Falscher Eintrag

UN lassen keinen Zweifel an deutscher Souveränität

8.12.2023, 12:55 (CET)

Die Behauptung, die Bundesrepublik Deutschland sei gar kein richtiger Staat, gehört zum festen Inventar sozialer Netzwerke. Ein plumper Täuschungsversuch soll diese Aussage belegen.

Angeblich haben die Vereinten Nationen bestätigt, dass Deutschland ein besetztes Land ist. In dem auf Facebook verlinkten Beitrag wird behauptet, die UNO habe «offiziell die heutige Besatzung Deutschlands» festgestellt. Ein Screenshot von einer «offiziellen Webseite der UNO» soll das belegen.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Es gibt dafür keine Bestätigung der Vereinten Nationen. Ganz im Gegenteil.

Fakten

Die irreführenden Angaben stammen aus einem öffentlich zugänglichen Anmeldeformular einer UN-Abteilung. In dem Screenshot, der als Beweis für die Falschbehauptung angeführt wird, ist der Name der «Organisation» als Bundesrepublik Deutschland angegeben. Als früherer Name wird «Besatzungszone URS/USA/GBR/FRA» genannt - also ein Verweis auf die vier alliierten Siegermächte von 1945.

Als Adresse des «Hauptquartiers» der «Organisation» wurde die Adresse des Bundespresseamtes in das Formular eingetragen. Außerdem wird die Bundesrepublik in der Rubrik «Art der Organisation» als «Nichtregierungsorganisation» bezeichnet. Als Sprachen dieser Bundesrepublik werden «Jiddisch, Englisch, Deutsch» aufgeführt.

Formular dient Organisationen zur Anmeldung

Wer dem angebotenen Link folgt, kommt in der Tat auf eine Seite der UN-Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten (UN Department of Economic and Social Affairs). Diese Abteilung (ECOSOC) befasst sich vor allem mit der Verwirklichung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.

Dabei legt diese UN-Abteilung großen Wert auf die Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Interessenvertretern, vor allem also von Verbänden und anderen Organisationen. Ende 2022 hatten den UN-Angaben zufolge 6343 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei ECOSOC einen «aktiven Beraterstatus». Die Organisationen haben nach ihrer Registrierung Zugang zu ECOSOC und anderen UN-Unterorganisationen einschließlich bestimmter Veranstaltungen und Konferenzen.

Jede Organisation kann diesen «Beraterstatus» beantragen. In einem jederzeit aufrufbaren Online-Formular kann allerdings auch jeder Unsinn eingetragen werden. So wird in dem fraglichen Formular beispielsweise angegeben, die Nichtregierungsorganisationen Bundesrepublik Deutschland sei 1949 gegründet worden, habe 81,8 Millionen Mitglieder und finanziere sich durch «Mitgliedsbeiträge der Mitglieder der BRD, die Steuern genannt werden».

Absurder Antrag wurde nicht akzeptiert

Aus dem Formular geht aber auch hervor, dass die Vereinten Nationen von dem Beraterwunsch dieser «Organisation» nicht beeindruckt waren: «Diese Organisation hat keinen beratenden Status beim ECOSOC», heißt es dort. Auch die Suche in der Datenbank, in der sämtliche Organisationen mit Beraterstatus aufgeführt sind, findet sich die «Nichtregierungsorganisation» Bundesrepublik Deutschland nicht.

Bei dem im Internet verbreiteten Screenshot ist außerdem der obere Teil der UN-Webseite abgeschnitten. Nicht ohne Grund. Denn dort steht, mit roter Schrift als besonders wichtig hervorgehoben: «Ein Profil in dieser Datenbank und auf dieser Website bedeutet keine Zugehörigkeit zu den Vereinten Nationen, es sei denn, eine solche Zugehörigkeit wird ausdrücklich angegeben, z. B. durch die Angabe der Art des ECOSOC-Beratungsstatus, den eine NRO innehat.»

UN erkennen Deutschland als souveränen Staat an

An der Zugehörigkeit des tatsächlich existierenden Staates Bundesrepublik Deutschland zur UNO besteht hingegen kein Zweifel. In der offiziellen Liste der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wird der Status Deutschlands als souveräner Staat ausdrücklich erwähnt. Der Eintrag lautet: «Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik wurden am 18. September 1973 als Mitglieder in die Vereinten Nationen aufgenommen. Durch den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 vereinigten sich die beiden deutschen Staaten zu einem souveränen Staat.»

Vor allem die sogenannte Reichsbürgerszene behauptet immer wieder, das Deutsche Reich bestehe fort. In einem ausführlichen Gutachten hat unter anderem der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags dieser Behauptung widersprochen: «Der am 15. März 1991 in Kraft getretene Zwei-plus-Vier-Vertrag vom 12. September 1990 markiert den Schlusspunkt der schrittweisen Wiederherstellung der vollen Souveränität Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg.»

Zuvor galt für die Bundesrepublik noch eine Souveränität unter Vorbehalt, die unter anderem eine Stationierung von Truppen der Siegermächte im Land vorsah. Die dpa hat dazu unter anderem einen ausführlichen Faktencheck veröffentlicht.

Behauptung stammt von rechtsextremer Website

Die anderslautende Falschbehauptung verbreitete sich über Umwege. Der aus Luxemburg verbreitete Facebook-Post verlinkt auf die anonyme Blogging-Plattform Telegra.ph des in Russland entwickelten Messagingdienstes Telegram. Dort wiederum wird ein auf der Webseite mzwnews.net erschienener Artikel weiterverbreitet.

Die Seite MZW News wurde 2014 von dem US-Neonazi John de Nugent gegründet. Sie bezeichnet sich selbst als ein «deutschsprachiges Nachrichtenportal, welches politisch dem nationalen Spektrum zuzuordnen ist». Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte in seinem «Lagebild Antisemitismus 2020/21» fest, MZW News sei ein rechtsextremistisches Nachrichtenportal, das sich «offen zum Ziel der Errichtung eines NS-Staates in Deutschland» bekenne. Es verbreitete «pseudojournalistische und pseudowissenschaftliche Artikel».

(Stand: 08.12.2023)

Links

Adresse Bundespresseamt, archiviert

Facebook-Post, archiviert

Beitrag auf Telegra.ph, archiviert

mzwnews.net, archiviert

Selbstbeschreibung MZW News, archiviert

Lagebild Verfassungsschutz, archiviert

Angeblicher Eintrag, archiviert

UN zu Beraterstatus, archiviert

Online-Formular, archiviert

Mitteilung über Status, archiviert

Offizieller Eintrag UN-Mitgliedschaft, archiviert

Wissenschaftlicher Dienst Bundestag, archiviert

dpa-Faktencheck

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