Gesetz zu Mikroorganismen in Impfstoffen gilt seit über 20 Jahren

1.6.2021, 12:05 (CEST)

In Deutschland dürfen «ab sofort» Impfstoffe verwendet werden, «die Mikroorganismen enthalten» können. Das erlaube eine umstrittene Gesetzesänderung, geben Posts in den sozialen Medien vor. Diese Mikroorganismen könnten zudem von den geimpften Menschen ausgeschieden und von anderen Personen aufgenommen werden. In einem Post wird versichert: «Nein, das ist keine Verschwörungstheorie.»

Bewertung

Die Behauptung ist falsch. Da viele Impfstoffe auf der Verwendung von Mikroorganismen beruhen, ist deren Verwendung auch schon seit vielen Jahren erlaubt.

Fakten

In Facebook-Posts (hier archiviert) wird, mit mehreren «Achtung»-Hinweisen verknüpft, ein Video des österreichischen Regionalfernsehens RTV vom 28. Mai 2021 geteilt. Es ist auch bei YouTube abrufbar. Darin heißt es unter anderem: «Eine umstrittene Gesetzesänderung gab es nun in unserem Nachbarland Deutschland. Ab sofort dürfen Impfstoffe verwendet werden, die Mikroorganismen enthalten.»

Anschließend wird Paragraf 21 aus dem deutschen Infektionsschutzgesetz (hier archiviert) vorgelesen. Dieser lautet: «Bei einer auf Grund dieses Gesetzes angeordneten oder einer von der obersten Landesgesundheitsbehörde öffentlich empfohlenen Schutzimpfung oder einer Impfung nach § 17a Absatz 2 des Soldatengesetzes dürfen Impfstoffe verwendet werden, die Mikroorganismen enthalten, welche von den Geimpften ausgeschieden und von anderen Personen aufgenommen werden können. Das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) wird insoweit eingeschränkt.»

Tatsächlich ist dieser Paragraf in dem am 20.7.2000 - also vor etwa 21 Jahren - beschlossenen Infektionsschutzgesetz (Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen) (hier archiviert) enthalten. Paragraf 21 zum Thema Impfstoffe wurde seither, abgesehen von einer inhaltlich unbedeutenden Änderung vom 9. August 2019 nicht verändert.

Die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (hier archiviert) seit dem Jahr 2000 können hier leicht nachvollzogen werden. Da das Gesetz einschließlich des Paragrafen 21 über Impfstoffe bereits seit dem Jahr 2000 existiert, hat es weder «nun in unserem Nachbarland Deutschland» eine Änderung gegeben noch war diese «umstritten».

Zutreffend ist, dass der Deutsche Bundestag am 21. April 2021 mit 342 gegen 250 Stimmen und bei 64 Enthaltungen das sogenannte Bevölkerungsschutzgesetz beschlossen hat. Diese Entscheidung wurde von Demonstrationen und Protesten begleitet. Mit dem am 23. April 2021 verkündeten Gesetz (hier archiviert) wurde die bundeseinheitliche «Notbremse» gegen die Corona-Pandemie eingeführt. Dabei wurde auch das Infektionsschutzgesetz geändert, allerdings nicht hinsichtlich des Paragrafen 21 - der daher auch nicht umstritten sein konnte.

Mikroorganismen sind nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (hier archiviert) schon seit Jahrzehnten für die Herstellung von Impfstoffen von zentraler Bedeutung. Dies gilt jedenfalls für die aktiven Impfstoffe, während passive Impfstoffe aus Antikörpern bestehen, die direkt ins Blut gegeben werden. Bei aktiven Impfstoffen werden Mikroorganismen, also Viren oder Bakterien, in einer abgeschwächten (attenuierten) Form in den Körper gebracht, sodass das körpereigene Abwehrsystem darauf reagiert.

Lebendimpfstoffe mit geringen mengenvermehrungsfähiger Erreger sind beispielsweise Impfstoffe gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken. Sogenannte Totimpfstoffe mit abgetöteten Krankheitserregern oder deren Bestandteilen, die sich nicht mehr vermehren können, sind beispielsweise Vakzine gegen Diphtherie, Hepatitis B, Kinderlähmung, Keuchhusten oder Tetanus.

Links

Facebook-Post (archiviert)

Video bei Youtube

Bevölkerungsschutzgesetz ("Notbremse")

Bundesgesetzblatt vom 25. Juli 2000 (archiviert)

Gesetzesänderungen

Bundeszentrale zu Impfstoffen (archiviert)

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