Luxemburgs Souveränität ist völkerrechtlich unbestritten

24.03.2022, 13:47 (CET)

Kann es wirklich sein, dass Luxemburg von den USA besetzt ist und immer noch unter dem «Oberkommando» der Amerikaner steht? Und dass wegen territorialer Konflikte zwischen Russland und Deutschland eine Militärintervention der US-Streitkräfte unvermeidlich bevorsteht? Zumindest werden entsprechende Behauptungen in sozialen Netzwerken verbreitet.

Bewertung

Diese und andere Behauptungen sind falsch. An Luxemburgs Souveränität besteht kein Zweifel.

Fakten

In einem Post bei Facebook werden vier angeblich «unbestreitbare historische Fakten» aufgeführt, die allesamt dazu führen sollen, dass es «keine Alternative zu einer offiziellen militärischen Intervention durch die United States Army in der kommenden Zeit gibt».

Punkt eins dieser vorgeblichen «Fakten» ist, dass Luxemburg nach dem Ende der Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges «nie wie die meisten anderen beteiligten Nationen einen Friedensvertrag unterzeichnet hat». Zutreffend ist, dass Luxemburg nach 1945 keinen Friedensvertrag unterzeichnet hat. Allerdings haben dies im Gegensatz zu der Behauptung in dem Facebook-Post auch viele andere Staaten nicht getan.

Lediglich Italien, Rumänien, Ungarn, Bulgarien und Finnland haben bei der Pariser Friedenskonferenz von Juli bis Oktober 1946 in Vereinbarungen mit der Sowjetunion, den USA, Großbritannien und Frankreich entsprechende Verträge geschlossen. Mit diesen Verträgen erhielten sie die volle staatliche Souveränität zurück. Auch mit Deutschland wurde zunächst kein Friedensvertrag geschlossen.

Ein Friedensvertrag wird zwischen Kriegsparteien unterzeichnet, um einen Kriegszustand zu beenden. Die Tatsache, dass Luxemburg keinen Friedensvertrag unterschrieben hat, hat auch damit zu tun, dass das Großherzogtum bei der deutschen Invasion vom 10. Mai 1940 gewaltsam vom Deutschen Reich vereinnahmt wurde, während die offiziellen Vertreter Luxemburgs im Londoner Exil den Widerstand unterstützen. «Dies war die richtige Entscheidung, da Luxemburg durch sein Engagement an der Seite der Alliierten nach dem Krieg auf volle internationale Anerkennung zählen konnte», heißt es auf einer Webseite der luxemburgischen Regierung.

Da nach 1945 die luxemburgische Souveränität unbestritten und Luxemburg auch niemandem den Krieg erklärt hatte, gab es keinen wirklichen Grund für einen Friedensvertrag.

Der renommierte Völkerrechtler Karl Doehring weist übrigens in seinem 2004 erschienenen «Lehrbuch» zum Völkerrecht darauf hin, dass die Beendigung eines formellen, rechtlichen Kriegszustandes an keine Form gebunden sei (Seite 280). Dies könne durch einen Friedensvertrag geschehen. «Jeder andere Vertrag kann die gleiche Wirkung haben, etwa ein Vertrag zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen», betont er. Sogar einseitige Erklärungen könnten dazu ausreichen, einen Kriegszustand zu beenden.

Als zweiter Punkt der vermeintlichen «Fakten» wird angeführt, dass Luxemburg «immer noch unter dem Oberkommando der Vereinigten Staaten von Amerika als Besatzungsmacht steht». Für diese Behauptung gibt es keinerlei Beleg oder Erklärung. Tatsächlich ist Luxemburg eine konstitutionelle Monarchie mit einer von einem Staatsminister (Premierminister) geführten Regierung und einer Abgeordnetenkammer (Parlament) als Gesetzgebungsorgan.

Als dritter Punkt der angeblich «unbestreitbaren» Fakten wird genannt, dass Luxemburg ein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen sei, wo «bis heute eine höchst problematische "Feindstaatenklausel" für Deutschland gilt». Diese Behauptung ist falsch.

Tatsächlich enthält die Charta der Vereinten Nationen in Artikel 53 die sogenannte «Feindstaatenklausel». Sie war 1945 unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in die Charta aufgenommen worden, um Strafmaßnahmen der vier Alliierten gegen Deutschland zu ermöglichen. Die «Feindstaatenklausel» lässt Zwangsmaßnahmen gegen Deutschland zu. Diese Klausel ist zwar noch in der Charta enthalten, gilt aber nicht mehr. Dies wurde am 16. September 2005 von der UN-Vollversammlung auch offiziell beschlossen, nachdem die Klausel zuvor stets als «obsolet» bezeichnet wurde. Die Vollversammlung beschloss, die Verweise auf «Feindstaaten» in der Charta sollten gestrichen werden. Die Tatsache, dass dies immer noch nicht geschehen ist, hat vor allem damit zu tun, dass die Änderung der UN-Charta eine politisch und bürokratisch höchst komplizierte Angelegenheit ist.

Schließlich wird als vierter Punkt behauptet, Russland und Deutschland hätten noch immer «historische und territoriale Fragen mit internationalen Auswirkungen zu lösen» - deswegen gebe es «keine Alternative» zu einem Einsatz der US-Armee. Auch dies ist falsch.

Zwischen Deutschland und Russland gibt es keine territorialen Streitfragen. Der am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnete Zwei-plus-Vier-Vertrag - der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR einerseits sowie Frankreich, Großbritannien, den USA und der Sowjetunion andererseits geschlossen wurde - hat die Grenzen Deutschlands nach der bevorstehenden Wiedervereinigung endgültig festgelegt. Deutschland verzichtete auf jegliche territorialen Ansprüche. Dies gilt selbstverständlich auch für Russland. Zugleich gaben die vier Alliierten ihre besonderen Rechte in Deutschland auf. Mit dem Vertrag erlangte Deutschland wieder die volle Souveränität.

(Stand: 24.03.2022)

Links

Facebook-Post, archiviert

Webseite Luxemburg Geschichte, archiviert

Lehrbuch Völkerrecht

Charta der Vereinten Nationen, archiviert

Beschluss UN-Vollversammlung, archiviert

Zwei-plus-Vier-Vertrag, archiviert

Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: factcheck-luxembourg@dpa.com