

Bewertung

Das Dokument stammt von keiner der aufgeführten Organisationen, die Behauptungen und die Daten in der Tabelle sind falsch. Virusvarianten entstehen auf natürliche Art, wenn sich Viren weiterentwickeln. Wissenschaftliche Studien belegen die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe. Die 5G-Technologie hat damit nichts zu tun.

Fakten

Viren wie Sars-CoV-2 verändern bei ihrer Replikation zufällig ihr Erbgut. Das Aufkommen neuer Mutationen und Virusvarianten ist ein natürlicher Prozess. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) überwacht diese Virusveränderungen. Je nach Eigenschaften einer Mutation werden diese deklariert als Varianten von Interesse (Variants of Interest/VOIs) oder besorgniserregende Varianten (Variants of Concern/VOCs).

Die WHO listet auf, seit wann welche Varianten zum ersten Mal dokumentiert und wie sie eingeordnet wurden. Vergleicht man diese Angaben mit den in der Facebook-Tabelle genannten Daten, fallen rasch Ungereimtheiten auf:

- Im Oktober 2020 wurde die Mutation B.1.617 zum ersten Mal in Indien entdeckt, welche die Delta-Variante, B.1.617.2 hervorbrachte. Seit April 2021 beobachtet die WHO B.1.617.2 als Variante von Interesse, seit Mai gilt die Delta-Variante als besorgniserregend. Das stimmt nicht mit der auf Facebook kursierenden Tabelle überein.

- Auch die Lambda-Variante, welche im Dezember 2020 in Peru zum ersten Mal dokumentiert wurde, wird von der WHO seit Juni 2021 als Variante von Interesse beobachtet. Gemäss Facebook-Tabelle sollte diese angeblich auf Januar 2022 geplant sein.

- Auch Eta, Iota und Kappa – alles Varianten von Interesse – wurden wesentlich früher zum ersten Mal dokumentiert und beobachtet, als es die Tabelle auf Facebook suggeriert.

Des Weiteren gibt es keine Belege dafür, dass eine derartige Tabelle vom WEF, von der WHO, von der Jons Hopkins University oder von der Bill & Melinda Gates Foundation publiziert worden ist.

Zum Covid-19-Impfstoff: Mit den in der Schweiz zugelassenen Covid-Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna wird mRNA (Messenger-RNA oder Boten-RNA) injiziert. Dabei handelt es sich um ein kleines Stück eines genetischen Codes. Die Impfung liefert den Bauplan für die Herstellung des Spike-Proteins. Die Herstellung des Oberflächeneiweisses von Sars-CoV-2 selbst geschieht im menschlichen Körper auf natürliche Weise. Daraufhin produziert das menschliche Immunsystem Antikörper. Die Impfung kann keine Covid-19-Infektion verursachen. Die mRNA-Impfstofftechnologie wird seit Jahren erforscht. Es handelt sich dabei nicht um Lebendimpfstoffe, und die menschliche DNA wird nicht verändert.

Auch der Covid-Impfstoff von Janssen ist seit März 2021 in der Schweiz zugelassen. Dieser basiert auf einem humanen Adenovirus, welches ebenfalls den Bauplan des Spike-Proteins von Sars-CoV-2 enthält.

Die Impfung ist in der Schweiz freiwillig. Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic meldete Mitte August 2021, der Nutzen der eingesetzten Covid-Vakzine übersteige deren Risiko. Ob eine Auffrischungsimpfung nach einer bestimmten Zeit notwendig ist, ist aktuell noch unklar. Eine dritte Impfdosis ist zurzeit für die «gesunde Bevölkerung» nicht vorgesehen, Personen mit Immundefizit können diese unter Absprache mit Spezialistinnen und Spezialisten erhalten. Mehr als drei Impfdosen werden mangels Daten vorläufig nicht empfohlen.

Der Impfstoff steht in keinem Zusammenhang mit den Mobilfunkstandard 5G. Dies hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits in einem früheren Faktencheck widerlegt.

(Stand: 15.9.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Facebook-Post: Kommentar (archiviert)

NetDoktor: Erläuterungen zum Coronavirus und deren Mutationen (archiviert)

BAG: Varianten vom neuen Coronavirus (archiviert)

WHO: Liste der Covid-Varianten und Definition «Variante von Interesse» und «besorgniserregende Variante» (archiviert)

WHO: FAQ zum Covid-Impfstoffe (archiviert)

Deutsches Primatenzentrum (DPZ): Sars-CoV-2-Variante B.1.617 (archiviert)

Swissmedic: Erklärvideo mRNA Impfstoff (archiviert)

Swissmedic: Update Risiko-Nutzen-Analyse der Covid-Impfstoffe, 13.8.2021 (archiviert)

Infovac: Information zur Covid-Impfung, 10.8.2021 (archiviert)

BAG: Information zur Covid-Impfung in der Schweiz (archiviert)

BAG: Impfempfehlung für mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19, 26.8.2021 (Download) (archiviert)

Faktencheck dpa: 5G-Start erfolgt unabhängig vom Auftreten des Coronavirus

Swissmedic: Medienmitteilung Zulassung des Impfstoffs von Janssen, 22.03.2021 (archiviert)

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com