«Turbokrebs» frei erfunden

Verbindung zwischen Krebstoten und Corona-Impfung ist unbelegt

02.04.2024, 12:52 (CEST)

Immer mehr junge Menschen mit Covid-19-Impfung würden an «Turbokrebs» sterben, heißt es im Netz. Aber Daten, die einen Zusammenhang zeigen würden, gibt es nicht. Auch die Krebsvariante ist erfunden.

Auch über vier Jahre, nachdem die Welt in den ersten Corona-Lockdown ging, finden die Falschinformationen um die Covid-19-Impfung kein Ende. Auf Facebook kursiert derzeit die Behauptung, dass es unter «geimpften 15- bis 44-Jährigen» immer mehr Todesfälle gebe. Grund dafür sei angeblich ein sogenannter «Turbokrebs». Gibt es diese Entwicklung wirklich?

Bewertung

Es gibt keine Belege dafür, dass die steigende Zahl an jungen Krebstoten auf die Corona-Impfung zurückzuführen ist. Zudem ist die Bezeichnung «Turbokrebs» keine echte medizinische Diagnose.

Fakten

Der Facebook-Post zeigt einen Screenshot des österreichischen Blogs «tkp», der in der Vergangenheit bereits mehrfach falsche und irreführende Informationen verbreitet hat. Der Artikel selbst verweist als Quelle auf die Website des Unternehmens Phinance Technologies, das sich selbst als Gruppe «kritischer Denker, die datenbasierte Rechercheprozesse anwenden» bezeichnet. Auch Phinance fiel in Faktenchecks bei «Factcheck.org» und «HealthFeedback» bereits mit Falschinformationen zu Covid-19 auf.

Der von Phinance veröffentlichte Bericht bezieht sich auf Daten der Statistikbehörde der britischen Regierung. Sie geben Todesfälle in England und Wales nach Altersgruppe und Todesgrund wieder. Diese Zahlen würden zeigen, dass es ab 2021 unter den 15- bis 44-Jährigen eine deutlich höhere Übersterblichkeit gegeben habe.

Der Impfstatus der Verstorbenen wird in den Statistiken jedoch gar nicht aufgeführt. Phinance nennt Impfungen nicht als mögliche Todesursache.

Andere Gründe sind naheliegender

Während eine Verbindung zwischen Covid-19-Impfungen und Krebstoten unbelegt ist, gibt es weitere mögliche Erklärungen für die steigenden Zahlen. Das staatliche Gesundheitssystem in England gilt als stark krisenbehaftet. Gesundheitsverbände berichten im britischen «Telegraph» 2022 über lange Wartelisten für Krebsbehandlungen. Die Zahl der Früherkennungstermine sei während der Pandemie und der damit verbundenen Corona-Maßnahmen stark gesunken.

Weltweit gibt es ohnehin immer mehr Krebserkrankungen bei unter 50-Jährigen, wie eine Studie unter Leitung der University of Edinburgh und der Zhejiang University School of Medicine im vergangenen Jahr ergab. Bis 2030 wird ein weltweiter Anstieg der Zahl von Krebsfällen und -toten um 21 bis 31 Prozent vorausgesagt. Die Autoren nennen eine schlechte Ernährung sowie den Konsum von Alkohol und Tabak als die größten Risikofaktoren.

Es gibt keinen «Turbokrebs»

Der «Turbokrebs», der auf Facebook sowie von «tkp.at» und Phinance als Bezeichnung für einen besonders aggressiven Krebstyp verwendet wird, ist dazu frei erfunden und keine echte medizinische Diagnose. Wie ältere dpa-Faktenchecks zeigen, wird der Begriff häufig zur Falschinformation über die Corona-Impfung verwendet.

Für Krebspatienten wird diese Impfung weiterhin empfohlen. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie (DGHO) riet Betroffenen zuletzt im September 2023, aufgrund ihres höheren Infektions- und Sterberisikos den Impfschutz aufrechtzuerhalten.

(Stand: 2.4.2024)

Links

Facebook-Post (archiviert)

Blogartikel auf «tkp.at» (archiviert)

Bericht von Phinance Technologies (archiviert)

Startseite von Phinance Technologies (archiviert)

Faktencheck zu Phinance von «HealthFeedback» (archiviert)

Faktencheck zu Phinance von «Factcheck.org» (archiviert)

Bericht über britisches Gesundheitssystem im «Telegraph» (archiviert)

dpa-Faktencheck zu angeblichem «Turbokrebs»

Studie zu weltweit zunehmenden Krebsfällen (archiviert)

Empfehlung zur Covid-19-Impfung der DGHO (archiviert)

Über dpa-Faktenchecks

Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.

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