Influenza gibt es noch - Corona ist gefährlicher

Ist die Grippe vom Globus verschwunden? In einem Sharepic (hier archiviert) kursiert folgendes Statement in den sozialen Medien: «Null Grippe-Todesfälle während der Saison 2020-2021 gemeldet. Noch nie in der Geschichte der Medizin ist eine jährliche Krankheit vollständig verschwunden, um durch eine andere mit genau denselben Symptomen ersetzt zu werden.»

Bewertung

Auch während der Corona-Pandemie sind Menschen an der Grippe erkrankt. Die Symptome einer Influenza-Infektion sind denjenigen einer Covid-19-Erkrankung ähnlich, doch eine Infektion mit Sars-CoV-2 ist wesentlich gefährlicher. 

Fakten

Aus dem Sharepic geht nicht hervor, ob das Influenzavirus aus einem bestimmten Staat oder weltweit verschwunden sein sollte. Gemäss den statistischen Daten sind seit Jahresbeginn 27 Fallmeldungen beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) eingegangen. Das Nationale Referenzzentrum für Influenza (CNRI) in Genf hat in der Saison 2020/21 ein Influenzavirus im Labor nachweisen können.

Das BAG schreibt auf seiner Webseite zur aktuellen Lage der saisonalen Grippe: «Aufgrund der Covid-19-Situation ist aktuell die Zuverlässigkeit der Daten aus der Sentinella-Überwachung eingeschränkt». Bei der Überwachung der Grippefälle werden lediglich die Konsultationen in Arztpraxen und Hausbesuche berücksichtigt. Sämtliche Konsultationen mit grippeähnlichen Symptomen in Covid-19-Testzentren und Spitälern werden nicht berücksichtigt. Entsprechend sind die Trends mit Vorsicht zu bewerten.

Das BAG vermutet, dass die Hygienemassnahmen und die Abstandsregelungen zur Eindämmung von Sars-CoV-2 gleichzeitig die Übertragung von Influenzaviren verhindern. «In Europa befindet sich die Influenza-Aktivität auf zwischensaisonalem Niveau», schreibt das BAG Ende April.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt ebenfalls, dass die Zahlen zu den Grippeinfektionen mit der anhaltenden Corona-Pandemie mit Vorsicht zu betrachten seien. Dies ist im Update zu den weltweiten Influenzainfektionen im Mai 2021 zu lesen. Auch die WHO geht davon aus, dass die Corona-Massnahmen die Übertragung von Influenzaviren weitgehend verhindern. Die Influenzaaktivitäten seien auf einem niedrigeren Niveau als erwartet, obwohl entsprechende Tests weiterhin und in einigen Ländern sogar vermehrt durchgeführt würden.

In der Saison 2020/21 zirkulieren wenige Grippeviren. Die WHO hat bereits im Februar eine Empfehlung zum Grippeimpfstoff für die kommende Saison herausgegeben. Eine Expertin des CNRI berichtete gegenüber dem Schweizer Fernsehen (SRF), die Influenzaviren kämen zurück.

Mehrere Medien berichteten während der Grippesaison 2020/21 von wenigen gemeldeten Influenza-Fällen. Sie weisen allerdings auch darauf hin, dass die Statistiken aufgrund der Covid-19-Situation bedingt zuverlässig seien.

Anfängliche Symptome wie Husten, Halsschmerzen und Fieber sind bei beiden Infektionskrankheiten sehr ähnlich. Die WHO schreibt: «Die beiden Krankheiten sind oft nur schwer allein aufgrund ihrer Symptomatik voneinander zu unterscheiden, sodass ein Labortest erforderlich ist.»

Französische Forscher belegten in einer Studie, dass Sars-CoV-2 weit tödlicher ist als Influenza-Viren. Die Wissenschaftler analysierten die Daten von mehr als 135 000 Patienten, die sich mit Sars-CoV-2 beziehungsweise mit Influenza-Viren infiziert hatten. Das Ergebnis: Lag die Sterberate der Covid-19-Patientinnen und -Patienten bei 16,9 Prozent, nahm bei Influenza-Patienten die Erkrankung nur in 5,8 Prozent der Fälle einen tödlichen Verlauf. Fazit: Der Verlauf mit einer Sars-CoV-2-Infektion ist fast dreimal tödlicher.

Zudem mussten deutlich mehr Covid-19-Patientinnen und -Patienten als Grippe-Erkrankte auf der Intensivstation behandelt werden, schreiben die Studienautoren weiter. Ausserdem gibt es in der Bevölkerung keine Immunität gegen das neuartige Coronavirus. Es kann sich so rascher ausbreiten. Die Gefährlichkeit von Sars-CoV-2 wurde bereits in einem früheren Faktencheck thematisiert.

(Stand: 9.6.2021)