Keine Erdbeben-Welle in der Ostsee - und auch keine Laserwaffen
13.4.2022, 17:59 (CEST), letztes Update: 13.4.2022, 18:03 (CEST)
In der Ostsee zwischen Estland und Finnland ist angeblich viel los. Dort soll es in den letzten Wochen viele Erdbeben mit anschließenden Bombardierungen durch die B-52-Atombomber der US-Luftwaffe gegeben haben.
Bewertung
Die Behauptung ist falsch. Es hat dort nicht ungewöhnlich viele Erdbeben gegeben. Es gibt auch keinen Hinweis auf irgendwelche Bombenabwürfe über der Ostsee.
Fakten
In einem Facebook-Post wird über «reichlich Aktion in Skandinavien und dem Baltikum» berichtet. Dort habe es «lauter Erdbeben in den letzten Wochen mit anschließenden Bombardierungen (wohl mit Directed-energy weapons) durch B-52-Maschinen» gegeben.
In den europäischen Ländern und den meisten Staaten der Welt gibt es seismologische Institute, die rund um die Uhr mit hochempfindlichen Messgeräten Erschütterungen durch Erdbeben, aber auch infolge großer Explosionen messen und lokalisieren können. Diese Institute gibt es auch in den skandinavischen Ländern.
Sowohl das Seismologische Institut der schwedischen Universität Uppsala als auch das finnische Institut für Seismologie in Helsinki veröffentlichen tagesaktuell ihre Messungen. Diesen Angaben zufolge eignen sich jedes Jahr hunderte von Erdbeben in den beiden Ländern und auch in der Ostsee. Die meisten dieser Beben sind zu schwach, um von Menschen wahrgenommen zu werden. Eine ungewöhnliche Häufung von Beben in jüngster Zeit gibt es nicht.
Das seismologische Netzwerk Schwedens, betrieben von der Universität in Uppsala, weist alleine für das Jahr 2021 insgesamt 796 Erdbeben aus. Seit Jahresbeginn 2022 waren es bis zum 13. April 2022 insgesamt 210. Nach Angaben der Universität werden in Schweden jährlich zwischen 500 und 800 Erdbeben registriert. Dabei habe es in den vergangenen zehn Jahren pro Jahr lediglich ein bis zwei Beben mit einer Magnitude (Stärke) von mehr als 3 gegeben. Die Stärke der weitaus meisten Beben habe unter 2 gelegen.
Auch in Finnland sind Erdbeben nichts Ungewöhnliches. Das finnische Institut für Seismologie in Helsinki registrierte 2021 insgesamt 265 Erschütterungen, von denen ein großer Teil im Grenzgebiet zu Schweden, vor allem im Bottnischen Meerbusen, lag. In anderen öffentlich zugänglichen Erdbeben-Datenbanken, beispielsweise Volcandicovery.com, liegt der Jahreswert über 600, weil dort auch Erdbeben in Schweden und teilweise auch in Norwegen enthalten sind.
Der Facebook-Post wird begleitet von Karten, auf denen angebliche Beben in der Ostsee zwischen Finnland und Estland eingezeichnet und zum Teil mit geraden Linien miteinander verbunden sind. Diese Karten sind anhand der schwedischen und finnischen Daten nicht nachvollziehbar. Als Quelle für diese und andere Erdbebenkarten, die auch im Telegram-Kanal «fuf media - Freiheit denken» verbreitet wurden, wird eine «AMP Music Productions» genannt.
«fuf media» verbreitet nach eigenen Angaben «aktuelle News zum Zeitgeschehen, welche nicht im Mainstream zu finden sind - offen, ehrlich und geradeheraus» sowie «aufbereitete News der Anons aus den USA plus weitere interessante Infos aus diversen Social Media Plattformen». Zu den dort verbreiteten konspirativen Erzählungen der QAnon-Verschwörungsanhänger gehören immer wieder Hinweise auf angeblich besondere Wettererscheinungen, sogenannte Chemtrails oder Ereignisse wie Saharastaub, die ebenso wie Katastrophen, Explosionen, Erdbeben oder Unglücke als grundsätzlich suspekt gelten.
Ebenfalls keinen Anhaltspunkt gibt es dafür, dass amerikanische B-52-Bomber über der Ostsee irgendwelche Ziele bombardiert hätten. Eine solche Aktion hätte bemerkt werden müssen. Zutreffend ist, dass die US-Luftwaffe am 11. Februar 2022 mitteilte, dass eine ungenannte Zahl von Bombern des Typs B-52 Stratofortress von der Minot Air Force Base in Nord-Dakota auf die britische Luftwaffenbasis Fairford verlegt worden sei.
Der bereits in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Dienst gestellte Bomber mit acht Triebwerken wird im Kriegsfall mit Atombomben bewaffnet. Die Mitteilung nimmt keinen Bezug auf die damals befürchtete russische Invasion in der Ukraine. Vielmehr hieß es, es handele sich um eine regulär geplante Teilnahme an einem Manöver.
Auch die Mutmaßung, diese Bombardierung sei «wohl mit Directed energy weapons» erfolgt, ist pure Fantasie. Diese Waffen, auf Deutsch meist als Energiewaffen bezeichnet, wirken mit gebündelter Energie - nicht wie Bomben mit kinetischer Energie. Sie funktionieren im wesentlichen durch sehr starke Laserstrahlen oder Mikrowellen. In den USA wird mit großem Aufwand bei Infanterie, Luftwaffe und Marine an diesen Waffen geforscht.
Wie aus einem Hintergrundpapier des wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses hervorgeht, wurden seit 2019 jährlich rund 700 Millionen US-Dollar für die Forschung und jährlich zwischen 200 und 300 Millionen US-Dollar für Beschaffungen ausgegeben. Auch in anderen Ländern - beispielsweise in China, der Türkei und auch in Deutschland - wird an Energiewaffen geforscht. Bisher gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die USA eine solche Waffe bereits in einem Konflikt eingesetzt haben.
(Stand: 13.04.2022)
Links
Seismologisches Netzwerk Schweden, archiviert
Institut für Seismologie, Finnland, archiviert
Volcandicovery.com, archiviert
dpa-Faktencheck zu Saharastaub
Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-luxembourg@dpa.com