Kein Beleg für fälschliche Nutzung von Sarg-Foto

7.5.2020, 10:02 (CEST)

Ein Foto von einer Halle voller Särge wird derzeit im Netz verwendet, um eine angebliche Fälschung seitens der Medien - darunter des ARD-Fernsehens - zu beweisen. Särge von Opfern eines Schiffsunglücks vor Lampedusa seien fälschlicherweise als Särge von Corona-Opfern in Bergamo ausgegeben worden.

BEWERTUNG: Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die ARD oder andere Fernsehsender und Zeitungen das Foto aus Lampedusa fälschlicherweise als Foto aus Bergamo ausgegeben haben.

FAKTEN: In einigen Posts bei Facebook (http://dpaq.de/q0nak) wird nach dem Satz «ARD hat mal wieder zugeschlagen» behauptet, die ARD habe Bilder von Särgen der Corona-Opfer gezeigt. Es habe sich aber jetzt herausgestellt, dass sie «genau dieselben Bilder 2014 in einer Doku: "Tod vor Lampedusa" benutzt haben». «Scheiß Lügenpresse ... schämen solltet Ihr Euch», heißt es in dem Post.

In dem Post werden keine Angaben darüber gemacht, wann und in welcher Sendung die falschen Bilder von Särgen der Corona-Opfer angeblich gezeigt wurden. Einerseits wird ein Ausriss aus einem Artikel der «Süddeutschen Zeitung» vom 6. Oktober 2014 mit dem Titel «Europas Schande» gezeigt. In diesem Artikel (http://dpaq.de/z7Stn) wird das Foto korrekt als Foto der Särge von Flüchtlingen ausgewiesen, die im Oktober 2013 bei einem Schiffsunglück ums Leben kamen. Bei dem Unglück fanden mehr als 360 Menschen den Tod.

Andererseits enthält der Post ein zweites identisches Foto in anderer Auflösung, mit dem der Eindruck erweckt wird, als sei dies das Foto, das fälschlicherweise als Foto von Corona-Särgen ausgegeben worden sei.

Eine Bilderrückwärtssuche mit Google gibt keinen Hinweis darauf, dass die ARD in irgendeiner Sendung das Bild von den Särgen aus Lampedusa in Verbindung mit dem Coronavirus gebracht hat (http://dpaq.de/tbfQH).

Eine Sprecherin der ARD sagte der Deutschen Presse-Agentur, man habe in vielen aktuellen Redaktionen ohne Ergebnis nach dem Bild gesucht. «Es ist für uns im Moment nicht nachvollziehbar, wo das entsprechende Foto aus dem Zusammenhang gerissen aktuell in unserem Programm verwendet worden sein könnte», sagte sie. Dies bedeute nicht, dass nicht auch Fehler passieren könnten, «mit denen wir aber grundsätzlich offen und transparent umgehen».

Unabhängig davon wurden die beiden Fotos ohne Hinweis auf die ARD in einer Kombination über Facebook und Twitter verbreitet - und zwar mit den Zusätzen «2013 - Lampedusa» und «2020 - Bergamo» (http://dpaq.de/4NABs). Dadurch wird der Eindruck erweckt, als gebe es Zeitungen und Fernsehsender, die das sieben Jahre alte Foto aus Lampedusa als aktuelles Foto aus Bergamo ausgeben. Ein solche Veröffentlichung ist bei einer Bilderrückwärtssuche ebenfalls nicht zu finden. (http://dpaq.de/1K5RG

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Links:

Post mit Kombination der Fotos: https://www.facebook.com/julien.groebig/posts/10159367148402439 (archiviert: http://archive.vn/pHzmv)

Post zur ARD: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=3140002072699895&set=a.226618800704918&type=3&theater (archiviert: http://archive.vn/EAdBC)

Post mit Aufruf zum Daheimbleiben: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=2480177468901123&set=a.1382026885382859&type=3&theater (archiviert: http://archive.vn/XjHgi)

Artikel Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/medien/ard-dokumentation-tod-vor-lampedusa-europas-schande-1.2159454 (archiviert: http://dpaq.de/h8GlX)

Bilderrückwärtssuche bei Google: http://dpaq.de/tbfQH

Bilderrückwärtssuche zu Bergamo bei Google: http://dpaq.de/1K5RG

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