Video belegt nicht Wirksamkeit von Ivermectin gegen Covid-19

14.04.2022, 17:32 (CEST)

Wirkt das Entwurmungsmittel Ivermectin vielleicht doch gegen eine Infektion mit Covid-19? Werden der Öffentlichkeit wichtige Fakten über diese Medizin verschwiegen? Dies jedenfalls wird in einem auf Facebook geteilten Video behauptet.

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Es gibt derzeit keine Beweise für die Wirksamkeit von Ivermectin gegen die Covid-19-Infektion. In dem Video werden einzelne Fakten aus dem Zusammenhang gerissen.

Fakten

In dem auf Facebook verbreiteten Video wird auf einen Post des bekannten englischen Rechtsradikalen Tommy Robinson im sozialen Netzwerk Gab.com reagiert. Dort fordert Robinson dazu auf, man solle auf der regierungseigenen Webseite des US-amerikanischen «National Institutes of Health» (NIH) doch einmal die Begriffe Ivermectin und Cancer (Krebs) eingeben. Diese Abfrage führt zu einer chinesischen Studie, wonach Ivermectin «starke antitumorale Wirkung» habe und daher gegen eine Reihe von Krebszellen eingesetzt werden könne.

Der Autor des Videos beklagt, dass ein so hochwirksames Medikament wie Ivermectin als «Pferdemedizin» dargestellt werde (Minute 2:25) und die Schulmedizin sich über alle lustig mache, die über positive Wirkungen von Ivermectin berichteten. Er behauptet dann, das Medikament habe sogar den «Friedensnobelpreis» bekommen. Gemeint ist damit allerdings wohl der Nobelpreis für Medizin, der 2015 an den irischen Mediziner William C. Campbell verliehen wurde.

Campbell, der als Entdecker von Avermectin und dessen Variante Ivermectin gilt, hat sich dem Nobelpreis-Kommitee zufolge große Verdienste um die Bekämpfung der Spulwürmer-Parasiten erworben. Ivermectin ermöglichte die wirksame Bekämpfung von Krankheiten, unter denen jährlich Hunderte von Millionen Menschen leiden, beispielsweise Flussblindheit und Elephantiasis.

In dem Video wird dann auch (Minute 3:40) auf eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich aktualisierte Liste von «essenziellen Medikamenten» hingewiesen. In dieser Liste wird auch Ivermectin aufgeführt - einschließlich der wichtigsten von Parasiten ausgelösten Krankheiten, gegen die es eingesetzt wird. In dem Video wird also zunächst nur bewiesen, was ohnehin unumstritten ist: Nämlich dass Ivermectin ein wirksames und wichtiges Medikament ist.

Umstritten ist allerdings die Frage, ob Ivermectin zur Behandlung der Covid-19-Infektion taugt. In dem Video wird beklagt, dass vor der Einnahme von Ivermectin gegen das Coronavirus gewarnt werde, «obwohl eine Reihe von Ärzten klar gesagt habe, dass es gegen Covid wirkt». Deswegen stelle sich die Frage: «Wollten sie wirklich jemals Covid besiegen?» In dem Video wird dann behauptet, dass «jeder, der die Impfung und besonders die Booster erhalten hat», danach plötzlich Covid bekommen habe. Diese Behauptung ist zwar erkennbar falsch, mündet aber in den Ratschlag: «Stellen Sie alles in Frage».

Tatsächlich ist der wissenschaftliche Konsens nach wie vor, dass die Wirksamkeit von Ivermectin gegen Covid-19 bisher nicht nachgewiesen worden ist. Die EU-Medizinbehörde EMA empfiehlt eine Ivermectin-Anwendung nur im Rahmen klinischer Untersuchungen. Sie schrieb im März 2021 über uneinheitliche Studien-Ergebnisse: Einige hätten keinen Nutzen gezeigt, andere einen möglichen. «Die meisten von der EMA geprüften Studien waren klein und wiesen zusätzliche Einschränkungen auf, darunter unterschiedliche Dosierungen und die Verwendung von Begleitmedikamenten», begründete die EU-Behörde ihre Entscheidung gegen einen Einsatz in der Pandemie.

Auch die US-Gesundheitsbehörde NIH erklärt auf ihrer Webseite unverändert, dass es zu wenige Beweise gebe, um sich für oder gegen den Einsatz von Ivermectin gegen Covid-19 zu entscheiden. Man benötige «Ergebnisse aus angemessenen, gut konzipierten und gut durchgeführten klinischen Studien». Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) meint, dass die Ergebnisse von 16 untersuchten Studien mit rund 2 400 Teilnehmern sehr ungewiss seien, was die Auswirkungen von Ivermectin auf Sterblichkeit, künstliche Beatmung, Hospitalisierung und Dauer des Klinikaufenthalts angeht.

In einem Papier des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom Dezember 2021 heißt es: «Insgesamt ist die derzeitige Studienlage hinsichtlich der Wirksamkeit von Ivermectin zur Vorbeugung und Behandlung von COVID-19 als uneinheitlich zu bewerten.» Zugleich wird darauf verwiesen, dass derzeit noch eine Reihe von anderen Studien laufe, mit denen die Wirksamkeit geprüft werden sollte. 

Das deutsche Robert-Koch-Institut warnt vor einer Selbsttherapie mit Ivermectin. Eine Überdosierung mit dem Medikament, das auch von Tierärzten häufig verwendet wird, könne beim Menschen lebensgefährliche Folgen haben.

(Stand: 14.04.2022)

Links

Facebook-Video, archiviert

Studie, archiviert

Nobelpreis für Medizin, archiviert

Nobelpreis-Rede Campbell, archiviert

WHO-Medikamentenliste, archiviert

EMA, archiviert

NIH Guidelines, archiviert

Weltgesundheitsorganisation, archiviert

Wissenschaftlicher Dienst Bundestag, archiviert

RKI Warnung, archiviert

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