Bundestagswahl bleibt auch bei geringer Beteiligung gültig

01.09.2021, 11:21 (CEST)

Wenn weniger als die Hälfte der deutschen Wahlberechtigten an der nächsten Bundestagswahl teilnimmt, wird diese angeblich ungültig. Dies jedenfalls wird in sozialen Medien behauptet. Grund sei ein nach wie vor geltendes «Besatzerstatut».

Bewertung

Die Behauptung ist rundum falsch und frei erfunden.

Fakten

In einem Facebook-Post heißt es, wichtig sei bei der Bundestagswahl «nicht was gewählt wird, sondern die Wahlbeteiligung». «Das Besatzerstatut» besage nämlich, dass die «Fremdverwaltung» allein durch die Wahlen vom Wähler akzeptiert werde: «Bei unter 50 Prozent Wahlbeteiligung wäre dies hinfällig.» Deswegen sei es «den Eliten so wichtig, dass die Wahlbeteiligung hoch ist». Die AfD sei gegründet worden, «um die Menschen an die Urnen zu bringen». Mit der Teilnahme an der Wahl legitimiere man «das System».

Mit der Behauptung, es gebe in Deutschland ein «Besatzerstatut» und eine «Fremdverwaltung», erinnert der Post an die sogenannte Reichsbürgerbewegung. Deren Anhänger bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als souveräner Staat, sprechen von «Fremdverwaltung» seitens der Besatzungsmächte und behaupten, dass das Deutsche Reich fortbestehe.

Ein «Besatzerstatut» gibt es nicht. Möglicherweise ist das «Besatzungsstatut» gemeint, das am 10. April 1949 - also kurz vor dem Inkrafttreten des deutschen Grundgesetzes vom Mai 1949 - veröffentlicht wurde. Darin legten die drei Westmächte (USA, Großbritannien, Frankreich) fest, dass sie sich bestimmte Hoheitsrechte vorbehalten. Diese bezogen sich vor allem auf Außenpolitik, Entmilitarisierung und Wiedergutmachung. Zudem gab es ein Einspruchsrecht der Besatzungsmächte gegen mögliche Verfassungsänderungen und Gesetze.

In diesem Besatzungsstatut gibt es keine Vorschriften über den Ablauf von Wahlen. Das Wort "Wahl" taucht dort überhaupt nicht auf. Daher existiert in dem Besatzungsstatut auch keine Vorschrift, wonach mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten an Wahlen teilnehmen müssen, wenn diese gültig sein sollen.

Mit den Pariser Verträgen, die am 5. Mai 1955 in Kraft traten, wurde das Besatzungsstatut aufgehoben. Letzte alliierte Vorbehaltsrechte bezüglich der deutschen Wiedervereinigung und des Status von Berlin bestanden offiziell bis zum Inkrafttreten des sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrages vom 15. März 1991.

Es gibt auch in den deutschen Gesetzen keine Vorschrift über eine nötige Mindestbeteiligung an der Wahl. Dies gilt sowohl für das Grundgesetz als auch für das Bundeswahlgesetz und die Bundeswahlordnung. Nirgendwo in diesen Texten gibt es eine Vorschrift, wonach die Wahl ungültig wäre, wenn weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten abstimmen.

Ganz im Gegenteil: Der Bundeswahlleiter hat auf seiner Webseite ausdrücklich festgehalten, die freiwillige Entscheidung eines Wahlberechtigten, nicht zur Wahl zu gehen, sei kein Grund für einen anfechtbaren Wahlfehler: «Daher ist auch bei einer sehr geringen Wahlbeteiligung die Wahl gültig, wenn sie ohne Grund für eine Wahlanfechtung zustande gekommen ist und das festgestellte Wahlergebnis zur richtigen personellen Zusammensetzung des Parlaments geführt hat.»

(Stand: 31.08.2021)

Links

Facebook-Post(archiviert)

Bundeszentrale für politische Bildung zu Reichsbürgern (archiviert)
Besatzungsstatut (archiviert)
Grundgesetz zu Wahlen (archiviert)
Bundeswahlgesetz (archiviert)
Bundeswahlordnung(archiviert)
Bundeswahlleiter zu Mindestbeteiligung (archiviert)

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