Falscher Vorwurf der Zensur

EU-Digitalgesetz soll Verbraucher besser schützen

13.07.2023, 16:27 (CEST)

EU-Gesetze geben manchmal Anlass zu Missverständnissen. Da sind genaues Lesen und Erklärungen hilfreich. In anderen Fällen reicht eine einfache Google-Suche, um Falschbehauptungen aufzudecken.

Eine alarmierende Botschaft richtet ein autofahrender Mann an sein Publikum: «Noch darf ich sagen, was ich denke. Und ihr könnt es euch anhören. Aber nicht mehr lange. Am 25. August tritt der Digital Service Act der EU in Kraft. Dann ist es vorbei mit der Meinungsfreiheit», heißt es in einem Video (0:15) des Autofahrers, das ein Facebook-Post aus Luxemburg verbreitet. Denn dann würden «alle großen Internetplattformen auch inhaltlich zensiert». Der Autofahrer nennt YouTube, TikTok, Facebook und Instagram.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch: Das europäische Digitalgesetz sieht keine Zensur von Internetplattformen vor.

Fakten

Die Angabe, das Gesetz über digitale Dienste (Digital Service Act) trete am 25. August (2023) in Kraft, ist bei großzügiger Betrachtung nicht vollständig falsch. Tatsächlich ist das am 23. April 2022 vom europäischen Parlament beschlossene Gesetz schon am 16. November 2022 in Kraft getreten. Es gilt aber erst ab 17. Februar 2024 in allen EU-Staaten. Dies geht auch aus dem Text der EU-Verordnung hervor.

Das im Video genannte Datum 25. August (2023) hat eine andere Bedeutung: Genau vier Monate zuvor, am 25. April 2023, benannte die EU-Kommission 17 «sehr große Online-Plattformen» und zwei «sehr große Online-Suchmaschinen», wobei «sehr groß» bedeutet: Plattformen mit mehr als 45 Millionen Nutzern monatlich. Diese müssen gemäß der Verordnung spätestens vier Monate danach (also ab 25. August 23) ihren Verpflichtungen aus dem Gesetz über digitale Dienste nachkommen.

Das bedeutet laut einer Mitteilung der EU-Kommission, dass sie «ihre Systeme, Ressourcen und Verfahren zur Einhaltung der Bestimmungen anpassen und ein unabhängiges Compliance-System einrichten sowie ihre erste jährliche Risikobewertung durchführen und der Kommission übermitteln» müssen.

Ungenaues Datum, falsche Auslegung

Wesentlicher als die Ungenauigkeit beim Datum ist allerdings die Tatsache, dass die EU-Verordnung keineswegs eine Zensur von Internetplattformen vorsieht.

Tatsächlich stärkt sie nach Angaben der Kommission die Position der Benutzer: Sie sollen künftig erfahren, warum ihnen manche Inhalte und Produkte empfohlen werden. Bestimmte sensible Daten dürfen nicht zur Werbung verwendet werden. Vor allem Kinder sollen vor gezielter Werbung (Targeting) besser geschützt werden. Die Plattformen müssen auch mögliche Gefahren für die psychische Gesundheit ihrer Nutzer einschätzen.

Illegale Inhalte können künftig leichter gemeldet und müssen sorgfältig und zügig verfolgt werden. Bereits jetzt strafbare Posts - Gewaltaufrufe, Terrorpropaganda oder die Verbreitung von Kinderpornographie etwa - sollen rasch entfernt werden können. Die Accounts von Nutzern, die beispielsweise «rechtswidrige Hassrede» verbreiten oder betrügerische Anzeigen verbreiten, können gesperrt werden. Gültig ist jeweils das nationale Recht in dem Land, in dem sich der Nutzer einer Seite befindet.

Auch für die Beaufsichtigung von Plattformen sind jeweils nationale Stellen verantwortlich - also nicht die EU-Kommission. Diese Stellen müssen bis Februar 2024 eingerichtet werden. Die Wirkung dieser Maßnahmen soll in den kommenden Jahren auch wissenschaftlich untersucht werden. Im Verordnungstext wird an 20 Stellen in verschiedenen Zusammenhängen betont, dass auch der «Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismus» des Gesetzes das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht beeinträchtigen darf.

Tagesschau berichtete ausführlich

Der Sprecher im Video (0:30) behauptet weiter, «weder die Tagesschau noch irgendeine Magazinsendung haben darüber berichtet. Weil die sogenannten Leitmedien auf einen K.o.-Sieg im Kampf um die Deutungshoheit hoffen. Oder weil sie ohnehin schon auf Linie sind.»

Doch auch die Behauptung, «weder die Tagesschau noch irgendeine Magazinsendung» hätten über den Digital Service Act berichtet, ist nachweislich falsch. Tatsächlich zeigt eine einfache Suche auf der Webseite der Tagesschau, dass dort wiederholt und zum Teil sehr ausführlich über den Inhalt des neuen EU-Gesetzes berichtet wurde.

(Stand 13.07.2023)

Links

Facebook-Post, archiviert

Video, archiviert

Text der EU-Verordnung, archiviert

Kommission zur Verordnung, archiviert

Webseite Tagesschau, archiviert

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