Verbot der «Compact»-Firma

Vereinsgesetz sieht in bestimmten Fällen Anwendung auf GmbH vor

23.07.2024, 16:34 (CEST)

Das Verbot der herausgebenden Firma hinter dem «Compact»-Magazin sorgt für Diskussionen über die Rechtmäßigkeit. Die Frage: Warum beruft sich das Bundesinnenministerium auf das Vereinsgesetz?

Nach dem Verbot des hinter dem vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften «Compact»-Magazins stehenden Unternehmens durch das Bundesinnenministerium (BMI) melden sich in sozialen Netzwerken Unterstützer zu Wort. So verbreiten mehrere User einen Kommentar, der offenbar von einem früheren Mitarbeiter stammen soll. Darin heißt es an einer Stelle: «Bundesinnenministerin Nancy Faeser nutzte beim Schlag gegen die Pressefreiheit einen bislang einzigartigen Trick: Sie erklärte die GmbH, also die Firma Compact, zum Verein - und nutzte anschließend das Vereinsrecht zum Verbot der Zeitschrift. Ob dies juristisch Bestand hat, ist unklar: Einen solchen Fall gab es noch nicht.» Sind diese Behauptungen korrekt?

Bewertung

Das ist so nicht richtig: Nach Paragraf 17 des Vereinsgesetzes sind die Regelungen des Gesetzes auch in bestimmten Fällen auf Wirtschaftsvereinigungen anzuwenden - unter anderem, wenn sich diese «gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten». Dies gilt etwa für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), also jener Rechtsform der beiden Unternehmen, gegen die sich das Verbot richtet. Es ist derweil nicht das erste Mal, dass ein Medienunternehmen unter Bezug auf das Vereinsgesetz verboten wurde.

Fakten

Am 16. Juli 2024 hat das Bundesinnenministerium das herausgebende Medienunternehmen hinter dem «Compact»-Magazin, die Compact-Magazin GmbH, sowie die Conspect Film GmbH verboten. Rechtlich handelt es sich bei dem Schritt um ein Vereinsverbot. So beruft sich das Ministerium laut einer Pressemitteilung auf Artikel 9 des Grundgesetzes und Paragraf (§) 3 des Vereinsgesetzes (VereinsG).

Laut Innenministerium sei ein Verbot von Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen über das Vereinsgesetz möglich, heißt es. Tatsächlich ist in § 17 geregelt, auf welche Wirtschaftsvereinigungen die Regeln des VereinsG angewendet werden können: «Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, konzessionierte Wirtschaftsvereine nach § 22 des Bürgerlichen Gesetzbuches, Europäische Gesellschaften, Genossenschaften, Europäische Genossenschaften und Versicherungsvereine».

Die Vorschriften des VereinsG sind unter anderem dann auf Wirtschaftsvereinigungen anzuwenden, «wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten (...).» Genau davon ist das Bundesinnenministerium überzeugt: Die Organisationen richten sich nach Ansicht der Behörde gegen die verfassungsmäßige Ordnung.

In einer 80-seitigen Verbotsverfügung argumentiert sie, «Compact» verfolge nicht nur verfassungsfeindliche Ziele, sondern wolle diese auch in die Tat umsetzen. Weil es sich bei der Compact-Magazin GmbH sowie bei der Conspect Film GmbH der Rechtsform nach um in § 17 VereinsG aufgeführte Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) handelt, kommen der Rechtsauffassung des BMI folglich die Regeln des Vereinsgesetzes zum Tragen. Dafür musste das BMI die GmbH nicht zuvor zum Verein erklären.

2019 verbot das BMI einen Verlag als PKK-Teilorganisation

Falsch ist die Behauptung, zum ersten Mal sei ein Medienunternehmen in Deutschland nach dem Vereinsgesetz verboten worden: 2019 hat das BMI beispielsweise unter dem damaligen Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH sowie die MIR Multimedia GmbH verboten. Dabei handelte es sich der Behörde nach um «Teilorganisationen der 1993 in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)».

Wie dem Handelsregister zu entnehmen ist, war Gegenstand der verbotenen Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH das «Verlegen von Büchern und Zeitschriften sowie der Groß- und Einzelhandel mit sowie der Im- und Export von Druckerzeugnissen, des Weiteren die Produktion von Bild-, Ton- und Datenträgern». Beide Unternehmen klagten damals gegen das Verbot. 2022 entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), das Verbot des Verlages und der Musikproduktionsfirma als Teilorganisationen der PKK ist rechtmäßig.

Verschiedene Einschätzungen: BMI-Vorgehen unter Juristen umstritten

Ob das Verbot der Compact-Magazin GmbH sowie der Conspect Film GmbH rechtmäßig ist, bleibt derzeit unklar. Unter Juristen ist das Vorgehen umstritten. Rechtsauffassungen dazu gehen auseinander (hier, hier und hier) - auch aufgrund der in Deutschland nach Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) geltenden Meinungs- und Pressefreiheit. In Artikel 5 Absatz 2 GG heißt es aber auch, dass diese Rechte «ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre» finden.

Es ist anzunehmen, dass die beiden Unternehmen ebenfalls Klagen gegen das Verbot einreichen werden. Am Ende müssen dann die Gerichte entscheiden, ob das Vorgehen des Ministeriums gegen die Compact-Magazin GmbH sowie der Conspect Film GmbH rechtmäßig ist.

(Stand: 23.7.2024)

Links

BMI-Pressemitteilung vom 16. Juli 2024 (archiviert)

BMI über Vereinsverbote im Allgemeinen (archiviert)

Artikel 9 Grundgesetz (archiviert)

Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (archiviert)

BMI: FAQ zum Verbot (archiviert)

BMI-Pressemitteilung vom 12. Februar 2019 (archiviert)

Handesregister-Homepage (archiviert)

Urteil des BVerwG vom 26. Januar 2022 (archiviert)

Artikel 5 Grundgesetz (archiviert)

rbb-Bericht vom 17. Juli 2024 (archiviert)

Beitrag vom 22. Juli 2024 auf «verfassungsblog.de» (archiviert)

«Spiegel»-Artikel vom 19. Juli 2024 - kostenpflichtig (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

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