Impfnachweise sollen weiter überall gelten - Frage der Anerkennung
19.4.2022, 15:17 (CEST)
Die Europäische Union plant angeblich einen europäischen Impfpass, der die Reisefreiheit der ungeimpften Menschen einschränken soll. Dies wird jedenfalls in sozialen Medien behauptet.
Bewertung
Diese Behauptung ist falsch: Die EU plant keinen solchen Impfpass.
Fakten
In einem Facebook-Post zeigt sich eine Facebook-Nutzerin besorgt über «den europäischen Impfpass, der am 1. Juni in Kraft tritt und die Reisefreiheit für Ungeimpfte einschränkt». Zudem werde es auch den «digitalen Personalausweis mit QR-Code, den QR-Code für Verwaltungen» sowie am Jahresende «digitales Geld» geben.
Tatsächlich hat die EU-Kommission mit der Verordnung (EU) 2021/953 vom 14. Juni 2021 die gegenseitige Anerkennung von Test- und Impfzertifikaten zwischen den EU-Staaten geregelt. Diese derzeit noch geltende Verordnung läuft planmäßig Ende Juni 2022 aus. Deswegen hatte die Kommission vorgeschlagen, die Regelung um ein weiteres Jahr zu verlängern. Zu diesem Verlängerungsvorschlag gab es auf einer Webseite der EU-Kommission für alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern.
Die Verordnung vom Juni 2021 dient dazu, dass Zertifikate über Impfungen und Tests, die in einem EU-Mitgliedstaat ausgestellt werden, auch von allen anderen EU-Ländern als gültig anerkannt werden. Dies bedeutet beispielsweise, dass man mit einem Impfzertifikat aus Luxemburg auch in Italien in ein Museum gehen oder in ein Flugzeug steigen durfte. Dies bedeutet aber auch, dass eine Bescheinigung über einen negativen Covid-19-Test oder über eine Genesung nach einer Covid-Erkrankung ebenfalls von Ländern anerkannt wird, die einen solchen Nachweis möglicherweise zur Voraussetzung für die Einreise machen.
Bereits in der 2021 beschlossenen Verordnung gab es keinerlei Hinweis auf eine Impfpflicht. Daher findet sich auch in dem mehr als 30 Seiten umfassenden Originaltext des Vorschlags für eine Verlängerung der bisherigen Regelung nicht der geringste Hinweis auf eine Impfpflicht. Auch ist darin nicht vorgesehen, dass man künftig nur noch mit einem Impfnachweis per QR-Code reisen könnte.
Die EU-Kommission kann weder Reiseverbote erlassen noch Impfungen anordnen. Darüber entscheiden die jeweiligen Mitgliedstaaten. Die Kommission kann lediglich dafür sorgen, dass Bescheinigungen oder Entscheidungen aus einem EU-Staat auch in anderen EU-Staaten anerkannt werden.
In der Begründung des Kommission-Vorschlages heißt es, es könne «nicht ausgeschlossen werden», dass sich auch im zweiten Halbjahr 2022 die Pandemie-Situation wegen des Auftretens neuer Corona-Varianten verschlechtere. Dann könne es wieder sein, dass EU-Staaten die Wahrnehmung der Freizügigkeit von einem Test, einer Impfung oder der Genesung abhängig machten. Deswegen sei eine Verlängerung der Gültigkeit der Verordnung sinnvoll.
Seit Annahme der Verordnung Mitte 2021 wurden laut EU mehr als eine Milliarde Zertifikate ausgestellt. «Das digitale COVID-Zertifikat der EU ist somit ein weithin verfügbares und zuverlässig anerkanntes Mittel zur Erleichterung der Freizügigkeit während der COVID-19-Pandemie», heißt es zur Begründung des Wunsches nach Verlängerung. Das digitale Covid-Zertifikatsystem sei das einzige große international funktionierende System der Welt und werde daher mittlerweile auch von Drittstaaten genutzt.
Die EU plant auch keinen digitalen Personalausweis mit einem QR-Code. Die EU-Kommission hat allerdings vorgeschlagen, eine Digitale Identität zu schaffen - und zwar nicht verpflichtend, sondern «für alle Menschen und Unternehmen in der EU, die dies wünschen». Wer das Recht auf einen Personalausweis habe, könne sich auch eine «digitale Identität» zulegen, um sich beispielsweise online leichter und wesentlich sicherer als bisher ausweisen zu können.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird auf der Webseite so zitiert: «Jedes Mal, wenn eine Website uns auffordert, eine neue digitale Identität zu erstellen oder uns bequem über eine große Plattform anzumelden, haben wir in Wirklichkeit keine Ahnung, was mit unseren Daten geschieht. Aus diesem Grund wird die Kommission demnächst eine sichere europäische digitale Identität vorschlagen. Eine, der wir vertrauen, und die Bürgerinnen und Bürger überall in Europa nutzen können, um alles zu tun, vom Steuern zahlen bis hin zum Fahrrad mieten.» Eine Entscheidung über die Schaffung der digitalen Identität ist noch nicht gefallen.
«Digitales Geld», also den sogenannten «digitalen Euro», wird es mit Sicherheit noch nicht zum Jahresende geben. Zutreffend ist lediglich, dass die Europäische Zentralbank (EZB) einen solchen digitalen Euro vorgeschlagen hat. Nach den Vorstellungen der EZB soll er das Bargeld - im Gegensatz zu häufig verbreiteten Verschwörung Erzählungen - nicht ersetzen, sondern nur ergänzen.
(Stand: 19.04.2022)
Links
Facebook-Post, archiviert
Webseite EU-Kommission, archiviert
Vorschlag für Verordnung, archiviert
Vorschlag Digitale Identität, archiviert
Vorschlag EZB, archiviert
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