Brief falsch wiedergegeben – keine Rede von «Elite» und «Great Reset»

16.09.2021, 10:41 (CEST)

Ein Brief der Vereinigung «Wir für Euch», der angeblich Polizistinnen und Polizisten aus der ganzen Schweiz vertritt, macht im In- und Ausland medial die Runde. In einem Blogbeitrag (archiviert) wird die Gruppierung wie folgt zitiert: «Wir arbeiten für das Volk, nicht für die Elite.» Zudem wird behauptet, die Schweizer Polizei lehne den «Great Reset» ab. Hinter dem Begriff «Grosser Neustart» verbirgt sich ein weit verbreiteter Verschwörungsmythos. Demnach planen meist nicht näher definierte «Eliten» den Umbau der Gesellschaft zu einer «Neuen Weltordnung».

Bewertung

Die angeblichen Zitate sind nicht in dem Brief vorzufinden. Die Vereinigung «Wir für Euch» schreibt weder etwas über eine Elite noch über einen «Great Reset». Zudem ist nicht ganz klar, wer hinter der Gruppierung steht. Es ist zumindest nicht die gesamte Schweizer Polizei.

Fakten

Die Vereinigung «Wir für Euch» vertritt eigenen Angaben zufolge Polizistinnen und Polizisten aus allen Kantonen der Schweiz. Sie sehen offenbar in den Covid-Massnahmen der «besonderen Lage» gemäss Epidemiengesetz einen Widerspruch zur Verhältnismässigkeit. Auch die Rechtmässigkeit der Massnahmen zweifeln sie an. Mit der Vereinigung wollen sie eigenen Angaben zufolge ähnlich denkende Berufskolleginnen und -kollegen eine Plattform zur freien Meinungsäusserung bieten.

In einem Brief vom Februar 2021 an den Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) fordern «Wir für Euch» eine klare Ablehnung der Impfpflicht für Beamtinnen und Beamten. Zudem soll der VSPB Antworten beim Gesamtbundesrat einholen.

Im Schreiben betonen «Wir für Euch», dass Polizistinnen und Polizisten «zum Schutz der Bevölkerung» da seien. Zudem schreiben sie: «Wenn die Gefahr besteht, dass Massnahmen den Interessen der mündigen Allgemeinheit zuwiderlaufen und deren Grundrechte unverhältnismässig beschnitten werden, werden viele Polizistinnen und Polizisten nicht mehr gewillt sein, diese umzusetzen.»

Im Brief ist nie die Rede davon, dass die gesamte Schweizer Polizei hinter diesen Ansichten stehe. Ebenso wenig wird von «Elite» oder von «Great Reset» gesprochen. Hinter dem Begriff «Great Reset» (Grosser Neustart) verbirgt sich ein weit verbreiteter Verschwörungsmythos. Demnach planen meist nicht näher definierte «Eliten» den Umbau der Gesellschaft zu einer «Neuen Weltordnung».

Entsprechende Passagen sind im Brief nicht zu finden. Im Gegenteil: Im Brief wird betont, dass die Polizistinnen und Polizisten im Berufsalltag an die Rechtsordnung gebunden sind. Das bestehende Polizeigesetz wird nicht infrage gestellt. Die Schreiber stellen lediglich die Verhältnismässigkeit der Covid-Massnahmen in Frage.

Der VSPB verfasste ein Antwortschreiben auf den Brief. Dieses wurde am 19. April 2021 verschickt, wie die Kommunikationsverantwortliche Alexia Hungerbühler auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA schreibt. Der Verband habe jedoch keine Informationen über die Gruppierung «Wir für Euch». Auch die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) hat keine Kenntnisse über «Wir für Euch». Dies schreibt der Kommunikationsverantwortliche Adrian Gaugler auf Anfrage.

Ein Reporter der Weltwoche hat sich eigenen Angaben zufolge mit Vertretern von «Wir für Euch getroffen. Diese hätten zur Verifikation ihre Polizeiausweise gezeigt.

(Stand: 15.9.2021)

Links

Blog-Beitrag (archiviert)

20 Minuten: Artikel vom 6.8.2021 (archiviert)

Global Research: Artikel vom 12.8.2021 (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

Vereinigung «Wir für Euch»:

- Über die Gruppierung (archiviert)

- Brief an den VSPB (archiviert)

- Antwortschreiben vom VSPB (archiviert)

Nordbayern: Erklärung zu «Great Reset», 07.04.2021 (archiviert)

Die Weltwoche: Polizisten im Corona-Widerstand, 19.8.2021

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