Fälschung trifft Fantasie

Wassertonnen enthalten Ballast für Flugzeugtests

21.06.2022, 18:56 (CEST)

Kein Quatsch: Ein Video mit Bildern von Flugzeug-Prototypen, eingebauten Ballasttanks und subtilen Hinweisen auf sogenannten «Chemtrails» kann ahnungslose Betrachter in die Irre führen.

Die weißen Kondensstreifen, die der Wasserdampf von Flugzeug-Triebwerken in sehr kalter Luft erzeugt, beflügeln die Fantasie zahlreicher Menschen. In der Szene der Verschwörungs-Gläubigen ist man überzeugt, es handele sich in Wirklichkeit um schädliche Chemikalien, die absichtlich über der Erde versprüht würden - sogenannte «Chemtrails». Fotos und Videos von entsprechenden Tanks in Flugzeugen sollen das beweisen.

Bewertung

Tanks in Flugzeugen beweisen nicht, dass es «Chemtrails» gibt. Die Behälter enthalten Ballast für Probeflüge.

Fakten

Immer wieder werden in den sozialen Netzwerken Fotos geteilt, die belegen sollen, dass chemische Stoffe aus Flugzeugen versprüht werden. Dazu gehört, beispielsweise in diesem Facebook-Post, ein Video mit zahlreichen zusammengeschnittenen Fotos von Tanks in oder an Flugzeugen. Ein anderes dieser Videos zeigt weitgehend identische oder sehr ähnliche Bilder, etwa von der früheren deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Flugzeug voller grauer Tanks.

In diesen Videos tauchen auch Piloten auf, die an ihren Uniformen Badges mit der Aufschrift «Teamchemtrail» oder «Sprayandpray» tragen. Diese Aufkleber oder Aufnäher wurden spaßeshaber von einem sogenannten «Teamchemtrail» in Kalifornien entworfen und verkauft, deren Webseite mittlerweile nicht mehr online, aber noch als archivierte Version auffindbar ist. Man sei von der Nachfrage für das Jux-Produkt so überrascht gewesen, dass man sofort größere Mengen davon hergestellt habe, heißt es dort.

Bei einem Foto, das einen angeblichen Schalter mit der Beschriftung «Chemtrails» im Overhead-Panel eines Flugzeuges zeigen soll, handelt es sich schlicht um ein mit entsprechender Software bearbeitetes Foto. Bei genauerem Hinsehen erschließt sich die simple Fälschung vor allem wegen der Schrifttypen, die von den anderen originalen Schrifttypen abweichen, und wegen des farblich anderen Untergrunds. Einen ausführlichen Faktencheck zu diesem Foto veröffentlichte beispielsweise Snopes bereits Ende 2015.

Ähnliche scherzhafte Veränderungen von Cockpit-Schaltern sind immer wieder im Umlauf. So gibt es ein Foto, das nicht nur den Schalter für «Chemtrails» zeigt, sondern auch einen Schalter, mit dem man den Copiloten aus dem Cockpit schießen kann.

Entscheidend ist aber, dass die in Flugzeugen aufgestellten Behälter keineswegs der Aufbewahrung von Chemikalien dienen, die dann vom Flugzeug als «Chemtrails» versprüht werden.

Fotos der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Flugzeug vor solchen Behältern sind 2014 entstanden, als Merkel bei der internationalen Luftfahrtausstellung in Berlin einen Airbus A350 besichtigte, der sich noch in der Flugerprobung befand. Bei den Tonnen handelt es sich um Behälter voller Wasser, die als Ballast dienen und mit denen das Gewicht von Fracht und Passagieren je nach Bedarf innerhalb des Flugzeugs verteilt werden kann, um die Reaktion des Flugzeuges auf Veränderungen des Schwerpunktes zu messen.

In den Videos sind auch Fotos enthalten, die Flugzeuge zeigen, welche tatsächlich Chemikalien versprühen. Dabei handelt es sich beispielsweise um ein Transportflugzeug, das zur Mückenbekämpfung in Texas eingesetzt wird. Auch Einrichtungen zum Versprühen von Silberjodid zur Erzeugung künstlicher Wolken (wobei es sich nicht um ein geheimes Projekt handelt) sind zu sehen. Oder Tanks, aus denen Chemikalien versprüht werden, mit denen große Ölteppiche auf dem Meer bekämpft werden.

Keines der in sozialen Medien verbreiteten Fotos beweist die Existenz von «Chemtrails». Das bedeutet allerdings nicht, dass negative Folgen der Kondensstreifen von Flugzeugen ausgeschlossen wären. So forscht beispielsweise das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) über dieses Thema. In einem Artikel heißt es, das Ausmaß der vom Flugverkehr verursachten Bewölkung und deren Einfluss auf die Strahlungsbilanz seien bisher nicht ausreichend bekannt.

(Stand: 21.6.2022)

Links

Facebook-Post, archiviert

Video, archiviert

Snopes zu Cockpitfoto, archiviert

Merkel-Foto, archiviert

Scherzfoto Cockpit, archiviert

Mückenbekämpfung, archiviert

Silberjodid, archiviert

Ölteppiche, archiviert

Artikel DLR, archiviert

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