Auch Elektrofahrzeuge können hochwassertauglich gebaut werden
17.8.2021, 12:02 (CEST)
In Deutschland gab es Mitte Juli 2021 heftige Regenfälle, die in einigen Gebieten zu verheerenden Überschwemmungen führten. Auch die Schweiz verzeichnete dieses Jahr einen ausserordentlich niederschlagsreichen Juli (Download). In beiden Ländern gab es umfangreiche Rettungseinsätze. Ein Facebook-User behauptet nun, dass in Hochwassersituationen keine einsatzfähigen Fahrzeuge mehr vorhanden sein würden, wenn es künftig nur noch Elektrofahrzeuge gäbe (archiviert). Die Begründung: Wenn Elektrofahrzeuge ins Hochwasser geraten, komme es zu einem Kurzschluss.
Bewertung
Die Behauptung ist falsch. Elektrofahrzeuge können genauso hochwassertauglich gebaut werden wie Fahrzeuge, die mit Benzin oder Diesel betrieben werden. Sie müssen nur ausreichend abgedichtet sein.
Fakten
Elektrofahrzeuge stehen gegenüber den mit fossiler Energie betriebenen Fahrzeugen in Hochwassersituationen in nichts nach, erklärt Jürgen Biela telefonisch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der Professor des ETH-Labors für High Power Electronic Systems sagt, Elektrofahrzeuge könnten genauso für Hochwassersituationen gebaut werden. Ausschlaggebend sei die Abdichtung der Elektronik.
Bei den regulären E-Autos sind Gehäuse und Stecker gegen Regen- und Spritzwasser geschützt - jedoch nicht für den Betrieb unter Wasser geeignet, teilte Markus Peter vom Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS) dem Portal «20 Minuten» mit. Die «im unteren Bereich des Fahrzeuges eingebaute Komponenten […] gelten grundsätzlich als wasserdicht». Dies schütze gegen eindringendes Wasser von unten. Stehe aber eine Batterie länger komplett unter Wasser, werde sie geschädigt.
Innerhalb der Batterie ist zwar ein Kurzschluss möglich, so Professor Biela. Eingebaute Vorsichtsmassnahmen verhinderten jedoch, dass das Wasser in der Umgebung elektrisch geladen werde. Auch Markus Peter schreibt, dass «kein erhöhtes Risiko eines Stromschlags [bestehe], wenn ein E-Fahrzeug einen Wasserschaden erleidet.»
Elektrofahrzeuge hätten in Hochwassersituationen sogar einige Vorteile, so Biela. Im Gegensatz zu Diesel- oder Benzinmotoren brauchen sie keinen Ansaugkanal für Luft, um überhaupt funktionieren zu können. Und: Elektrofahrzeuge enthalten keinen Treibstoff, der auslaufen und das Wasser verschmutzen könnte.
Entscheidend beim Durchqueren von Wasser ist also nicht die Art des Antriebs, schreibt Jacqueline Stampfli auf Anfrage von Keystone-SDA, sondern die Wattiefe - also die maximale Gewässertiefe, durch die ein Landfahrzeug fahren kann. Die Kommunikationsbeauftragte des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ergänzt: «Dieser Wert ist bei allen Fahrzeugen unterschiedlich.»
Für den Personenverkehr ausgelegte Elektrofahrzeuge seien für Hochwasser nicht geeignet. Doch technisch sei es sehr wohl möglich, elektrisch betriebene Rettungsfahrzeuge zu konzipieren. Sie können auch so gebaut werden, dass sie unter Wasser fahren können - vergleichbar mit U-Booten.
Markus Peter vom Auto Gewerbe Verband ergänzt, dass weniger die Antriebstechnik herausfordernd sei, sondern vielmehr die Verfügbarkeit von Strom zum Aufladen der Fahrzeuge. Bei Hochwasser werde oft auch das Stromnetz in Mitleidenschaft gezogen. In solchen Situationen könne flüssiger Treibstoff einfacher in die betroffene Region geliefert werden.
(Stand: 16.8.2021)
Links
Wetterdienst Deutschland: Dauerniederschläge vom 12. -19. Juli 2021 (archiviert)
Meteo Schweiz: Wetterrückblick Hochwassermonat Juli 2021 (Download) (archiviert)
20 Minuten: AGVS-Experte zum Thema E-Autos in Hochwasser (archiviert)
Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-schweiz@dpa.com