Videos gefälscht

Hackerangriff auf Brandenburger-Tor-Beleuchtung ist frei erfunden

15.05.2024, 17:07 (CEST)

Manchmal hat weniger Digitalisierung auch Vorteile: Videos im Netz behaupten, russische Hacker hätten die Beleuchtung des Brandenburger Tores geknackt. Aber das geht bei einem Diaprojektor nicht.

Die Stadt Berlin bekundet ihre internationale Solidarität oft über Projektionen auf dem Brandenburger Tor. Nach dem russischen Überfall der Ukraine leuchtete das Tor in Blau und Gelb, nach dem Tod der Queen erstrahlte der Union Jack und nach den Pariser Terroranschlägen die Trikolore.

Seit dem 8. Mai kursieren nun verschiedene Fotos und Videos im Netz, die eine Projektion des sowjetischen Siegesbanners auf dem Brandenburger Tor zeigen. Dazu wird behauptet, russische Aktivisten hätten in der Nacht auf den 8. Mai die Beleuchtung des Tores gehackt, jetzt suche die Polizei nach ihnen. Die Videos gibt es in verschiedenen Ausfertigungen und Perspektiven. Eines davon wurde auf X mehr als 1,9 Millionen Mal angeschaut.

Bewertung

Die Aufnahmen sind gefälscht. Das beweisen Unstimmigkeiten im Video. Zudem zeigen Webcams und weitere Fotos und Videos aus den sozialen Medien, dass das Brandenburger Tor im vorgegebenen Zeitraum anders aussah. Seit dem 6. Mai finden rund um das Brandenburger Tor Aufbauarbeiten für die Fußball-EM statt. Von diesen ist im gefälschten Video keine Spur. Auch bei der Berliner Polizei sind keine Anzeigen oder Meldungen eingegangen. Ein Hackerangriff ist ausgeschlossen, weil die Beleuchtung des Brandenburger Tores gar nicht mit einem Computer verbunden ist.

Fakten

Ein erstes Indiz dafür, dass es sich um eine Fälschung handelt, liefern die beiden Polizeiautos, die im Video zwischen den Säulen des Brandenburger Tores zu sehen sind. Die Warnlichter der Polizeiautos leuchten in den Farben Blau und Rot. In Rot? In Deutschland nutzen Polizeiautos ausschließlich blaue Warnlichter. Die roten Polizei-Lichter aus dem manipulierten Video hingegen erinnern eher an Einsatzfahrzeuge aus den USA.

Es gibt aber noch eindeutigere Hinweise auf eine Fälschung: Das Hotel Adlon, direkt gegenüber vom Brandenburger Tor, hat eine über das Internet zugängliche, öffentliche Webcam. Die Kamera richtet sich vom Hotel aus nach Westen auf das Brandenburger Tor. Sie zeigt das Brandenburger Tor aus einer sehr ähnlichen Perspektive wie das Fake-Video. Gleicht man die Webcam-Aufnahmen für den vorgegebenen Zeitraum mit dem Fake-Video ab, fallen mehrere Unstimmigkeiten auf.

So zeigen die Aufnahmen der Webcam ab dem 6. Mai Absperrungszäune vor dem Brandenburger Tor. Hinter dem Brandenburger Tor zu sehen sind zudem ein langes, weißes Rohr sowie ein großer, gelb-schwarzer Kran. Zeitgleich auf Instagram veröffentlichte Fotos und Videos mit dem Hashtag #Brandenburgertor zeigen die Absperrungen und den Kran ebenfalls. Auf dem Fake-Video hingegen ist von ihnen keine Spur.

Stattdessen sieht man auf dem Video mehrere Fahrzeuge, die hinter dem Brandenburger Tor entlangfahren. Damit ist klar, dass es sich hier um einen Fake handelt, denn die Absperrungen, das Rohr und der Kran dienen dem Aufbau der Fanmeile für die in wenigen Wochen beginnende Europameisterschaft. Die beiden Straßen hinter dem Brandenburger Tor (die Straße des 17. Juni sowie die Ebertstraße) sind seit dem 6. Mai für Autos voll gesperrt, wie die Berliner Verkehrsinformationszentrale bestätigt.

Die Berliner Polizei teilte auf Anfrage mit, dass im vorgegebenen Zeitraum keine Anzeigen oder Meldungen zur Projektion der Siegesflagge bei ihr eingegangen seien. Nach Prüfung des Videos gehe sie davon aus, dass es sich um eine «optische/grafische Fälschung» handelt.

Projektor ohne Internetzugang

In einigen Posts wird behauptet, dass sich russische Hacker in die Beleuchtung des Brandenburger Tores eingehackt hätten. Das jedoch ist technisch unmöglich.

Wann und wie das Brandenburger Tor angestrahlt wird, entscheidet in Berlin der Bürgermeister. Die Senatskanzlei beauftragt anschließend die Firma «Boehlke Beleuchtungstechnik». Geschäftsführer Andreas Boehlke sagte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, die Behauptung eines Hackerangriffs sei «totaler Quatsch». Für die Beleuchtung des Brandenburger Tores nutze die Firma einen alten Großbildprojektor der Marke Pani. So ein Gerät könne man technisch gar nicht mit einem Computer, und erst recht nicht mit dem Internet verbinden. «Wir legen für jedes Bild händisch eine Folie ein, wie bei einem Diaprojektor.»

(Stand: 15.5.2024)

Links

Fake-Video (archiviert)

Warum Blaulichter in Deutschland blau sind (archiviert)

Webcam des Hotel Adlon, angewählt über die Seite windy.com (archiviert)

Instagram-Video (archiviert)

Instagram-Foto (archiviert)

Artikel in der Berliner Morgenpost zum Aufbau der Fanmeile (archiviert)

Berliner Verkehrszentrale: Meldung zur Sperrung um das Brandenburger Tor (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.

Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.

Schon gewusst?

Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.