Studie über Impfungen wegen Fehlinterpretationen zurückgezogen

07.07.2021, 11:36 (CEST)

Gemäss dem neusten Update des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Covid-19-Impfstoffe weiterhin positiv. Einer Studie zufolge soll dieses jedoch zu hoch bewertet sein. «Für drei durch die Impfung verhinderte Todesfälle müssen wir zwei durch die Impfung verursachte Todesfälle in Kauf nehmen», wird das Studien-Fazit in einem Facebook-Post (archiviert) zitiert. An der Studie sollen fünf Universitäten beteiligt gewesen sein.

Bewertung

Die Studie weist Fehlinterpretation von Daten auf, die zu falschen und verzerrten Schlussfolgerungen führen. Sie wurde inzwischen vom Verlag zurückgezogen. Nicht fünf Universitäten, sondern drei einzelne Wissenschaftler hatten die Studie erstellt.

Fakten

Die Studie «The Safety of COVID-19 Vaccinations — We Should Rethink the Policy» zur Sicherheit der Covid-19-Vakzine wurde vom Multidisciplinary Digital Publishing Institute (MDPI) im Juni 2021 herausgegeben. Die wissenschaftlichen Artikel auf der Plattform sind frei zugänglich.

Der Artikel wurde stark kritisiert, worauf der Verlag diesen noch Ende Juni mit einer «Expression of Concern» versah. Darin werden ernsthafte Bedenkenden geäussert bezüglich Fehlinterpretation der Daten sowie die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen. Die Behauptung, dass die Todesfälle in kausalem Zusammenhang mit den Impfstoffen stehen, sei «falsch und verzerrt».

Nach weiteren Untersuchungen der Chefredaktion des Fachmagazins «Vaccines» und des Redaktionsbeirats wurden mehrere Fehler entdeckt, welche die Interpretation der Ergebnisse massgeblich beeinflussen. Daraufhin folgte der Rückzug des Artikels am 2. Juli.

Die Daten zur Berechnung der Anzahl schwerer oder tödlicher Nebenwirkungen pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner stammen aus dem Lareb-Bericht. Die unabhängige Stiftung Lareb ist das niederländische Melde- und Wissenszentrum für Nebenwirkungen von Medikamenten und Impfstoffen.

Das Institut weist darauf hin, dass die Berichte von Patientinnen und Patienten, Gesundheitsdienstleistern sowie Impfstoffherstellern stammen. Alle sind berechtigt, Meldung zu erstatten. Zudem seien Beschwerden kurz nach einer Impfung nicht grundsätzlich auf den Impfstoff zurückzuführen, sondern hätten oft andere Ursachen.

Die Autoren der Studie begingen den Fehler, die gemeldeten Vorfälle in einen kausalen Zusammenhang mit den Impfstoffen zu stellen. Ein solcher kann jedoch nur durch weitere wissenschaftliche Untersuchungen festgestellt werden.

Daten aus Meldesystemen für Impf-Nebenwirkungen wurden schon öfter falsch interpretiert. So hat die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bereits Misinterpretationen des britischen Meldesystems Yellow Card, der EudraVigilance von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) sowie der US-Datenbank Vaccine Adverse Event Reporting System (Vaers) aufgedeckt.

Die Veröffentlichung der Studie zur Impfstoffsicherheit zog empörte Reaktionen nach sich. Mehrere renommierte Wissenschaftler kündigten an, nicht mehr für das Fachmagazin «Vaccines» schreiben zu wollen.

Zu den Autoren der Studie: Ein Autor ist an der Medizinischen Universität in Posen in Polen tätig sowie als Gastprofessor an der Universität Witten-Herdecke in Deutschland. Zudem ist er Gründer und Leiter des «Change Health Science Instituts» in Berlin. Ein anderer Autor ist Physiker der Radioonkologie des Leopoldina Spitals in Bayern. Der dritte Autor ist in unabhängiger Datenwissenschaftler und keiner wissenschaftlichen Institut zugeordnet. Nicht fünf, sondern zwei Universitäten sind folglich an der Studie beteiligt.

(Stand: 5.7.2021)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Swissmedic: Udate Verdachtsmeldungen unerwünschter Wirkungen, 02.07.2021 (archiviert)

MDPI:

- Original Publikation, 24.06.2021 (archiviert)

- Zurückgezogene Publikation, 2.07.2021 (archiviert) DOI: https://doi.org/10.3390/vaccines9070693

- Expression of Concern, 28.06.2021 (archiviert)

- Retraction, 02.07.2021 (archiviert)

- Tweet zur Kritik an der Publikation (archiviert)

- Tweet zum Rückzug der Publikation (archiviert)

- Über den Verlag (archiviert)

Lareb:

- Über das Zentrum (archiviert)

- Erklärung Lareb und Berichterstattung pro Covid19-Impfstoff (archiviert)

- Nebenwirkungen von Covid-Impfstoffen (archiviert)

- Medinside: Wissenschaftler verlassen das Magazin «Vaccines», 03.07.2021 (archiviert)

Autoren der Studie:

- Harald Walach (archiviert)

- Biographie Walach (archiviert)

- Rainer Klement (archiviert)

- Wouter Aukema (archiviert)

Faktencheck dpa:

- Liste der Europäischen ArzneimittelAgentur zeigt Verdachtsfälle

- Die Zahl der Geimpften ist zwar angestiegen, Fehlgeburten kommen aber immer vor

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