Fantasien um WHO und WEF

Erfundener Forscher mit erfundenem Patent zum Töten

28.08.2023, 17:15 (CEST)

Eine falsche Behauptung wird nicht wahrer, wenn man dazu einen falschen Wissenschaftler erfindet. So auch in dieser Geschichte über einen angeblich mörderischen Forscher und Graphenoxid.

In einem Facebook-Post wird behauptet, der Wissenschaftler Mylo Canderian sei der Auffassung, dass 95 Prozent der Weltbevölkerung «nutzlose Esser» seien. Er habe ein Patent «für Graphenoxid zur Verwendung als hämatologische Biowaffe entwickelt». Canderian sei Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Weltwirtschaftsforums (WEF).

Bewertung

Die Behauptung, ein Dr. Canderian habe Graphenoxid als Biowaffe entwickelt ist ebenso falsch wie andere Behauptungen in dem Post. Es gibt keinerlei Hinweis darauf, dass Canderian überhaupt existiert.

Fakten

Der in Luxemburg verbreitete Post gibt im Wesentlichen einen aus dem Englischen übersetzten Artikel der Webseite henrymakow.com vom 22. Juli 2021 wieder. Makow ist unter anderem Autor eines Buches über eine angebliche satanische Verschwörung der «Illuminati» - seine Webseite bietet Raum für diverse Verschwörungserzählungen.

In dem mit dem Namen «Steven Fishman» gezeichneten Artikel behauptet der Autor, er habe mit seinem Freund Dr. Mylo Canderian, «geb. Milos Iskanderianos, Korfu, Griechenland, 1938» in der Schweiz gesprochen. Canderian habe «2015 das Patent für Graphenoxid zur Verwendung als hämatologische Biowaffe entwickelt». Er sei der Meinung, «dass 95 Prozent der Weltbevölkerung "nutzlose Esser" sind, die so schnell wie möglich euthanasiert werden müssen».

Canderian sei «ein medizinischer Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und unterstützt Klaus Schwab und den «Great Reset»», heißt es in dem Facebook-Post. Dem von Schwab geleiteten Weltwirtschaftsforum (WEF) wird von Verschwörungsgläubigen unterstellt, es wolle die «nutzlose» Erdbevölkerung reduzieren.

Jeder Versuch, wissenschaftliche Literatur von oder über Mylo Canderian oder Milos Iskanderianos zu finden, scheitert. Dieser Name taucht nirgendwo auf. Auch eine Suche in den Datenbanken des US Patent and Trade Mark Office, des Europäischen Patentamts oder bei Google Patents bleibt erfolglos. Ein Mylo Canderian hat ganz offensichtlich nichts erfunden.

In dem Artikel auf der Webseite henrymakow.com schreibt der Autor, er sei ebenso wie Canderian ein Fan des Genfer Restaurants «L’emince de veau» und der exotischen Gerichte des Kochs Gaston Sere de Rivieres, der «ein kulinarisches Genie» sei. Tatsächlich gibt es in Genf kein Restaurant mit dem Namen «L’Émincé de veau». Dieser Name steht für ein Kalbfleisch-Gericht, das in Deutschland auch als «Züricher Geschnetzeltes» bekannt ist. Einen genialen Koch namens Gaston Sere de Rivieres gibt es ebensowenig wie das Lokal.

Im Bericht über das angebliche Gespräch mit dem angeblichen Dr. Canderian heißt es, dieser habe erklärt, er wolle die Welt von der Plage der Menschheit befreien. Deshalb werde dem Impfstoff die «Biowaffe» Graphenoxid beigemischt. Die Lebensdauer verkürze sich je nach der Menge der Graphenoxid-Aufnahme.

Die Behauptung, beispielsweise in den Covid-Impfstoffen sei Graphenoxid enthalten, ist zwar falsch, wird aber nach wie vor verbreitet. Tatsächlich befindet sich in den Covid-Impfstoffen kein Graphen oder Graphenoxid. Dies wurde zuletzt am 11. April 2023 von der US-Gesundheitsbehörde FDA in einem Tweet bestätigt, nach dem anderslautende Behauptungen im Internet kursierten. In Deutschland sind die Inhaltsstoffe der Covid- Impfstoffe seit deren Zulassung öffentlich bekannt. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer enthält ebensowenig Graphenoxid wie die Impfstoffe der anderen Hersteller.

Im Netzwerk Linkedin findet sich ein Profil des angeblichen Mylo Canderian, wonach dieser auf der Pazifikinsel Vanuatu ansässig sein soll. Als Geburtsdatum ist «1. Januar» angegeben. Diesem Profil zufolge soll Canderian «Chief Eugenics Strategist and Public Policy Committee Voting Member» beim Weltwirtschaftsforum sein. Allerdings gibt es dort weder einen Chefstrategen für Eugenik (Erbgesundheitslehre) noch das angegebene «Committee». Auch die Behauptung, er sei Eugenik-Direktor bei der Firma «Rheinburgen Besieschtegen GmbH», ist pure Fantasie: Eine Firma dieses Namens existiert nicht.

(Stand 28.08.2023)

Links

Facebook-Post, archiviert

Webseite Henry Makow, archiviert

Tweet, archiviert

Impfstoffbestandteile Biontech, archiviert

Angebliches Profil Linkedin, archiviert

WEF-Schwerpunkte, archiviert

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