Kein Zusammenhang mit Impfung
Nachhaltigkeitssiegel mit dem Frosch falsch interpretiert
18.7.2023, 13:21 (CEST)
«Essen Sie nichts mit diesen Kennzeichnungen!», warnt ein knapp dreiminütiges Video im Internet. Eine Facebook-Nutzerin aus Luxemburg, die diesen Film verbreitet, rät in der Landessprache ebenfalls zur Vorsicht: «Passt op waat dir iesst!!!» Zu Aufnahmen von Keksen, Bananen, Tee und anderen Produkten mit einem Frosch-Logo zeigt das Video einen Text, wonach «Lebensmittel selbst zur Impfung werden» sollen. Ist eine mRNA-Impfung über das Essen überhaupt möglich? Und wird das mit diesem Logo angezeigt?
Bewertung
Das Frosch-Siegel ist ein Nachhaltigkeitszertifikat für Produkte aus Regenwald-Gebieten. Es hat mit Impfungen nichts zu tun. Sowieso steckt kein mRNA-Impfstoff in Nahrungsmitteln.
Fakten
Mit dem Frosch-Label werden nach Angaben von Rainforest Alliance Produkte ausgezeichnet, «welche die drei Säulen der Nachhaltigkeit stützen – sozial, wirtschaftlich und ökologisch». Organisationen wie die Umweltstiftung WWF empfehlen das Gütesiegel. Das Lobbyregister des Bundestags spricht on der Rainforest-Alliance als einer «der führenden Organisationen zur Nachhaltigkeitszertifizierung».
Die «taz» wies allerdings darauf hin, dass «das Rainforest-Alliance-Siegel, obwohl hübsch grün, null mit Umwelt zu tun» habe. Nach Angaben des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) ergaben Befragungen in Ecuador und Costa Rica, dass die Arbeitsbedingungen auch auf den von Rainforest Alliance zertifizierten Plantagen katastrophal sind. Oxfam kritisiert das Label ebenfalls, denn auch auf zertifizierten Teeplantagen geschahen der Organisation zufolge viele Rechtsverletzungen.
Rainforest Alliance hat mit Bill Gates wenig zu tun
Mehrfach stellt das Video den Microsoft-Gründer Bill Gates in einen Zusammenhang mit der Rainforest Alliance. Deren Geschäftsführer heißt Santiago Gowland und die einzige Verbindung der Organisation mit Bill Gates, die die Deutsche Presse-Agentur (dpa) finden konnte, ist eine Schenkung von fast 5,5 Millionen US-Dollar von der Bill & Melinda Gates Foundation an die NGO im Jahr 2007. Diese Summe ist vergleichsweise gering: Insgesamt schüttete die Foundation in dem Jahr rund zwei Milliarden US-Dollar als Spenden aus.
Im aktuellen Jahresbericht der Rainforest Alliance findet sich eine Liste aller Spender, die mehr als 1000 US-Dollar beigetragen haben. Insgesamt hat die Organisation allein 2022 mehr als 8000 Spenden erhalten. Die Tatsache, dass Gates vor mehr als 15 Jahren ebenfalls Geld an die NGO gespendet hat, ist also kein Beweis dafür, dass er hinter dem ganzen Unternehmen stehen würde.
Gibt es mRNA-Impfstoffe in Lebensmitteln?
Die Bill & Melinda Gates Foundation hat auch Geld in die Erforschung der mRNA-Technik gesteckt. Diese Technologie ist relativ neu. Ein herkömmlicher Impfstoff beinhaltet meist abgetötete oder geschwächte Erreger oder Teile davon; sie werden in den Körper eingeschleust, damit das Immunsystem reagiert. Dabei bilden sich Abwehrzellen und spezielle Eiweiße - Antikörper - die den Empfänger gegen den entsprechenden Erreger schützen.
mRNA-Impfstoffe funktionieren anders: Das Botenmolekül mRNA (m für «messenger») ist eine Art Datenkurier, den man «beladen» kann. Mit der mRNA enthalten die Impfstoffe die Bauanleitung für einen Bestandteil des Covid-19-Erregers. Auf dieser Grundlage stellen die Körperzellen Teile des Hüllproteins her. Gegen dieses entwickelt der Körper seine Immunantwort. Die mRNA wird dabei nicht in das Erbgut des Menschen eingebaut.
Es gibt zwar schon lange Forschungsprojekte, um gentechnisch veränderte Pflanzen zur Medikamentenproduktion zu nutzen. Ein Problem dabei bestehe aber in der Dosierung, wie Heribert Warzecha im Deutschlandfunk erklärte. Es sei unmöglich vorherzusagen, wie viel von einem Medikament eine bestimmte Pflanze in ihren Zellen anreichern wird, so der Pflanzenbiotechnologe. Deshalb wird das Medikament oder der Impfstoff nicht mit der Pflanze eingenommen, sondern nach einem Trocknungsverfahren in Kapseln dosiert.
mRNA-Impfstoffe sind verglichen mit anderen Wirkstoffen jedoch besonders empfindlich. Ihre Kühlung hat die Staaten während der Corona-Pandemie vor große Probleme gestellt. An der kalifornischen Universität Riverside läuft seit einigen Jahren ein Forschungsprojekt zur Herstellung von mRNA in Pflanzen. Doch die Forschung steckt nach Angaben des Projektleiters noch in den Kinderschuhen und bis zur Marktreife seien wohl noch jahrelange Studien notwendig.
Apeel-Aufkleber kennzeichnet Behandlung zur Haltbarkeit
Auch der Hinweis auf angeblich «giftige Mono- und Diglyceride» im Text des Videos beruht bestenfalls auf einem Missverständnis - oder ist schlimmstenfalls eine arglistige Täuschung. Die Kennzeichnung von Obst oder Gemüse mit einem Apeel-Aufkleber weist auf eine Behandlung frischer Produkte zur besseren Haltbarkeit hin, wie ein früherer Faktencheck darlegte.
(Stand: 17.7.2023)
Links
Facebookpost (Post archiviert, Video archiviert)
Rainforest Alliance über das Siegel (archiviert)
WWF über Rainforest Alliance (archiviert)
Rainforest Alliance im Lobbyregister (archiviert)
BUND über Rainforest Alliance (archiviert)
«taz» über Rainforest Alliance (archiviert)
dpa-Artikel via «Rheinische Post» (archiviert)
Über Santiago Gowland (archiviert)
Spende an Rainforest Alliance (archiviert)
Jahresbericht Gates Foundation 2007 (archiviert)
Jahresbericht Rainforest Alliance 2022 (archiviert)
Gates Stiftung und Curevac (archiviert)
dpa-Faktencheck zu mRNA-Impfstoffen
Deutschlandfunk-Artikel (archiviert)
Artikel über pflanzliches Insulin (archiviert)
«Handelsblatt»-Artikel (archiviert)
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