Biontech-Bericht bekräftigt Schutzwirkung des eigenen Impfstoffs

21.4.2022, 11:49 (CEST), letztes Update: 21.4.2022, 11:53 (CEST)

Zweifelt der deutsche Pharmaproduzent Biontech tatsächlich an der Wirksamkeit seines Impfstoffs gegen Covid-19? Das verbreitet ein Facebook-Nutzer aus Luxemburg. Demnach räumt das Unternehmen, das den Impfstoff Comirnaty gemeinsam mit dem US-Hersteller Pfizer milliardenfach produzierte und vermarktete, jetzt wirklich ein, dass es keinen Nachweis für die Wirkung der Impfung gebe.

Bewertung

Entsprechende Behauptungen in sozialen Netzwerken sind aus dem Zusammenhang gerissen und grob irreführend.

Fakten

In einem Facebook-Post heißt es, Biontech habe sich in einem Bericht vom 30. März 2022 «sehr skeptisch» über die Zukunft geäußert. Biontech habe sinngemäß erklärt: «Das alles könnte auch nach hinten losgehen.» So habe das Unternehmen eingeräumt, «dass sie nicht einmal wissen, ob es für sein mRNA-Vakzin jemals eine dauerhafte Zulassung in der EU, den USA und verschiedenen Staaten erhalten könne, weil man vielleicht nie in der Lage sein werde, ausreichende Wirksamkeit und Sicherheit mittels Studien nachzuweisen».

Zudem habe Biontech mitgeteilt, es stehe sogar die Dauerhaftigkeit der durch den Impfstoff erzeugten Immunantwort «in Frage»: Diese habe in klinischen Studien noch nicht nachgewiesen werden können. Biontech habe daher also «unumwunden» eingeräumt, dass die Behörden in der EU und in Deutschland die mehrfachen Impfungen «empfahlen, ohne dass der Hersteller irgendeinen Nachweis für die Dauer einer Wirkung erbrachte - oder bis heute erbracht hätte».

Diese Äußerungen beziehen sich auf einen am 30. März 2022 auch auf der Webseite von Biontech veröffentlichten Bericht an die US-Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission/SEC). Ein solcher Bericht muss jährlich in den USA von ausländischen Aktiengesellschaften vorgelegt werden. Der insgesamt 700 Seiten umfassende Bericht beginnt mit einem Warnhinweis (Cautionary Statements) hinsichtlich zukunftsgerichteter Aussagen (forward-looking statements) der Geschäftsführung. Diese Warnhinweise sind von der Börsenaufsicht detailliert vorgeschrieben, um mögliche Schadenersatzklagen von Investoren zu vermeiden.

Die US-Gesetzgebung hat nämlich mit den Warnhinweisen darauf reagiert, dass in der Vergangenheit häufig Äußerungen von Unternehmensleitungen über die in der Zukunft erhofften oder erwarteten Geschäfte von Investoren benutzt wurden, um Schadenersatz zu verlangen, falls diese Geschäfte tatsächlich nicht zustande kamen. Näheres findet sich unter anderem auf der auf Buchhaltung spezialisierten US-Webseite Accountingtools.com.

Dies führt im Bericht von Biontech an die US-Börsenaufsicht dazu, dass ein erheblicher Teil des Textes der Schilderung von denkbaren Risiken für das Geschäftsergebnis dient. Dies bewirkte in dem Facebook-Post offensichtlich die Einschätzung, Biontech habe sich «sehr skeptisch» geäußert, obwohl das Unternehmen in Wirklichkeit ausführlich eine ganze Reihe von optimistischen Mitteilungen über Arbeiten an mRNA-Medikamenten beispielsweise gegen Gürtelrose, Malaria, Tuberkulose und Krebs veröffentlicht.

Die Absicht der Warnhinweise bei in die Zukunft gerichteten Aussagen ist daher eine juristische: Nämlich möglichst alle nur denkbaren Risiken für die geschäftliche Entwicklung darzustellen und festzuhalten, damit Investoren über sämtliche mögliche Risiken informiert sind. So heißt es beispielsweise, wichtige Faktoren, die die Geschäftsergebnisse anders als bisher angenommen beeinflussen könnten, seien beispielsweise die Höhe der Einnahmen aus dem Covid-19-Impfstoff, die Preisverhandlungen mit Regierungen, Versicherern und anderen Kunden sowie ganz generell «das Ausmaß, in dem ein Covid-19-Vakzin in der Zukunft weiterhin nötig sein wird».

Zu den zahlreichen denkbaren Unwägbarkeiten, die in dem Papier (ab Seite 4) aufgeführt werden, gehört auch die Konkurrenz anderer Impfstoffe und deren Effizienz, Kosten, Transport- und Lagermöglichkeiten, Sicherheit, Nebenwirkungen und Dauerhaftigkeit der Immunantwort.

In dem Facebook-Post heißt es unter anderem: «Werden die mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 je auf Dauer zugelassen? Biontech zweifelt selbst daran. Bis heute kann es die Wirksamkeit seiner Injektion nicht bestätigen und fürchtet Haftung wegen schwerer Schäden.» Diese Behauptung ist falsch. Tatsächlich verweist das Unternehmen (beispielsweise auf Seite 91) auf das «hohe Schutzniveau» der Impfung sowohl gegen die ursprünglichen Varianten als auch gegen die Omikron-Variante.

Was im Facebook-Post als Zweifel des Unternehmens an einer dauerhaften Zulassung in wichtigen Märkten dargestellt wird, ist bei der Betrachtung im Zusammenhang der Warnhinweise die schlichte Feststellung, dass Biontech juristisch nicht in der Lage ist, diese Zulassung durch die zuständigen Behörden zu garantieren. «Es könnte sein, dass wir nicht in der Lage sind, eine ausreichende Wirksamkeit oder Sicherheit unseres Covid-19-Impfstoffs und/oder variantenspezifischer Formeln nachzuweisen, um eine dauerhafte behördliche Zulassung in den USA, in Großbritannien, in der Europäischen Union oder in anderen Ländern zu erhalten, in denen der Impfstoff für den Notfalleinsatz zugelassen oder eine bedingte Marktzulassung erteilt worden ist», heißt es in dem Bericht.

Auch die Behauptung, die Dauerhaftigkeit der Immunantwort stehe «in Frage», ist vom Text des Berichtes nicht gedeckt. Dort heißt es vielmehr (Seite 8), die künftigen Einnahmen ausdem Verkauf des Covid-19-Impfstoffes hingen von «zahlreichen Faktoren» ab. Dazu gehörten unter anderem «die Dauerhaftigkeit der durch unseren Covid-19-Impfstoff erzeugten Immunantwort, die noch nicht in klinischen Studien nachgewiesen werden konnte». Tatsächlich findet sich auch im Bericht ein Hinweis darauf, dass derzeit noch Studien hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Immunantwort liefen.

Biontech steht also hinter seinem Coronaimpfstoff und ist von dessen Wirksamkeit überzeugt. Die Einschränkungen im Bericht des Unternehmens an die US-Börsenaufsicht sind allein juristischer Natur.

(Stand: 20.04.2022)

Links

Facebook-Post, archiviert

Biontech-Dokument, archiviert

SEC zu zukunftsorientierten Angaben, archiviert

US-Handelsgesetz, archiviert

Webseite Accountingtools, archiviert

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