Beweise fehlen

Jura-Professor äußert Spekulationen über Biowaffen

26.6.2024, 18:39 (CEST)

Nicht nur um die Covid-19-Pandemie ranken sich viele Mythen. Auch die Impfung gegen das Virus ist angeblich das Werk skrupelloser Verbrecher. Beim näheren Hinsehen bleibt davon nicht viel übrig.

In sozialen Netzwerken wird behauptet, die Impfstoffe gegen das Covid-19-Virus (Sars-CoV-2) seien eigentlich Biowaffen. So heißt es in einem Facebook-Post aus Luxemburg: «Dr. Francis Boyle, der Architekt des Anti-Terrorismus-Gesetzes für biologische Waffen von 1989, hat eine Erklärung abgegeben, in der er deklariert, dass COVID-19 mRNA-Impfstoffe biologische Waffen und Massenvernichtungswaffen sind.» In luxemburgischer Sprache ist hinzugefügt: «Das will einfach keiner hören. Ist mir aber egal. Es ist einfach an der Zeit, dass Menschen endlich Zusammenhalt finden.»

Bewertung

Für Boyles Behauptung gibt es keinerlei Beweis. Der angeführte Kronzeuge äußert Vermutungen und lässt gegenteilige Informationen weg.

Fakten

Zutreffend ist, dass Boyle bereits seit geraumer Zeit immer wieder behauptet, der Impfstoff sei eine biologische Waffe. Allerdings fehlt es stets an Belegen für diese Behauptung.

Professor Francis Boyle (74) ist ein an der Harvard Universität ausgebildeter Jurist, der auch über Abschlüsse in politischer Wissenschaft und Philosophie verfügt. Er ist kein Arzt oder Virologe. Boyle war der Autor eines 1989 von beiden Häusern des Kongresses einstimmig verabschiedeten Gesetzes gegen biologische Waffen und für den Schutz der USA vor Terrorangriffen mit solchen Waffen.

Der Facebook-Post entspricht im Wesentlichen dem englischen Text eines Beitrags im Kurznachrichtendienst X. Er bezieht sich auf eine eidesstattliche Erklärung, mit der Boyle am 27. Mai eine Klage von republikanischen Impfgegnern in Florida unterstützte. Diese wollen Gouverneur Ron de Santis dazu zwingen, den mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 in Florida zu verbieten, weil dieser ein verbotener biologischer Kampfstoff sei.

In Boyles eidesstattlichen Erklärung heißt es, der Impfstoff verstoße «nach meiner Expertenmeinung» gegen das Verbot biologischer Kampfstoffe. Diese Meinung begründet Boyle nicht, sondern verweist auf ein Interview mit dem Verschwörungs-Propagandisten Stew Peters. Beide unterstützen eine Resolution der Republikaner in Florida, die das Verbot der Covid-Impfung mit der Begründung fordert, es handle sich um eine Biowaffe. Zudem verändere die Impfung die menschliche DNA - auch dies ist eine Falschbehauptung.

Boyle bleibt Beleg für Behauptung schuldig

Peters wird von US-Medien als ultranationalistisch und antisemitisch bezeichnet und wurde vom britischen BBC-Fernsehen als möglicher «Nachfolger» des wegen Falschbehauptungen zu 1,5 Milliarden US-Dollar Schadenersatz verurteilten Alex Jones («Infowars») gesehen. In dem Video-Interview mit Peters vom April 2023 bleibt Boyle allerdings Beweise für seine Behauptung, dass es sich bei den Impfstoffen um biologische Waffen handelt, schuldig.

In dem Interview sagt Boyle (04:40), das US-Verteidigungsministerium habe die mRNA-Impfstoffe «gekauft, bezahlt und konzipiert». Dabei spricht er in Anlehnung an den Prototyp des gewissenlosen Wissenschaftlers, die Romanfigur Frankenstein, stets von «Frankenshots».

