Zusätzliche Herzuntersuchungen
US-Luftfahrtbehörde hat Gesundheitscheck für Piloten erweitert
6.2.2023, 14:40 (CET)
Vermeintliche Beweise über angeblich verheerende oder gar tödliche Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe zirkulieren regelmäßig in den sozialen Medien. Nun soll die US-Luftfahrtbehörde FAA ungewöhnliche Veränderungen bei Elektrokardiogrammen (EKGs) von Pilotinnen und Piloten gemessen haben, heißt es in diversen Facebook-Posts. Angeblich hängt das mit Nebenwirkungen der Corona-Impfung zusammen. Daraufhin soll die Behörde die Grenzwerte «stillschweigend» geändert haben, damit die Piloten weiter fliegen können.
Bewertung
Die FAA gibt Änderungen am medizinischen Leitfaden öffentlich bekannt. Die Anforderungen haben sich nicht grundlegend geändert, nur bei einer leichten Herzrhythmusstörung wurden auf Empfehlung von Kardiologen Unterkategorien hinzugefügt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Veränderung oder die Herzrhythmusstörungen mit Impfstoffen zusammenhängen.
Fakten
Die Behauptung stammt aus einem amerikanischen Blogbeitrag. In dem Artikel wird dafür aus einer Änderung des Leitfadens für flugmedizinische Sachverständige zitiert. Demnach wurde der PQ-Höchstwert, der auf mögliche Herzrhythmuserkrankungen hinweisen kann, laut dem Autor «stark erweitert». Diese Änderung sei nach der Einführung der Corona-Impfungen veranlasst worden - und damit ein Beweis, dass es angeblich vermehrt Nebenwirkungen gegeben habe.
Angeblich hat die US-Luftfahrtbehörde die Grenzwerte der EKGs gelockert, weil sonst viele Piloten nicht mehr fliegen dürften. Doch das stimmt nicht, erklärt ein FAA-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur (dpa): «Der FAA liegen keine Beweise für Flugunfälle oder Probleme vor, die von Piloten verursacht wurden, die angeblich an medizinischen Komplikationen im Zusammenhang mit Covid-19-Impfstoffen leiden.»
Piloten benötigen in den USA ärztliches Zeugnis
Piloten, die kommerzielle Linienflüge durchführen, benötigen in den USA ein ärztliches Zeugnis. Dazu müssen sie von einem Gerichtsmediziner untersucht werden. Dabei werden unter anderem die Sehkraft und die geistige Verfassung untersucht. Ab dem 35. Lebensjahr wird das erste Mal ein Elektrokardiogramm (EKG) als Ausgangswert genommen, ab dem 40. Lebensjahr muss es dann jährlich wiederholt werden.
Die in dem Blogbeitrag zitierte Änderung gilt nicht für alle Herzerkrankungen, die mit einem EKG diagnostiziert werden können. Eine Reihe von Herzerkrankungen, wie zum Beispiel verschiedene Herzrhythmusstörungen, werden nach wie vor eingehend untersucht. Die Vorgehensweise für jede Art von Herzrhythmusstörung ist von der FAA klar festgelegt.
Die Änderung bei den FAA-Untersuchungen betrifft nur den atrioventrikulären Block (AVB) ersten Grades. Diese Herzrhythmusstörung bedeutet, dass die elektrische Leitung zu den Herzkammern verzögert ist. Diese Erkrankung tritt häufiger bei älteren Menschen auf, kann aber auch Sportler betreffen. Nach Angaben der Herzstiftung handelt es sich dabei um die harmloseste Variante eines AV-Blocks.
Ein möglicher AVB wird durch die Messung des sogenannten PQ-Intervalls festgestellt. Es misst die Zeit, in der die elektrische Welle vom Vorhof in die Herzkammer geleitet wird. Diese Angabe wird in Millisekunden (ms) quantifiziert. Studien zeigen, dass ein PQ-Intervall von mehr als 200 ms auf einen atrioventrikulären Block ersten Grades hindeutet. Darauf bezieht sich auch der Blogbeitrag.
