Jobcenter können Auto-Kauf in bestimmten Fällen fördern

Erhalten alle Ukrainer in Deutschland umsonst ein Auto? Diese Frage wirft ein virales Video auf, das in sozialen Netzwerken aufgeregte Reaktionen hervorruft. In dem Clip behauptet ein Autohändler aus Niedersachsen, Ukrainer würden in Deutschland von den Jobcentern Fahrzeuge geschenkt bekommen. So habe angeblich das Jobcenter im Landkreis Rotenburg (Wümme) die Rechnung für einen ukrainischen Kunden übernommen. Als Beleg präsentiert der Mann in dem Video einen Ausdruck einer Zahlung. Doch stimmen die Aussagen?

Bewertung

Das Video ist irreführend, es enthält falsche Informationen: Der Landkreis Rotenburg dementiert, Geld an das Autohaus überwiesen zu haben. Richtig ist: Es gibt grundsätzlich Szenarien, in denen die Jobcenter oder die Agenturen für Arbeit über Förderinstrumente ein Auto finanzieren können. Das muss unmittelbar mit der Aufnahme oder dem Erhalt einer Beschäftigung in Verbindung stehen und geschieht unabhängig von der Staatsangehörigkeit - es geht dabei also nicht nur um Ukrainerinnen und Ukrainer.

Fakten

Der Autohändler sagt bei Sekunde 41, das Jobcenter des Landkreises Rotenburg (Wümme) habe die Kosten in dem vom ihm geschilderten Fall für das Auto eines ukrainischen Kunden übernommen. Dazu präsentiert er einen Ausdruck einer Zahlung vom 30. August 2022 in Höhe von 1650 Euro für einen VW Passat. Das Jobcenter Rotenburg ist eine kommunale Einrichtung, zuständig ist der Kreis.

Landkreis dementiert Überweisung an das Autohaus

Christine Huchzermeier, die Sprecherin des Landkreises, dementierte die Zahlung auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa): «Der Landkreis kann diese Behauptung nach eingehender Prüfung nicht bestätigen.» Das Jobcenter habe das erwähnte Auto nicht bezahlt - es sei folglich auch kein Geld an das Autohaus überwiesen worden.

Huchzermeier erklärte jedoch: Grundsätzlich ist es möglich, dass die Jobcenter im Falle einer Beschäftigungsaufnahme Fahrzeuge fördern. «Diese Möglichkeit besteht für alle Kunden des Jobcenters und ist als Förderinstrument im SGB II (Jobcenter) und SGB III (Bundesagentur für Arbeit) vorgesehen, um Kunden eine Arbeitsaufnahme zu ermöglichen.»

Auf dem im Video gezeigten Ausdruck wird nicht das Jobcenter Rotenburg, sondern ein Konto der Bundesagentur für Arbeit (BA) erwähnt (zu sehen ab Sekunde 48). Was es genau mit der Zahlung auf sich hat, blieb offen. Die Behörde könne dazu aus Datenschutzgründen keine Angabe machen, teilte eine BA-Sprecherin auf Anfrage mit. Sie verwies aber ebenfalls auf mögliche Szenarien, in denen die Jobcenter oder die Agenturen für Arbeit den Erwerb eines Autos fördern können.

Jobcenter können unter bestimmten Voraussetzungen Autokauf fördern

Um bei der Aufnahme oder dem Erhalt einer Beschäftigung oder Ausbildung zu unterstützen, verfügen die Einrichtungen über verschiedene Förderinstrumente. Dazu zählt das Vermittlungsbudget. Personen, die Bürgergeld oder Arbeitslosengeld erhalten, können Leistungen aus diesem Fördertopf beantragen. Es können beispielsweise Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen, Umzugskosten oder Bewerbungskosten aus diesen Mittel erstattet werden.

Über das Vermittlungsbudget kann «unter bestimmten Voraussetzungen und im Einzelfall» auch der Kauf eines Autos gefördert werden. Das wäre zum Beispiel möglich, wenn für die Beschäftigung ein Auto notwendig ist, weil der Arbeitsort mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nicht zu den Arbeitszeiten erreichbar ist, erklärte die Sprecherin. Das steht auch in den Fachlichen Weisungen zu Förderungen aus dem Vermittlungsbudget (hier und hier). Die Kosten müssen jedoch angemessen sein - in der Regel würden nicht die vollen Kosten übernommen, sondern nur ein Teil als Zuschuss gewährt.

Neben dem Vermittlungsbudget bestehen noch weitere Fördertöpfe - etwa die «Freie Förderung» für erwerbsfähige Leistungsberechtigte und Erwerbsaufstocker. Auch über diesen Topf kann im Einzelfall und unter bestimmten Voraussetzungen der Kauf eines Autos gefördert werden, teilte die Sprecherin mit.

Nicht nur Ukrainer können diese Leistungen beantragen

Wichtig ist jedoch: Es handelt sich sowohl bei der «Freien Förderung» als auch beim Vermittlungsbudget um Ermessensleistungen - das heißt, es besteht kein Rechtsanspruch darauf. Am Ende entscheidet die zuständige Einrichtung unter anderem anhand von Nachweisen, ob eine Förderung angemessen ist und in Betracht kommt. Ein Zuschuss zur Anschaffung eines Autos muss in unmittelbarem Bezug zur Aufnahme oder zum Erhalt einer Beschäftigung stehen, betonte die BA-Sprecherin.

Und: Es handelt sich um Unterstützungsleistungen, die unabhängig von der Staatsangehörigkeitfür die jeweiligen Leistungsberechtigten in Betracht kommen. Leistungen aus dem Vermittlungsbudget können alle Menschen beantragen, die Arbeitslosengeld oder Bürgergeld beziehen. Als anerkannte Kriegsflüchtlinge sind Ukrainerinnen und Ukrainer, die vor dem russischen Angriffskrieg geflohen sind, bei sozialen Leistungen vom ersten Tag an mit deutschen Staatsbürgern gleichgestellt und können Bürgergeld erhalten. Somit können auch sie mögliche Förderleistungen beantragen.

Autohändler hat Video mittlerweile gelöscht

Dass ausschließlich Ukrainerinnen und Ukrainer ein Auto von der Bundesagentur für Arbeit oder den Jobcentern erhalten können, ist hingegen falsch. «Schmeiße deinen deutschen Ausweis weg - komm wieder her und sage, dass du aus der Ukraine geflüchtet bist» - dieser Rat aus dem Video ist also barer Unsinn. Das hat offenbar auch der Autohändler erkannt und seinen Beitrag mittlerweile vom Tiktok-Account gelöscht. Gegenüber dem ARD-«Faktenfinder» sprach der Mann von einem «Missverständnis».

Zu Sozialleistungen in Deutschland kursieren im Internet immer wieder falsche Informationen. In Bezug auf ukrainische Geflüchtete verbreiteten Nutzer in diesem Zusammenhang etwa Fehlinformationen über die Voraussetzungen für die Rentenzahlung in Deutschland.

(Stand: 17.6.2024)