Boyle stützt seine Behauptung mit einem Hinweis auf eine Pressemitteilung des Pharmaherstellers Moderna vom Oktober 2013. Darin wird mitgeteilt, dass das Unternehmen von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) einen Zuschuss in Höhe von 25 Millionen US-Dollar für die Entwicklung von Therapeutika mit Boten-RNA (mRNA) erhalten habe. DARPA ist eng mit dem US-Verteidigungsministerium verbunden und fördert wissenschaftliche Projekte, die von Bedeutung für die Sicherheit der USA sein können.

mRNA-Projekt hatte Schutz vor Biowaffen zum Ziel

In der Pressemitteilung heißt es vor dem Hintergrund, dass damals die Entwicklung der mRNA-Technologie am mangelnden Interesses der Industrie zu scheitern drohte: «Ziel ist es, Plattformtechnologien zu entwickeln, die sicher und schnell eingesetzt werden können, um der US-Bevölkerung einen nahezu sofortigen Schutz vor neu auftretenden Infektionskrankheiten und künstlich hergestellten biologischen Waffen zu bieten, selbst wenn der Erreger oder der infektiöse Wirkstoff unbekannt ist.» Diese Begründung zitiert Boyle im Interview nicht.

Etwas später behauptet Boyle (09:00), die Arzneimittelbehörde der USA, die Food and Drug Administration (FDA) sei verantwortlich. Sie habe die «Frankenshots» genehmigt und damit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Sie sei aber auch an «der Entwicklung von Covid-19 als Offensive biologische Waffe» beteiligt gewesen. Damit greift Boyle auf eine frühere Behauptung zurück - nämlich, dass nicht nur die Impfung, sondern auch das Covid-19-Virus eine Biowaffen sei. Bereits am 5. Februar 2020 hatte Boyle in einem Interview mit der indischen Webseite Great Game India behauptet, das Coronavirus sei in einem chinesischen Labor in Wuhan als Biowaffe entwickelt worden.

Dabei handelt es sich um reine Spekulation, wie auch Boyle selbst sagt: «Ich vermute, dass sie an SARS geforscht haben und es zu einer Waffe machen, indem sie ihm einen Funktionsgewinn verleihen, was bedeutet, dass es noch tödlicher sein könnte.» Auch ansonsten äußert er Vermutungen: «Das Coronavirus, mit dem wir es hier zu tun haben, scheint eine offensive biologische Kriegswaffe zu sein, die in Wuhan entstanden ist.» Auch anderen Staaten wie den USA, Kanada oder Großbritannien wirft er vor, an Biowaffen zu arbeiten.

In einem anderen Video wiederholt Boyle seine Vorwürfe gegen die FDA und gegen das Forschungsprogramm des Pentagon (DARPA). Zudem behauptet er über die mRNA-Impfungen (1:21): «Sie geben Ihnen Partikel von Covid-19, die in Ihren Körper injiziert werden. Sie injizieren in Ihren Körper Partikel einer offensiven biologischen Kriegswaffe. Das ist der Grund, warum es so viele zusätzliche Todesfälle gibt.» Auch für diese Behauptung gibt es keinen Beweis.

Covid-19 führte weltweit zu vielen Todesfällen

Tatsächlich wird, wie die schweizerische Akademie der Naturwissenschaften verständlich erklärt, im Reagenzglas ein Bauplan für einen bestimmten Bestandteil des Virus künstlich hergestellt. Dieser Bauplan sorgt dafür, dass Antikörper gegen das Spike-Protein gebildet werden können. Boyle behauptet, der Grund für die Entwicklung der «Biowaffen» sei die Reduzierung der Weltbevölkerung. «Und außerdem kann man jede Menge Geld damit machen.»

Dass die sogenannte «Übersterblichkeit» eine Folge der Corona-Impfung sei, ist eine völlig unbewiesene Behauptung. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Januar 2024 haben die Covid-19-Impfstoffe allein in Europa 1,4 Millionen Leben gerettet.

Unstreitig ist, dass während der Corona-Pandemie mehr Menschen als normalerweise gestorben sind. Nach einem Bericht der Wissenschaftszeitschrift «Nature» vom Dezember 2022 wurde die Übersterblichkeit auf 14,8 Millionen Menschen weltweit geschätzt. Diese Todesfälle seien vor allem auf die Infektion mit dem Virus zurückzuführen, nicht auf die Impfung.

(Stand: 26.06.2024)

Links

Facebook-Post, archiviert

Über Francis Boyle, archiviert

US-Gesetz gegen Biowaffen, archiviert

Resolution, archiviert

Eidesstattliche Erklärung Boyle, archiviert

BBC-Fernsehen über Stew Peters, archiviert

Video-Interview mit Stew Peters, archiviert

Pressemitteilung Moderna 2013 , archiviert

Webseite Great Game India, archiviert

Video, archiviert#

Schweizerisch Akademie der Naturwissenschaften, archiviert

Weltgesundheitsorganisation, archiviert

Nature, archiviert

dpa-Faktencheck zu Impfungen

Roman Frankenstein, archiviert

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