2+4-Vertrag
Bündel von Falschbehauptungen über Deutschlands Souveränität
25.1.2023, 21:30 (CET)
Angeblich darf Deutschland keine außenpolitischen Entscheidungen treffen, ohne das zuvor mit den «Siegermächten» abzusprechen. Kritik an der Außenpolitik dieser Mächte sei auch nicht erlaubt. Ebensowenig dürfe Berlin den Abzug ausländischer Truppen verlangen. Dies wird jedenfalls einem Video zufolge im russischen Radio behauptet.
Bewertung
Die Behauptungen sind unwahr. Im 2+4-Vertrag sind diese angeblichen Verpflichtungen nicht enthalten.
Fakten
In einem Facebook-Post aus Luxemburg wird ein Video geteilt, das ein Studio des russischen Rundfunks Vesti, welcher Teil des staatlichen russischen Rundfunks und Fernsehens (VGTRK) ist, zeigt. In dem undatierten Video stellt ein russischer Sprecher ein ganzes Bündel von falschen Behauptungen über Deutschland und den 2+4-Vertrag auf.
Der Vertrag wurde 1990 in Moskau von den Außenministern der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik sowie den Außenministern der USA, der Sowjetunion, Frankreichs und Großbritanniens unterzeichnet.
In dem Video behauptet der russische Sprecher, bestimmte Einschränkungen der deutschen Souveränität, die noch im sogenannten «Deutschland-Vertrag» von 1954 gemeinsam von der damaligen Bundesrepublik Deutschland und den westlichen Siegermächten USA, Großbritannien und Frankreich vereinbart wurden, blieben «weiterhin in Kraft».
Tatsächlich spricht der Text des 2+4-Vertrages, eine andere Sprache. So heißt es in Artikel 7 des Vertrages, die Siegermächte beendeten mit diesem Vertrag ihre «Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes». Die damit zusammenhängenden Vereinbarungen, Beschlüsse und Praktiken würden «beendet und alle entsprechenden Einrichtungen der Vier Mächte aufgelöst».
Weiter wird in Artikel 7 betont: «Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.»
In dem etwa dreiminütigen Video-Ausschnitt wird behauptet, es gebe in Deutschland ein «Verbot der Volksentscheide über militärpolitische Fragen des Landes». Tatsächlich sieht das Grundgesetz überhaupt keine Volksentscheide vor - mit Ausnahme eines in Artikel 29 des Grundgesetzes vorgesehenen Volksentscheides über eine mögliche Neugliederung des Bundesgebietes.
Die Deutschen dürften nicht nur nicht entscheiden, ob sie eine US-Militärbasis im Land haben wollten, sondern sie dürften auch nicht darüber entscheiden, ob sie eine strategische Luftwaffe haben oder die eigene Armee vergrößern wollten. «Dazu haben die Deutschen kein Recht», behauptet der Sprecher im russischen Radio. «Nach dem 2+4 Vertrag hat Deutschland kein Recht, den Abzug der ausländischen Truppen aus Deutschland zu verlangen beziehungsweise zu fordern», erklärt er zudem.
Auch dies stimmt nicht. Tatsächlich enthält der mit lediglich 10 Artikeln vergleichsweise übersichtliche und einfach zu lesende 2+4-Vertrag keinerlei derartige Vorschrift. Zwar werden Entscheidungen über die Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland nicht per Volksentscheid getroffen, allerdings beruhen solche Stationierungen auf Vereinbarungen zwischen Regierungen. Diese Vereinbarungen können von Regierungen geschlossen, aber auch aufgekündigt werden.
In dem Vertrag wird festgehalten, dass die damalige Sowjetunion ihre in der DDR stationierten Truppen bis Ende 1994 abzieht (Artikel 4). Bis zu diesem Zeitpunkt würden Streitkräfte anderer Staaten auf dem Gebiet der früheren DDR nicht stationiert. Bis zum Ende des sowjetischen Abzugs blieben die Streitkräfte der drei westlichen Siegermächte in Berlin stationiert. Nach dem Abzug der Sowjets aus dem DDR-Gebiet könnten dann dort auch deutsche Streitkräfte stationiert werden, die der NATO zugeordnet würden (Artikel 5). Die Bundesrepublik versicherte außerdem, dass die Streitkräfte das vereinten Deutschlands eine Personalstärke von 370.000 Mann nicht überschreiten werden (Artikel 3).
Im Video wird allerdings behauptet (ab Minute 2:05), Deutschland sei es «verboten, außenpolitische Entscheidungen zu treffen, ohne es zuvor mit den Siegermächten abzusprechen». Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2015 Russland kritisiert habe, hätte Putin - laut dem Sprecher bei Vesti - erwidern können «Frau Merkel, der 2+4 Vertrag verbietet Ihnen, die außenpolitischen Handlungen der Siegermächte zu bewerten oder gar zu kommentieren. Vergessen Sie das nicht». Das habe er aber nicht getan. In Wirklichkeit hätte Putin es auch nicht gekonnt: Es gibt nämlich kein derartiges Verbot in dem Vertrag.
Dennoch wird im russischen Radio behauptet: «Diese Einschränkungen der deutschen Souveränität bleiben bis zur Unterzeichnung des Friedensvertrages in Kraft.» Die Behauptung, die Bundesrepublik Deutschland sei immer noch kein souveräner Staat, wird nicht nur von rechtsgerichteten Kreisen in Russland, sondern auch von sogenannten Reichsbürgern und deren nationalistischem Umfeld in Deutschland verbreitet. Dies wird üblicherweise damit begründet, dass der 2+4-Vertrag kein Friedensvertrag sei.
Die Souveränität wird in Artikel 7 des 2+4-Vertrages ausdrücklich anerkannt. Zudem wird in der Präambel des Vertrages betont, dass dieser das Ziel habe, «die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland zu vereinbaren». Dies bedeutet, dass die Unterzeichner übereinkamen, dass der 2+4 Vertrag die Funktion eines Friedensvertrags haben, nicht aber so heißen soll.
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat dies in einem 2007 veröffentlichten Papier ausführlich dargestellt und so zusammengefasst: «Nach Ansicht der (wissenschaftlichen) Literatur stellt der Zwei-plus-Vier-Vertrag als abschließende Regelung in bezug auf Deutschland die volle Souveränität der Bundesrepublik Deutschland wieder her. Soweit ersichtlich wird ein (zukünftiger) »Friedensvertrag« dafür nicht für erforderlich gehalten.»
(Stand: 25.1.2023)
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