Änderung wurde im Oktober 2022 angekündigt
Tatsächlich gab es eine Änderung des beschriebenen PR-Intervalls im Leitfaden für medizinische Prüfer der amerikanischen Luftfahrtbehörde. Eine archivierte Version des Leitfadens vom Juli 2022 zeigt auf Seite 86, dass ein AV-Block ersten Grades ohne weitere Angaben erwähnt wird.
Das Vorgehen beinhaltet, einerseits die Diagnose zu dokumentieren und andererseits gegebenenfalls zusätzliche Tests durchzuführen. Nur wenn Hinweise auf eine strukturelle oder funktionelle Herzerkrankung gefunden werden, soll der Fall an die FAA weitergeleitet werden. Daraufhin wird dann entschieden, ob das ärztliche Zeugnis ausgestellt werden kann.
Nach einer Änderung im Oktober 2022 wurden diese Folgeschritte für einen AV-Block ersten Grades in zwei Unterkategorien aufgeteilt:
- AV-Block mit einem PQ-Intervall von bis zu 300 ms
- AV-Block mit einem PQ-Intervall von über 300 ms
Für die erste Unterkategorie ist die Folgemaßnahme ähnlich wie zuvor. Bei einem PQ-Intervall von 300 ms oder mehr müssen standardmäßig zusätzliche Tests durchgeführt und die FAA benachrichtigt werden.
Auf Nachfrage teilt die FAA der dpa mit, dass die Erhöhung auf 300 ms auf Anraten von Experten eingeführt wurde: «Unsere kardiologischen Berater haben Informationen zur Verfügung gestellt, die zeigen, dass alles, was unter 300 ms liegt, keine weiteren Tests erfordert. Es wurde auch festgestellt, dass dies kein Risiko einer plötzlichen oder subtilen Einschränkung birgt.»
Dies bedeutet nicht, dass ein AV-Block ersten Grades unter 300 ms nicht gemeldet wird. Dies solle in der Tat gemeldet werden. Die Forschung zeige nur, dass in diesem Fall nicht sofort weitere Tests erforderlich sind.
Änderungen wurden öffentlich bekannt gegeben
Die Änderung der Grenzwerte durch die Behörde war nicht, wie behauptet, geheim. Jede neue Version des Leitfadens enthält eine Liste von Änderungen und Aktualisierungen. Der Leitfaden wird fast jeden Monat geändert. Die Änderung der Kategorien im Falle eines AV-Blocks ersten Grades ist nur eine davon.
(Stand: 3.2.2023)
Links
Über die medizinischen Untersuchungen von Piloten (archiviert)
FAA-Leitfaden für medizinische Untersuchungen - Januar 2023 (archiviert)
FAA-Vorgehensweise bei Herzerkrankungen (archiviert)
Was ist ein Atrioventrikulärer Block? (archiviert)
Was ist das PQ-Intervall? (archiviert)
PQ-Intervall von 200 ms (archiviert)
Archivierte Version des FAA-Leitfadens - Juli 2022
Amerikanischer Blogbeitrag mit Behauptung (archiviert)
Über dpa-Faktenchecks
Dieser Faktencheck wurde im Rahmen des Facebook/Meta-Programms für unabhängige Faktenprüfung erstellt. Ausführliche Informationen zu diesem Programm finden Sie hier.
Erläuterungen von Facebook/Meta zum Umgang mit Konten, die Falschinformationen verbreiten, finden Sie hier.
Wenn Sie inhaltliche Einwände oder Anmerkungen haben, schicken Sie diese bitte mit einem Link zu dem betroffenen Facebook-Post an faktencheck@dpa.com. Nutzen Sie hierfür bitte die entsprechenden Vorlagen. Hinweise zu Einsprüchen finden Sie hier.
Schon gewusst?
Wenn Sie Zweifel an einer Nachricht, einer Behauptung, einem Bild oder einem Video haben, können Sie den dpa-Faktencheck auch per WhatsApp kontaktieren. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.