Foto zeigt die Enteisung eines Windrades mit heissem Wasser in Schweden
23.2.2021, 16:37 (CET)
Wie werden Windkraftanlagen bei winterlichen Temperaturen am Laufen gehalten? Auf einem bei Facebook kursierenden Foto (hier archiviert) ist ein mit Schneekruste bedecktes Windrad zu sehen. Ein Helikopter ist dabei, mit dem Versprühen einer Flüssigkeit die Rotorblätter zu enteisen. Im Text zum Bild heisst es: «Winter in Deutschland ist, wenn Kerosinpropeller aufsteigen um Chemie zu versprühen, damit die Ökopropeller wieder Naturstrom produzieren.»
BEWERTUNG: Das Bild ist weder aktuell noch stammt es aus Deutschland. Es wurde im Jahre 2015 in Schweden aufgenommen und der Helikopter versprüht Wasser. In Deutschland werden Windräder üblicherweise nicht enteist. Angeblich angewendete Chemikalien wären genehmigungspflichtig durch das Deutsche Umweltbundesamt.
FAKTEN: Eine Bilderrückwärtssuche führt auf die Webseite von «Ny Teknik», einer schwedischen Wochenzeitschrift, die sich vor allem mit Energie- und Technikthemen befasst. Im Januar 2015 berichtete diese über neue Möglichkeiten, Windräder zu enteisen. Vorgestellt wurde ein Verfahren, bei dem vereiste Rotorblätter mit heissem Wasser enteist werden. Das Wasser wird per Helikopter versprüht. Für ein Windrad werden etwa eineinhalb Stunden benötigt, wurde ein Verantwortlicher zitiert. Anders als in den sozialen Medien behauptet, kommen dabei keine Chemikalien zum Einsatz.
Zudem stammt das Bild auch nicht aus Deutschland. Den Angaben auf «Ny Teknik» zufolge wurde es in Lappland in Nordschweden aufgenommen. «Hierzulande wird diese Praxis nicht angewendet», erklärt Philip Matthiessen vom deutschen Bundesverband Windenergie auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Denn bei normalen Wetterlagen komme es in Deutschland selbst im Winter kaum vor, dass Anlagen vereisten und deshalb stillstehen müssten, so Matthiesen. Falls dies vorkommen sollte, sei der entstehende wirtschaftliche Schaden in Deutschland zu vernachlässigen.
Anders in der Schweiz. Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Energie (BFE) untersuchte am Windenergiestandort St. Brais im Jura die Produktionsauswirkungen bei vereisten Rotorblättern. Die Ergebnisse belegen, dass das Einsetzen einer Blattheizung die Jahresproduktion erhöht. Ohne Blattheizung wurde ein Produktionsverlust von circa 10% der Jahresproduktion festgestellt. Die Heizung verringert den Produktionsverlust auf 3%. Um «Produktionseinbußen zu verhindern, wird bei modernen Windenergieanlagen ein Enteisungs-System integriert. Dies besteht in den meisten Fällen aus einer Rotorblattheizung, welche das Entstehen von Eis verhindert», schreibt BFE-Kommunikationsberaterin Brigitte Mader auf Anfrage von Keystone-SDA. «Das Ausschütten von Chemikalien, um Windenergieanlagen zu enteisen, entspricht nicht der Praxis in der Schweiz», so Mader. Sind bei bestehenden Windturbinen keine Blattheizungssysteme integriert, werden diese bei Vereisung abgestellt. Für die Sicherheitsregulierungen der Windräder sind allerdings die Kantone zuständig, wie Mader ausführt. Allgemein sind die Kantone für die Bewilligung von Windenergieanlagen zuständig.
Die Bundesämter für Umwelt (Bafu) sowie für Zivilluftfahrt (Bazl) sind zuständig, sollte jemand für die Enteisung von Windräder Chemikalien aus einem Helikopter sprühen wollen. Auf Anfrage teilen die Vertreter des Bazl, Urs Holderegger, und des Bafu, Fabian Michel, mit, dass ihnen solche Anträge auf derartige Operationen nicht bekannt seien.
Auch beim deutschen Umweltbundesamt hat man von solchen Anwendungen noch nicht gehört. Eine Sprecherin erklärt gegenüber der dpa: «Wenn es einen Einsatz von Hubschraubern und Chemikalien zur Enteisung von Windrädern überhaupt als Methode geben würde, müssten die Betreiber das im Rahmen der Genehmigung beantragen - so, wie sie etwa auch die Löschmittel für den Brandschutz beantragen müssen. Solche Anträge sind uns aber überhaupt nicht bekannt.»
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Links:
Facebook-Post: https://www.facebook.com/andreas.beekma/posts/10221725989791706 (archiviert: https://archive.vn/NGROZ)
Bericht von «Ny Teknik» (21.01.2015): https://www.nyteknik.se/energi/helikopter-stralen-ar-nya-vapnet-mot-isen-6395827 (archiviert: https://archive.is/siLH9)
Gutachten zur Vereisung von Windkraftanlagen: https://www.suisse-eole.ch/media/redactor/2011_Studie_BFE_StBrais_Vereisung.pdf (archiviert: http://dpaq.de/I1YCX)
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