Angebliche Scholz-Aussage über Test-Verweigerer ist erfunden
1.4.2021, 09:22 (CEST)
Der deutsche Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat angeblich Unternehmern gedroht: «Wer nicht testet, dem nehmen wir die Existenz.» In einer Reihe von nur geringfügig unterschiedlichen Facebook-Posts in Luxemburg und Deutschland wird behauptet, Scholz habe dies nach dem Treffen der Ministerpräsidenten der Bundesländer und der Bundesregierung vom 22. März 2021 im Fernsehen gesagt.
BEWERTUNG: Dies ist falsch. Scholz hat sich nicht in dieser Weise geäußert.
FAKTEN: Die Behauptung, Scholz habe Unternehmen mit der Vernichtung ihrer Existenz gedroht, falls diese nicht zu Corona-Tests ihrer Belegschaft bereit seien, wird in unterschiedlicher Form erhoben. Der Satz «Wer nicht testet, dem nehmen wir die Existenz» wird in Luxemburg und in Deutschland unter anderem hier (archiviert) und auch in etwas anderer Optik (hier archiviert) verbreitet. Dabei wird Bezug genommen auf ein Interview, das Scholz am Morgen des 23. März 2021 im ZDF-Morgenmagazin gab.
In einer anderen Version (hier archiviert) dieses Facebook-Posts nimmt die Drohung noch eine dramatischere Form an. Dort heißt es nach der Behauptung, Scholz drohe Unternehmen, die Tests verweigern: «Wer die Tests verweigert wird in Zukunft damit rechnen müssen, dass er nie wieder aufmachen darf oder schließen muss! Danach folgt die Impfung als Ersatz-Erpressung!»
Tatsächlich hat sich Scholz in dem Interview des ZDF-Morgenmagazins (ab Minute 02:14) anders geäußert. Dort verweist er zunächst darauf, dass mittlerweile «viele, viele Tests zur Verfügung stehen in den Firmen, von denen wir erwarten, dass sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig testen». Er fügte hinzu: «Und wir haben gesagt: wenn das nicht passiert, dann werden wir sogar mit Verordnungen nachlegen.»
Auf die Nachfrage, ob dies nicht doch nur ein scharfer Appell an die Unternehmen sei, betont Scholz: «Wir haben ganz klar gesagt: Es müssen praktisch alle Unternehmen mitmachen. Und wenn das nicht so ist, werden wir Anfang April, das steht auch in dem Beschluss von gestern noch einmal ausdrücklich drin, das mit den Möglichkeiten einer rechtlichen Verordnung machen.» Er gehe aber davon aus - und dies sei «jedenfalls von allen zugesagt» - «dass die Wirtschaft aus Eigeninteresse und natürlich wegen ihrer Verpflichtung gegenüber dem Land alles dafür tut, dass die Tests stattfinden».
In dem Beschluss (hier archiviert) von Ministerpräsidenten und Bundesregierung, auf den sich Scholz bezieht, heißt es unter anderem in Punkt 7, es sei «wichtig», dass die Unternehmen, die kein Homeoffice anbieten könnten, «ihren in Präsenz Beschäftigten regelmäßige Testangebote machen». In dem Papier wird auf eine entsprechende Selbstverpflichtung der Wirtschaftsverbände zu Testangeboten verwiesen. Eine «zügige Umsetzung der Testangebote in allen Unternehmen in Deutschland» sei nötig. Auf der Grundlage eines Umsetzungsberichtes der Wirtschaftsverbände werde die Bundesregierung «bewerten, ob regulatorischer Handlungsbedarf in der Arbeitsschutzverordnung besteht».
Scholz hat bei der Wiedergabe des Beschlusses der Ministerpräsidenten und der Bundesregierung also nicht gedroht, man werde jenen, die nicht testeten, die Existenz nehmen. Er hat auch nicht gedroht, Testverweigerer dürften nie wieder öffnen oder müssten schließen.
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Links:
Facebook-Post:
https://www.facebook.com/emm.ima.37/posts/379405573396225 (archiviert: https://archive.ph/6S4yc)
Facebook-Post: https://www.facebook.com/100064850623316/videos/116068960564791 (archiviert: http://dpaq.de/h4wht)
Scholz im ZDF-Morgenmagazin: https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/olaf-scholz-corona-100.html
Beschluss vom 22.3.2020: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1879672/2854753dbc7549432db7f0bba94e8c0f/2021-03-22-mpk-data.pdf?download=1 (archiviert: https://archive.ph/0eHII)
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