Olaf Scholz hat mehr zu sagen

Als «peinlich» gerügte Antwort war vor allem stark gekürzt

12.2.2024, 17:27 (CET), letztes Update: 12.2.2024, 17:28 (CET)

In der Fragestunde des Deutschen Bundestages hat Bundeskanzler Olaf Scholz angeblich eine «peinliche Antwort» auf eine Frage der AfD gegeben. Als Beweis dient ein stark geschnittener Video-Ausschnitt.

Mit einem Gestus der Empörung wird in sozialen Netzwerken ein Video geteilt, das angeblich eine «peinliche Antwort von Olaf Scholz auf eine Frage der AfD» zeigt. Allerdings ist die Antwort von Scholz so kurz, dass die Vermutung naheliegt, der Kanzler habe tatsächlich noch einiges mehr gesagt.

Bewertung

Der Video-Schnipsel ist aus dem Zusammenhang gerissen. Die vollständige Antwort des Bundeskanzlers war eine andere.

Fakten

In einem in Luxemburg verbreiteten Facebook-Post wird ein Video geteilt, das den AfD-Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré bei einer an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerichteten Frage zeigt. Die Frage dauert 60 Sekunden, die Antwort des Kanzlers in diesem Video nur 4 Sekunden.

Das Video, das ursprünglich von dem Instagram-Kanal «krankesdeutschland» verbreitet wurde, zeigt einen kurzen Ausschnitt aus der Fragestunde des Bundestages vom 6. Juli 2022. Es ist in fehlerhafter deutscher Rechtschreibung mit den Worten «Peinliche Antwort von Olaf Scholz auf eine frage der AFD» betitelt.

In dem insgesamt 64 Sekunden langen Video befragt der Abgeordnete den Kanzler zu den seiner Ansicht nach «nutzlosen» Sanktionen, die Deutschland nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gegen Russland verhängt hat. «Wie können wir den Menschen in der Ukraine helfen, wenn wir hier frieren?» fragt der Abgeordnete. Er fordert den Kanzler auf, die Gasleitung Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen und spricht von einer «schleichenden Zerstörung unseres Wohlstandes».

Die Reaktion des Bundeskanzlers ist, wenn es nach dem Video geht, kurz und knapp: «Ich halte fest: Die AfD ist nicht nur eine rechtspopulistische Partei, sondern auch die Partei Russlands.»

Olaf Scholz antwortet viel ausführlicher

Entgegen dem Eindruck, den das Video offenkundig erwecken soll, ist dies allerdings nicht die einzige Reaktion des Kanzlers auf den Vorwurf der Zerstörung des Wohlstandes und einer «unsozialen Politik» gewesen. Tatsächlich ist er auf die Vorwürfe eingegangen.

Der Wortwechsel zwischen dem Kanzler und dem Abgeordneten kann zum einen im stenografischen Sitzungsprotokoll des Bundestages auf den Seiten 4723 und 4724 nachgelesen werden. Er kann zum anderen in der Mediathek des Bundestages per Video nachverfolgt werden.

Daraus geht hervor, dass es sich bei dem Mini-Ausschnitt um die Nachfrage handelt, die der AfD-Abgeordnete stellen durfte, nachdem der Kanzler seine erste Frage bereits beantwortet hatte. Zunächst hatte der Abgeordnete in seiner Frage (im Bundestagsvideo ab Minuten 15:45) dem Bundeskanzler etwa 70 Sekunden lang vorgeworfen, dieser betreibe eine «realitätsferne» und «unsozialen» Energiepolitik. Die hohen Preise von Gas und Öl hätten nichts mit dem Ukraine Krieg zu tun, sondern «mit Ihrer Politik der Verknappung».

Auf diese Frage antwortete Scholz (ab 16:59) ebenfalls gut 70 Sekunden lang, die Realität sei der Krieg gegen die Ukraine. Die richtige Antwort darauf sei «die notwendige Solidarität» mit dem Land. «Es wäre ganz, ganz falsch, dem von Ihnen angesprochenen Vorschlag zu folgen, dass man wegen der Folgen, die Sie benannt haben, solche Solidarität nicht leistet.» Daraufhin stellte der Abgeordnete dann die Nachfrage, die in dem Video-Ausschnitt wiedergegeben ist.

Darauf antwortete Scholz (im Video der Bundestags-Mediathek ab 19:27) nicht nur mit dem Vorwurf, die AfD sei die «Partei Russlands».

Vielmehr sagte er in seiner Antwort auf die Frage des Abgeordneten, die Bundesregierung habe sich auf die Situation vorbereitet. Man habe «sorgfältige Vorbereitungen» zur sicheren Kohleversorgung sowie Vorsorge getroffen, dass man auf die Ölimporte aus Russland verzichten könne. Hinsichtlich der Gasversorgung trage man dafür Sorge, dass mit dem Bau neuer Infrastrukturen die «jahrzehntelange Abhängigkeit von wenigen Importeuren» beendet werde. «Das ist wirkliche Energiesicherheit für Deutschland im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger», sagte Scholz.

Der in dem Video auf Facebook erweckte Eindruck, der Kanzler habe lediglich mit einer kurzen und unsachlichen Bemerkung auf die Frage des Abgeordneten reagiert, trifft also nicht zu.

AfD-Politiker immer wieder auf Russland-Linie

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine sind Politiker der AfD immer wieder wegen ihrer Nähe zu russischen Positionen kritisiert worden. Im September 2022 war eine Reise von drei AfD-Landtagsabgeordneten nach Russland nach scharfer öffentlicher Kritik abgebrochen worden. Im Februar 2023 legte die AfD einen «Friedensplan» vor, der von den anderen Fraktionen des Bundestages als zu pro-russisch abgelehnt wurde.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte am 23. Mai 2023 im «Morgenmagazin» der ARD, aus Teilen der AfD würden «russische Narrative weitergegeben» (ab 02:25). Dies trage dazu bei, dass der Rechtsextremismus expandieren könne und «auch in diesen Kreisen dann eben Putins Lied gesungen wird».

(Stand: 12.02.2024)

Links

Facebook-Post, archiviert

Video, archiviert

Sitzungsprotokoll des Bundestages, archiviert

Mediathek des Bundestages, Sitzungsvideo

Haldenwang ARD-Morgenmagazin, archiviert

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