Falscher Kontext

Mediziner sprach über Desinformation, nicht über Zwangsimpfungen

12.9.2024, 16:28 (CEST), letztes Update: 12.9.2024, 16:34 (CEST)

Schritt für Schritt zur Falschmeldung: Ein Mediziner gibt ein Interview, eine Sequenz wird herausgeschnitten und schließlich erscheint ein Artikel, der nur noch wenig mit dem Gespräch zu tun hat.

Während der Corona-Pandemie wurde viel über eine Impfpflicht diskutiert. Nun wird in einem Facebook-Video behauptet, Microsoft-Gründer Bill Gates und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) würden das Militär dazu auffordern, «Impfverweigerer während einer Vogelgrippe-Pandemie mit mRNA zu impfen». Kann das sein?

Bewertung

Falsch. Weder Bill Gates noch die WHO haben die Befugnis, dem Militär oder der Bevölkerung Befehle zu erteilen. Eine solche Empfehlung sei nie abgegeben worden.

Fakten

Der Originalbeitrag wurde am 1. August 2024 auf der US-Website «The People's Voice» veröffentlicht, die regelmäßig Falschbehauptungen verbreitet. Der X-Account @tpvsean teilte am selben Tag ein 15-minütiges Video mit übereinstimmenden und weiteren Behauptungen. Darin heißt es, der Mediziner Peter Hotez habe berichtet, dass WHO und Gates planen, die nächste Impfkampagne mit Unterstützung der Nato durchzuführen.

Antwort aus dem Kontext gerissen

Die Behauptungen scheinen auf einem Interview mit Hotez zu basieren, das während des «Simposio Internacional de Actualización en Pediatría» (dt. «Internationales pädiatrisches Fortbildungssymposium») am 5. Juli 2024 in Kolumbien geführt wurde. Darin ging es hauptsächlich um den Umgang mit Desinformation und deren Gefahren. Hotez sprach darüber, wie gefährlich und organisiert solche Kampagnen sind.

Auf die Frage, wie man mit dieser Flut an falschen Informationen umgehen könne, antwortete Dr. Hotez (spanisch ab Minute 26:30, englisch ab Minute 27:57), dass er es sinnvoll finde, Politik und Justiz stärker einzubeziehen, anstatt das Problem allein dem Gesundheitssystem zu überlassen.

Nur so könnten Aggressoren, die organisiert Desinformationen streuen, bekämpft werden, so Hotez. Als Folgeproblem nannte er unter anderem Eltern, die durch Desinformationskampagnen verunsichert werden und damit potenziell die Gesundheit ihrer Kinder gefährden.

Am 26. Juli 2024 veröffentlichte ein Account namens Paul Thacker auf Youtube einen Ausschnitt des Interviews. Darin ist jedoch die ursprüngliche Frage nicht zu hören. Hotez erwähnte auch Tedros Adhanom Ghebreyesus («Dr. Tedros»), den Generaldirektor der WHO, was vermutlich dazu führte, dass die WHO in falschen Zusammenhängen genannt wurden.

Die WHO bietet laut eigenen Angaben 194 unabhängigen Staaten fachliche Beratung und Unterstützung. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur teilte die Organisation schriftlich mit, eine solche Forderung nach militärischer Gewalt sei nie geäußert worden. Die WHO bezeichnet die Behauptung als «böswillige Unwahrheit». Zudem haben sie nicht die «Möglichkeit, Impfmandate zu erteilen».

Auch Maria Van Kerkhove, Direktorin für Epidemie- und Pandemievorbeugung, postete ein Statement auf X, in dem sie betonte, solche Behauptungen seien «falsch und gefährlich». Die Kommunikationsdirektorin der WHO, Gabby Stern, äußerte sich ebenfalls öffentlich zu dieser Anschuldigungen.

Bezug zu Bill Gates nicht ersichtlich

Ebenso lassen sich keine öffentlichen Aussagen von Bill Gates finden, die eine solche Aufforderung beinhalten. Laut AFP bezeichnete die Bill & Melinda Gates Foundation die Behauptung als «falsch».

(Stand: 9.9.2024)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Behauptung auf «The People's Voice» (archiviert)

dpa-Faktencheck zu «The People's Voice»

X-Account @tpvsean (archiviert)

Video mit Behauptungen auf Rumble (archiviert)

Maria Van Kerkhove auf X (archiviert)

Gabby Stein auf X (archiviert)

Jim Ferguson auf X (archiviert)

Interview-Ausschnitt mit Dr. Hotez auf Youtube

Ganzes Interview mit Dr. Hotez auf Youtube

Tedros Adhanom Ghebreyesus auf X (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.