Schutz gegen Übertragung

Umfang der Impfstoff-Tests war bei Zulassung bekannt

28.10.2022, 16:17 (CEST)

Wurde der Bevölkerung nur vorgegaukelt, die Corona-Impfung könne die Übertragung des Virus auf andere verhindern? Manche behaupten das. Doch die Fakten zeigen: Von Lüge kann keine Rede sein.

Der US-Impfstoffhersteller Pfizer hat zusammen mit dem deutschen Unternehmen Biontech im Dezember 2020 den ersten weltweit zugelassenen Impfstoff gegen Covid-19 auf den Markt gebracht. Nun wird Pfizer vorgeworfen, das Unternehmen habe den Impfstoff vor der Marktzulassung damals nicht daraufhin untersucht, ob die Impfung auch das Risiko einer Übertragung des Virus verringere. Und das habe Pfizer erst jetzt zugegeben.

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Schon bei der Zulassung war öffentlich bekannt, dass der Impfstoff nicht auf die Übertragungsrate getestet wurde - und das dies auch kein Teil der Zulassung war. Es ging vielmehr darum, Infizierte vor einer schweren Erkrankung zu schützen. Dennoch gab es Anfang 2021 bereits Erkenntnisse über den sogenannten Fremdschutz. Dieser Schutz vor Übertragung auf andere (Transmission) nahm später mit dem Aufkommen neuer Virus-Varianten ab.

Fakten

In einem Facebook-Post wird ein Bericht des Fernsehsenders Servus.tv mit der angeblichen Pfizer-Verfehlung und dem Kommentar «Der Impfstoff wurde nie darauf getestet! Endlich kommt es im Mainstream an» verbreitet. In dem Video sagt der Moderator: «Der Pharmakonzern Pfizer hat seinen Impfstoff nie entwickelt, um andere nicht anzustecken. Und das auch, zumindest anfangs erst mal, nicht untersucht. Das kommt jetzt bei einer Anhörung im EU-Parlament heraus.» Diese Aussage ist falsch, weil der Umfang der Tests seit 2020 bekannt ist.

In dem Video wird auch auf den niederländischen EU-Abgeordneten Rob Roos verwiesen. Er hatte in einem per Twitter verbreiteten Video gesagt, die Behauptung, man schütze mit der Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere Mitglieder der Gesellschaft, habe sich bei einer Anhörung im Europaparlament als «völliger Unsinn» herausgestellt. Pfizer habe dort «zugegeben», dass der Impfstoff vor der Zulassung nicht daraufhin untersucht worden sei, ob er auch die Übertragung und Weiterverbreitung des Virus stoppen könne. Damit falle die «gesamte rechtliche Basis» für den sogenannten «Covid-Pass» - also den Impf-Nachweis und damit verbundene Zugangsberechtigungen.

Dabei ist die Tatsache, dass es vor der Marktzulassung keine Tests zum Übertragungsrisiko gegeben hat, wohlbekannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bereits in ihrer Mitteilung vom 21.Dezember 2020 ausdrücklich festgehalten: «Die Auswirkungen der Impfung mit Comirnaty auf die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus in der Bevölkerung sind noch nicht bekannt. Es ist noch nicht bekannt, inwieweit geimpfte Personen das Virus noch in sich tragen und verbreiten können.»

Schon am 11. Dezember 2020 hatte die US-Behörde FDA in einer Mitteilung über die Zulassung des Pfizer-Impfstoffs betont: «Zum jetzigen Zeitpunkt liegen keine Daten vor, die eine Aussage darüber zulassen, wie lange der Impfstoff schützt, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Impfstoff die Übertragung von SARS-CoV-2 von Mensch zu Mensch verhindert.»

Pfizer-Chef Albert Bourla sagte der irischen Webseite «The Journal» vom 13. Januar 2021 zufolge, es seien noch Forschungen hinsichtlich der Frage nötig, ob die Impfungen auch die Weiterverbreitung des Virus verhindern könnten: «Dies ist noch nicht schlüssig. Wir wissen, dass es bei Tieren einen signifikanten Schutz vor der Übertragung des Virus gibt ... . Beim Menschen haben wir das noch nicht [bewiesen].»

Weder die EMA noch die FDA hatten den Nachweis einer verringerten Weiterverbreitung des Virus von den Impfstoff-Herstellern gefordert. Das entscheidende Kriterium für die Zulassung war, dass die Impfstoffe als sicher gelten und mindestens einen 50-prozentigen Schutz gegen Erkrankung boten. Beides war der Fall.

Bei Servus.tv wird gesagt: «Wichtige Daten fehlen also. Spitzenpolitiker werben dennoch offen mit dem Fremdschutz.» Allerdings war die Aussage, eine Impfung bremse auch die Weiterverbreitung an andere, keineswegs aus der Luft gegriffen. Zwar war der Fremdschutz bei der Zulassung noch unerforscht, doch lagen entsprechende Daten Anfang 2021 in verschiedenen Studien vor. Beispielsweise in einer im New England Journal of Medicine im April 2021 veröffentlichten Studie und in einer in Lancet veröffentlichten Studie vom Mai 2021. Beide Studien beziehen sich auf Israel und weisen die Wirksamkeit des frühen Impfstoff-Typs BNT162b2 nach.

Das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) teilte im Februar 2022 mit, dass der Fremdschutz bei der Omikron-Virusvariante deutlich geringer als bei früheren Varianten sei. In einer aktuellen Mitteilung vom 13.10.2022 betont das RKI aber: «Über die Transmission (Übertragbarkeit des Virus) unter Omikron gibt es bisher keine ausreichenden Daten; sie scheint bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt ist.» Studien aus Norwegen und Dänemark zeigten, dass auch bei Omikron die Übertragbarkeit um 6 bis 21 Prozent nach der Grundimmunisierung und um weitere 5 bis 20 Prozent nach einer Auffrischungsimpfung verringert sei.

Die Tatsache, dass die Frage der Weiterverbreitung von Mensch zu Mensch zunächst nicht untersucht wurde, bedeutet also nicht, dass die Impfung keinen Beitrag zur Verringerung der Übertragung leisten könnte.

(Stand: 28.10.2022)

Links

Facebook-Post, archiviert

Video, archiviert

EP zu Rob Roos, archiviert

Video Roos, archiviert

EMA-Mitteilung, archiviert

FDA-Mitteilung, archiviert

Bourla in The Journal, archiviert

Studie NEJM, archiviert

Studie Lancet, archiviert

Mitteilung RKI, archiviert

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