Angeblicher Adrenochrom-Beweis führt in die Irre

Die angeblichen Beweise für Fantasien von Verschwörungsgläubigen erweisen sich oft als heiße Luft. Unter anderem dann, wenn versucht wird, einen Handel mit der Wunderdroge Adrenochrom nachzuweisen, die angeblich aus dem Blut gefangener Kinder gewonnen wird. In einem Facebook-Post führt der vorgebliche Adrenochrom-Beweis zu einem Hersteller von sogenannten Liquids und Aromen für E-Zigaretten.

Bewertung

Die Tatsache, dass es eine Firma namens «Adrenochrome Labs Inc» in Kanada gibt, beweist nicht, dass Verschwörungstheorien über Adrenochrom wahr sind.

Fakten

In dem Facebook-Post wird ein Screenshot von einer Suche bei Google Maps nach dem Suchbegriff «Adronochrome Labs» gezeigt. Soweit erkennbar, beantwortet Google Maps die Frage mit einem Hinweis auf ein kanadisches Unternehmen.

Die Autorin des Posts schreibt dazu in luxemburgischer Sprache, sie sei einem angeblichen «Schwurblerpost» nachgegangen und habe «wie immer selbst (nach der Wahrheit) gesucht». «Komisch, was man alles so Offizielles findet, wenn das doch nur Schwurblergeschichten sind», meint sie. Und «wenn man sich die Mühe macht, danach zu suchen, was Adrenochrom ist», gehe einem schon ein Licht auf, «warum der Staat über den Eltern stehen soll». Der Post endet mit drei Ausrufezeichen nach dem Appell: «Schützt unsere Kinder».

Damit verweist der Post, wie auch aus den Kommentaren hervorgeht, auf die dahinterstehende Behauptung: Nämlich, dass Adrenochrom aus dem Blut von entführten und gefolterten Kindern gewonnen werde, deren Körper aus Angst so viel dieses Stoffes erzeugten. Das Adrenochrom werde von Mitgliedern der globalen «Eliten» teuer bezahlt, um es zur Verjüngung oder Jungerhaltung zu nutzen. Diese Verschwörungsfantasie wurde von Anhängern der QAnon-Sekte verbreitet, unter anderem auch im Jahr 2020 vom deutschen Pop-Sänger Xavier Naidoo. In Posts wie diesem wurde diese Behauptung ausführlich beschrieben, damals auch mit nachweislich falschen «Beweisfotos».

Mit dem aktuellen Facebook-Post lässt sich allerdings nicht beweisen, dass es Adrenochrom-Labs gibt - sondern nur, dass es ein Unternehmen namens «Adrenochrom Labs Inc» in der westkanadischen Provinz British Columbia gibt.

Dieses Unternehmen hat allerdings nichts mit der Herstellung von Adrenochrom aus dem Blut missbrauchter Kinder zu tun. Vielmehr befasst sich das Unternehmen - wie aus seiner Facebook-Seite und insbesondere aus der von ihm unter dem Namen ultraeliquid.com betriebenen Shopping-Webseite hervorgeht - vor allem mit der Produktion von Flüssigkeiten (Liquids) und Geschmacksstoffen für E-Zigaretten. Bei solchen Zigaretten wird eine Flüssigkeit (Liquid) mit oder ohne Nikotin verdampft.

Adrenochrom kann in jeder Apotheke gekauft werden. Es entsteht durch Oxidation des Botenstoffes Adrenalin, welcher wiederum bei Gefahr und Angst im menschlichen Körper verstärkt produziert wird. Adrenochrom wird laut Chemie-Lexikon in der Schulmedizin vor allem zur Blutstillung benutzt.

Die renommierte kanadische McGill-University (Montreal) vermutet in einem Papier über die «Adrenochrom-Scharlatanerie», dass die angeblichen Wunderwirkungen von Adrenochrom auf der in den 1950er-Jahren diskutierten These beruhen, dieses Mittel verfüge über halluzinogene Wirkungen und sei auch zur Auslösung oder Behandlung von Schizophrenie geeignet. Ein möglicher Zusammenhang mit Schizophrenie habe sich später aber nicht belegen lassen.

Der US-Schriftsteller Hunter S. Thompson ließ in seinem Drogen-Roman «Fear and Loathing in Las Vegas» (Angst und Schrecken in Las Vegas) aus dem Jahr 1971 seine Hauptfigur Gonzo über Adrenochrom sagen: «Es gibt nur eine Quelle für dieses Zeug: Die Adrenalindrüsen eines lebenden menschlichen Körpers. Es ist nicht gut, wenn man es aus einer Leiche herausnimmt.» Auch in der Verfilmung des Buchs von 1998 mit Johnny Depp in der Hauptrolle wird über die angebliche halluzinogene Wirkung und über deren Beschaffung fantasiert.

Die Behauptungen, Adrenochrom werde als Verjüngungsmittel von reichen Eliten verwendet, entstanden völlig unabhängig davon, dass Thompson selbst im Audiokommentar zu dem Film einräumte, die angeblichen Wirkungen des Stoffes frei erfunden zu haben.

Tatsächlich ist Adrenochrom weder ein Verjüngungsmittel noch eine gefährliche Droge. Die McGill-Universität weiß in ihrem Papier darauf hin, dass auch die Behauptung, Adrenochrom könne nur menschlichen Körper gewonnen werden, blanker Unsinn ist. Der Stoff könne einfach künstlich gestellt werden und sei jederzeit lieferbar: «Für Menschenopfer besteht kein Anlass.»

(Stand: 15.07.2022)