Die große Weltverschwörung hat keine Anstecknadel

24.1.2022, 18:03 (CET)

Die Mächtigen dieser Welt, die angeblich mit Hilfe der Corona-Pandemie eine neue Diktatur errichten wollen, sind glücklicherweise leicht zu erkennen. Jedenfalls zeigen sich manche Nutzer Sozialer Medien überzeugt, dass eine bunte kreisförmige Anstecknadel am Revers der Anzugjacke die bösen Absichten verrät. Mit dem Logo gäben sich Politiker als Anhänger des «Great Reset», des vom Unternehmer Klaus Schwab propagierten «großen Umbruchs», zu erkennen.

Bewertung

Die kreisrunde Anstecknadel hat nichts mit dem «Great Reset» zu tun. In sozialen Netzwerken werden Fotos von Politikern mit diesem Abzeichen in einen falschen Zusammenhang gesetzt.

Fakten

In einem Facebook-Post wird eine Zusammenstellung von Fotos von vier Prominenten gezeigt, die allesamt die fragliche Anstecknadel tragen. Es handelt sich um Microsoft-Gründer Bill Gates, WHO-Direktor Tedros Ghebreyesus, den britischen Regierungschef Boris Johnson und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Ein anderes Foto zeigt das Kreissymbol in Großaufnahme.

Ein weiteres Foto zeigt von der Farbauswahl einen ähnlichen Kreis mit Symbolen und der Schrift «de Great Reset». Dabei handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem Titelblatt der in Groningen (Niederlande) erscheinenden Zeitschrift «Epoque» vom Dezember 2020. Deren Verlag «Blauwe Tijger» wird in einem Bericht des niederländischen Koordinators zur Terrorbekämpfung beschuldigt, die Gesellschaft zu polarisieren und Verschwörungstheorien zu unterstützen.

Die «Epoque»-Ausgabe mit dem Titel «Chronik einer Machtneurose: Der große Umbruch» wird vom Verlag damit beworben, dass sie «die wirkliche Bedeutung» der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen enthülle. Dabei werden Symbole der Vereinten Nationen verwendet, aber mit dem genau entgegengesetzten Ziel verbunden: angeblich sind ständiger Krieg, Energiezuteilung, Lebensmittelzuteilung, Gefängnisstädte, Sklavenarbeit, Kommunismus und auch die Rationierung von Trinkwasser geplant.

Tatsächlich handelt es sich bei dem bunten kreisförmigen Symbol, das einige Politiker auch als Anstecknadel trugen, um das Logo für die 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung. Diese wurden bereits 2015 von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen beschlossen und sind unter dem Namen «Agenda 2030» bekannt. Bei den 17 Zielen geht es um einen Zusammenhang zwischen Armutsbekämpfung, nachhaltiger Entwicklung und Gesundheitsfürsorge. Ziele sind unter anderem die Beseitigung der Armut, des Hungers und von Gesundheitsgefahren.

Das Kreissymbol wird auch von der Organisation «Goalkeepers» verwendet, die von der Bill und Melinda Gates Foundation gegründet wurde. Diese Organisation will politische Führer aus aller Welt zusammenbringen, um Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung der 17 UN-Ziele zu machen. Dazu werden seit 2017 prominente Politiker und andere Entscheidungsträger zu jährlichen Konferenzen eingeladen. Bei diesen Konferenzen trugen die Teilnehmer die kreisförmigen Anstecknadeln. 2018 beispielsweise nahm auch Macron an einer Konferenz der «Goalkeeper» für die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele teil, wie unter anderem der britische Guardian berichtete.

Das Weltwirtschaftsforum von Davos, dessen Gründer Klaus Schwab und dessen Buch «Covid-19: Der Große Umbruch» haben weder mit den Entwicklungszielen der Vereinten Nationen noch mit deren Logo zu tun. Das hindert allerdings Publikationen wie beispielsweise die Seite wochenblick.at nicht daran, zu behaupten, wer die Anstecknadel trage, gehöre «zu Klaus Schwabs Great Reset-Gruppierung». Diese sei dafür verantwortlich, dass Existenzen «mittels Lockdown und Notstandsgesetzen zerstört werden».

Schwab, der in seinem Buch für eine gerechtere, sozialere und nachhaltigere Wirtschaft nach der Corona-Pandemie plädiert, wird von Verschwörungsanhängern gleichwohl vorgeworfen, er wolle die Demokratie beseitigen - ohne dass sie dafür Belege anführen.

Die Montage von Fotos von Veranstaltungen der «Goalkeepers» mit einer Grafik, auf der völlig entstellte, angebliche Ziele der Agenda 2030 mit Hinweis auf den «Great Reset» präsentiert werden, stellt einen Zusammenhang her, der in Wirklichkeit nicht besteht.

Im Falle des Posts aus Luxemburg handelt es sich allem Anschein nach um eine Antwort auf einen anderen Post, in dem der Autor fragt, ob es jenen, die diese «ganze Krise hier orchestrieren», wirklich um Solidarität mit den Menschen gehe - oder ob diese missbraucht würden, um «schleichend und hinterhältig» Umstrukturierungs- und Digitalisierungsprozesse zu beschleunigen, ohne dass die Betroffenen es überhaupt merkten.

(Stand: 24.01.2022)

Links

Facebook-Post, archiviert

Epoque, archiviert

Koordinator Niederlande zur Terrorbekämpfung, archiviert

Ziele für Nachhaltige Entwicklung, archiviert

Goalkeepers, archiviert

Guardian, archiviert

wochenblick.at, archiviert

Über Initiative und Buch "Great Reset", archiviert

Post, archiviert

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