Vergleich von Tierversuch mit Impfung hinkt
28.7.2021, 15:34 (CEST), letztes Update: 28.7.2021, 16:25 (CEST)
In der Schweiz ist seit dem 4. Juni der Impfstoff von Pfizer/Biontech ab 12 Jahren zugelassen - gleichzeitig kursieren immer wieder Behauptungen über die Sicherheit des Vakzin. In einem Artikel wird zum Beispiel behauptet, mit dem Impfstoff werde Menschen ein sogenanntes Spike-Protein verabreicht, das zudem giftig sei. «[…]wir wussten nicht, dass das Spike-Protein selbst ein Toxin ist und ein pathogenes Protein darstellt», wird in dem Artikel (hier archiviert) ein Wissenschaftler aus Kanada zitiert. „Indem wir also Menschen impfen, impfen wir ihnen versehentlich ein Toxin verbreichen.“ (Fehler im Original) Der Impfstoff führe so zu Schäden im Herz-Kreislauf-System sowie zu Unfruchtbarkeit. Stimmt das?
Bewertung
In den Corona-Vakzinen sind keine Spike-Proteine des Virus enthalten. Sie werden nach der Injektion vom Körper produziert und es gibt keine Belege, dass sie giftig sind.
Fakten
Die Covid-19-Impfstoffe der Hersteller Pfizer/Biontech und Moderna funktionieren über das sogenannte Spike-Protein. Mit dem mRNA-Impfstoff wird der Bauplan für ein abgewandeltes Protein des Krankheitserregers injiziert, das anschliessend in der Zelle hergestellt wird. Das Immunsystem erkennt das fremde Protein, worauf Abwehrmechanismen in Gang gesetzt und Antikörper gebildet werden. Diese sollen Geimpfte später vor einer Covid-19-Infektion schützen.
Diesen Vorgang hält der kanadische Wissenschaftler Byram Bridle für problematisch. Verwiesen wird in dem Artikel außerdem auf eine Studie mit Tieren, aus der hervorgehen würde, dass das Spike-Protein sich im Körper verbreite und Erkrankungen auslösen würden. Es handelt sich um eine Studie, die seit Monaten online verfügbar ist und im Zulassungsverfahren des Pfizer-Impfstoffs in Japan verwendet wurde, ebenso von der Europäische Arzneimittelagentur (Ema) für die Zulassung in der Europäischen Union.
Die Daten aus den Versuchen mit den Tieren lassen sich aber nicht direkt auf den Menschen übertragen. Die Ratten erhielten im Versuch 50 Mikrogramm Impfstoff bei einem durchschnittlichen Gewicht von 300 bis 500 Gramm. Die Dosis des Pfizer/Biontech-Impfstoffs für den Menschen beträgt lediglich 30 Mikrogramm bei einem viel höheren Gewicht. Die Ema wies darauf hin, dass bei Studien, mit denen auch die Toxizität eines Impfstoffes untersucht wird, eine hundertfach bis tausendfach höhere Dosis verabreicht wird als beim Menschen, wie die deutschen Faktenchecker von Correctiv hervorheben.
Der Test mit Tieren verlief zudem anders als die Impfung beim Menschen. «Im Tierversuch wurde das Spike-Protein direkt als lösliches Protein oder auf der Oberfläche von anderen Viren injiziert. Das ist bei der Impfung anders», sagte der Immunologe Carsten Watzl der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Bei der Impfung bleibe das entstehende Spike-Protein fast vollständig im Muskel. «Es ist kein lösliches Protein, es schwimmt also nicht in grossen Mengen im Organismus herum», so Watzl vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU in Dortmund. Auch der Immunologe Christian Bogdan, Mitglied der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch Institut (RKI), nannte es auf dpa-Anfrage «sehr unwahrscheinlich», dass sich das Spike-Protein aus der Impfung in relevantem Ausmass im Körper an Organe binde.
Ebenso wenig ist das Spike-Protein, welches der Körper aufgrund des Impfstoffes generiert, vergleichbar mit dem Protein, welches bei einer Infektion dem Virus den Eintritt in die menschlichen Zellen ermöglicht. Bei der Impfung entstehe ein verändertes Spike-Protein. «Es ist nicht mehr so sehr in der Lage, an den Rezeptor der menschlichen Zellen zu binden, seine Form zu verändern und mögliche toxische Effekte auszulösen», führt Immunologe Watzl aus.
Studien zufolge gibt es aktuell keine Sicherheitsbedenken der Covid-19-Vakzine bezüglich Fruchtbarkeit. Die «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC) in den USA empfehlen die Impfung auch für Schwangere. Die Schweizer Behörde jedoch gibt keine generelle Empfehlung für schwangere Frauen ab. Die mRNA-Covid-19-Imfpung wird bei Schwangerschaften vor allen den Frauen in der Risikogruppe der chronisch Kranken sowie denjenigen mit erhöhtem Expositionsrisiko für eine Infektion empfohlen. Allerdings ist jeweils eine ärztliche Nutzen-Risiko-Analyse vorgängig durchzuführen.
Links
Artikel Uncutnews.ch, 03.06.2021 (archiviert)
Interview mit Byram Bridle (archiviert)
Bundesamt für Gesundheit (BAG):
- Information zur Covid19-Impfung (archiviert)
- Factsheet Covid19-Imfpstoffe (Download) (archiviert)
- Information zur Fruchtbarkeit (archiviert)
- Information zur Impfung in der Schwangerschaft (Download) (archiviert)
Swissmedic: Erklärvideo mRNA-Impfstoffe (archivert)
Biontech/Pfizer-Tierversuchsstudie für Japan (archiviert)
Bewertungsbericht der Europäischen Arzneimittelbehörde zum Biontech/Pfizer-Impfstoff (archiviert)
Correctiv-Faktencheck (archiviert)
Science Daily: Studie über Nachweis des Spike-Proteins im Blut, 26.05.2021 (archiviert)
CDC: Information zur Impfung in der Schwangerschaft (archiviert)
Gynécologie Suisse: Information zur Impfung in der Schwangerschaft (archiviert)
Kontakt zum Faktencheck-Team der dpa: factcheck-schweiz@dpa.com