Kunst statt Frankenstein

Modularer Körper ist Fiktion eines Videokünstlers

16.2.2023, 15:04 (CET)

Die Schaffung eines künstlichen Menschen rückt angeblich näher. Einem niederländischen Biologen soll es gelungen sein, einen «modularen Körper» herzustellen. Doch Videobilder liefern keinen Beweis.

Der künstliche Körper, den man im Internet bestaunen kann, bewegt sich und scheint zu leben. Sein Schöpfer ist demnach ein besessener Wissenschaftler. Und diverse Experten machen sich tiefgründige Gedanken über diesen «modularen Körper». Eigentlich kann an seiner Existenz kein Zweifel bestehen.

Bewertung

Den künstlichen Körper gibt es ebenso wenig wie den dazugehörigen Wissenschaftler. Es handelt sich beim «modularen Körper» um ein Science-Fiction-Projekt eines niederländischen Künstlers.

Fakten

In einem Facebook-Post aus Luxemburg wird ein Video geteilt, in dem der «unheimliche erste modulare Körper, der auf einem Lego-System basiert» zu sehen sei. Der niederländische Biologe Cornelis Vlasman habe der Welt «Oscar» vorgestellt. Dies sei «ein Experiment, das sowohl vielversprechend ist als auch etwas unheimlich aussieht». «Oscar» sei ein «lebendes, organisches Wesen». Es sei «aus den Zellen des Biologen geformt» worden.

Fiktion eines Digitalkünstlers entwickelt Eigenleben

Tatsächlich gibt es «Oscar» ebenso wenig wie den Wissenschaftler Cornelis Vlasman. Er teilt damit das Schicksal des noch berühmteren Frankenstein, den die Autorin Mary Shelley 1818 der Öffentlichkeit präsentierte. Der angebliche modulare Körper namens Oscar wurde knapp 200 Jahre später, im Jahr 2016, von dem niederländischen Digitalkünstler Floris Kaayk geschaffen. Die völlig fiktionale Erfindung des Künstlers entwickelt seither ein Eigenleben.

So präsentiert der Facebook-Post das Kunstvideo als Abbild der Realität. «Oscar» bestehe aus mehreren Modulen, die man zusammensetzen könne. Wenn man das Gehirnmodul mit dem Lungenmodul zusammenstecke, interagierten die beiden gemeinsam. Beim Anschluss von zwei Gliedmaßenmodulen könne sich der Körper sogar bewegen.

In dem Post wird auf eine Webseite namens «The Rio Times» mit einem Artikel über das angebliche Experiment verlinkt. Dort werden im wesentlichen die gleichen Behauptungen aufgestellt. Vlasman wird außerdem mit den Worten zitiert, der «Körper» werde «änderbar und an alle Situationen anpassbar» sein.

Die «Rio Times» ist eine vor allem auf Berichterstattung über Brasilien und Lateinamerika spezialisierte Webseite, die nach eigenen Angaben seit August 2021 auch «kuratierte alternative Erzählungen» verbreitet. Diese gehörten mittlerweile zu den meistgelesenen Artikeln. Im Fall des «modularen Körpers» hat der Bericht nichts mit der Wirklichkeit zu tun.

Projekt offen als Science Fiction präsentiert

Floris Kaayk, der nach einer Ausbildung an zwei niederländischen Kunsthochschulen als Experte für animierte Filme gilt, sagte 2016 in einem Interview mit «Filmkrant» auf die Frage, wie er auf die Idee gekommen sei, den «modularen Körper» zu präsentieren: «Wir können jetzt noch keine funktionierenden Organe herstellen, aber wahrscheinlich werden wir das in 50 Jahren können. Wenn man das kann, warum nicht noch weiter gehen? So kam ich auf die Idee eines modularen Körpers: ein Körper, den man nicht aufschneiden muss, sondern dem man vorgefertigte Blöcke hinzufügen kann.»

Bei seinem Kunstwerk handelt es sich um die Webseite «The Modular Body», zu der man über eine Facebook-Seite weitere Informationen erhält und Zugang bekommt. Die Seite bietet eine Auswahl von 56 zum Teil sehr aufwendig hergestellten Videos, in denen der angebliche Biologe Vlasman beim Entwerfen, Bauen und Testen des «modularen Körpers» gezeigt wird, unter anderem beim Spenden von eigenem Blut für «Oscar». Auch angebliche Epertendiskussionen sind abrufbar.

Im Gegensatz zu früheren Kunstprojekten, bei denen er Zuschauer im Unklaren über die Wirklichkeit ließ, lässt Kaayk jedoch schon auf der Webseite themodularbody.com in der Rubrik «About» keinerlei Zweifel aufkommen: «The Modular Body ist eine Online Science-Fiction Story über die Schaffung von Oscar, einem aus menschlichen Zellen gebauten lebenden Organismus.»

Zudem wird der fiktionale Charakter des «modularen Körpers» in einem YouTube-Video über «The story behind» erläutert. In diesem Video erläutert die Autorin Ine Poppe, die das Drehbuch für das Projekt Modular Body schrieb, die Absicht des Werkes. «Es ist eine Science Fiction Story, es ist nicht wahr», sagt sie. Das Interessante sei gewesen, dass diese Science Fiction durchaus Bezug zur Realität habe. Als bestes interaktives Werk wurde Kaayks Projekt beim Niederländischen Filmfestival 2016 mit dem «Goldenen Kalb» ausgezeichnet.

(Stand: 16.02.2023)

Links

Facebook-Post, archiviert

Video, archiviert

Über Floris Kaayk, archiviert

Artikel Rio Times, archiviert

Rio Times nach eigenen Angaben, archiviert

Interview Filmkrant, archiviert

Webseite Modular Body, archiviert

Facebook-Seite Modular Body, archiviert

YouTube-Video, archiviert

Auszeichnung Filmfestival, archiviert

enen Angaben, archiviert

Interview Filmkrant, archiviert

Webseite Modular Body, archiviert

Facebook-Seite Modular Body, archiviert

YouTube-Video, archiviert

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