Verschwörungserzählung
Geschichte nach Flugzeugabsturz erfunden - «Turbokrebs» ist kein medizinischer Begriff
16.8.2024, 16:05 (CEST)
Nach dem Absturz eines Passagierflugzeuges in Brasilien dauerte es nur wenige Stunden, bis im Internet wilde Behauptungen kursierten. Unter anderem heißt es, an Bord des Flugzeuges hätten sich acht Ärzte befunden, die Beweise für «den Zusammenhang zwischen mRNA und Turbokrebs» veröffentlichen wollten.
Bewertung
Die Wortschöpfung «Turbokrebs» ist ein Laienbegriff, der nach eigener Aussage von einem Rechtsanwalt erfunden wurde. Die Behauptungen über die Opfer in Brasilien sind erfunden.
Fakten
In dem Sharepic, das unter anderem einem Facebook-Post aus Luxemburg verbreitet wird, liest man, dass acht Ärzte, die «die verheerende Turbo-Krebs-Epidemie aufgedeckt haben», tot aufgefunden wurden. Die Leichen von sechs «weltweit führenden Onkologen» und zwei Assistenzärzten seien in den Trümmern eines Flugzeugs gefunden worden, «das in Brasilien vom Himmel stürzte und in einem Feuerball explodierte, wobei alle 62 Menschen an Bord ums Leben kamen».
Dieser Post wird mit einem Foto illustriert, das Trümmerteile eines Turboprop-Passagierflugzeugs vom Typ ATR 72 der Fluggesellschaft VoePass zeigt. Diese Maschine war am 9. August auf dem Flug von Cascavel im Bundesstaat Paraná nach São Paulo kurz vor dem Ziel in ein Wohngebiet der Kleinstadt Vinhedo gestürzt. Alle 58 Passagiere und 4 Besatzungsmitglieder kamen ums Leben.
Die Ursache für den Flugzeugabsturz in Brasilien wird noch untersucht. Bisher wird vor allem vermutet, dass die Tragflächen vereist gewesen sein könnten und die Maschine deshalb an Auftrieb verlor und nicht mehr steuerbar war.
Die falschen Behauptungen über die getöteten Onkologen und den «Turbokrebs» fallen unter anderem in sich zusammen, weil die Fluggesellschaft eine Passagierliste mit den Namen der Todesopfer veröffentlicht hat. Daraus geht hervor, dass sich an Bord des Flugzeuges vier Ärzte befanden. Deren Namen wurden in einer Trauermitteilung des regionalen Ärzteverbandes von Paraná (CRM-PR) veröffentlicht. Zwei Opfer waren Fachärztinnen für Onkologie an der Krebsklinik von Parana. Ein anderer getöteter Arzt befasste sich mit Radiologie, eine Ärztin mit Allergologie.
Die Identität fast aller anderen Getöteten ist ebenfalls kein Geheimnis, sondern wurde vom Nachrichtenportal UOL relativ ausführlich erläutert. Darunter befinden sich keine anderen Ärzte.
Mythos «Turbokrebs»
«Turbokrebs» gibt es nicht. Er wird nach fester Überzeugung von Verschwörungsgläubigen durch Impfungen mit mRNA-Impfstoffen ausgelöst. Die Wortschöpfung «Turbokrebs» ist ein Laienbegriff, keine bekannte medizinische Bezeichnung. Auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) finden sich keine Einträge mit diesem Suchwort. Ein angeblicher Anstieg von Tumorbefunden in Folge der Impfung ist der DGHO nicht bekannt.
Geprägt wurde dieser Begriff von einem Rechtsanwalt auf einer Pressekonferenz namens «Pathologie-Konferenz». Er weist selbst darauf hin, dass dieses Wort nicht medizinisch gebräuchlich ist: «Turbokrebs, so nenne ich es mal, ist eine Erfindung von mir, ist also nicht unter medizinisch korrekter Bezeichnung segelnd, aber sehr einprägsam, denke ich» (ab Minute 3:03). Tatsache ist, dass an Krebs erkrankte Menschen besonders vulnerabel gegenüber Corona-Erkrankungen sind.
(Stand: 15.8.2024)
Links
Ärzteverbande von Paraná(archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an factcheck-luxembourg@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.