Keine Verwandschaft

Die Ex-Präsidentin und ein falscher Sohn in Frauenkleidern

15.3.2024, 15:50 (CET)

Der Westen ist dekadent - und Russland hält an wichtigen Werten fest. Das jedenfalls behaupten russische Propagandisten - notfalls auch unter Zuhilfenahme von gefälschten Fotos.

In sozialen Netzwerken geteilte Fotos zeigen angeblich die Präsidentin Estlands mit ihrem Sohn in Frauenkleidern. Ein in Luxemburg verbreiteter Facebook-Post zeigt zwei nebeneinander gestellte Fotos. Auf dem linken ist Kersti Kaljulaid angeblich «mit ihrem in der 'progressiven‘ EU erzogenen Sohn» zu sehen. Dieser angebliche Sohn trägt ein rosafarbenes Kleid und rosafarbige Stöckelschuhe und hält eine Blume sowie eine Urkunde in der Hand. Das rechte Foto zeigt dem Post zufolge den Präsidenten von Belarus mit seinem «im 'barbarischen‘ Russland» erzogenen Sohn. Beide Herren tragen dunkle Anzüge und Krawatten.

Bewertung

Bei der Person, die neben der früheren estnischen Präsidentin zu sehen ist, handelt es sich nicht um deren Sohn.

Fakten

Tatsächlich ist auf dem linken Foto, das am 18. August 2020 bei der Verleihung eines «Violence Prevention Award» aufgenommen wurde, die damalige Präsidentin Estlands, Kersti Kaljulaid, zu sehen. Sie amtierte bis zum August 2021. Die ganz in Rosa gekleidete Person an ihrer Seite ist allerdings nicht ihr Sohn.

Vielmehr handelt es sich um den estnischen Schriftsteller und Kulturkritiker Mikk Pärnits, der gemeinsam mit anderen wegen seines Eintretens gegen Gewalt gegenüber Frauen, Kindern und Homosexuellen mit dem Preis für die Verhinderung von Gewalt ausgezeichnet wurde. Zu der Preisverleihung hatte Pärnits das rosa Kleid angezogen. Er begründete das damit, dass er «so lächerlich und verwundbar» aussehen wolle wie Frauen oft aussähen.

Ein anderes Foto von dieser Veranstaltung wurde am 23. August 2020 auf Facebook von dem georgischen Nationalisten Sandro Bregadze gepostet. Bregadze, ein strikter Gegner von Homosexuellen, behauptete sogar, die rosafarben gekleidete Person auf dem Foto sei der Chef des estnischen Geheimdienstes.

Vor allem russischsprachige Personen verbreiteten auf sozialen Netzwerken im August 2022 Fotos der Präsidentin und Pärnits‘ - praktisch zeitgleich mit der Entscheidung der estnischen Regierung, keine Touristenvisa mehr für Russen auszustellen. Dabei wurde Pärnits entweder als Sohn oder aber auch als Geheimdienstchef der Präsidentin ausgegeben.

Das Foto des belarussischen Präsidenten Lukaschenko stammt vom April 2019 und zeigt diesen gemeinsam mit seinem Sohn Nikolai bei einem offiziellen Staatsbesuch in der Halle des Volkes in Peking.

Pärnits ist auf anderen Fotos mit dem damaligen estnischen Justizminister Raivo Aeg zu sehen. Dieser gratulierte zwar höflich, veröffentlichte wenig später aber eine Mitteilung, dass er den Preis doch nicht an Pärnits übergeben könne. Er begründete dies mit «verstörenden Botschaften» des Preisträgers, die zu Gewalt führen könnten. Zudem kritisierte er Äußerungen von Pärnits während dessen Dankesrede. Dabei hatte der Schriftsteller unter Hinweis auf sexuellen Missbrauch erklärt, die traditionelle Familie sei ein gefährlicher Ort.

(Stand: 15.03.2024)

Links

Facebook-Post, archiviert

Homepage Kersti Kaljulaid, archiviert

Mikk Pärnits, archiviert

Post Sandro Bregadze, archiviert

Russischsprachiger Post , archiviert

Raivo Aeg, archiviert

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