Klimawandel ist real

Auch in der nahen Zukunft bleibt es warm

30.01.2023, 17:08 (CET)

Die globale Erwärmung aufgrund von CO2-Emissionen ist erwiesen. Nun wird jedoch im Netz behauptet, ein Nordatlantik-Zyklus sorge bald für Abkühlung. Doch seine Auswirkungen werden überschätzt.

Statt Eis, Schnee und Kälte dominiert in Mitteleuropa in den vergangenen Wochen eher milderes Wetter den Winter. Das werde sich ändern, heißt es online, denn global würden die Temperaturen derzeit und auch in Zukunft sinken – dank einer kühleren Ozean-Phase, wie eine Studie beweisen würde. Der CO2-bedingte Klimawandel sei folglich erfunden. Doch das steht im Gegensatz zur anerkannten Wissenschaft.

Bewertung

Ein kälterer Atlantik führt nach Ansicht von unabhängigen Experten sowie den Autoren der Studie nicht zu einer Abkühlung des Klimas. Es kann maximal ein weiterer Anstieg der Temperaturen verhindert werden. Ausschlaggebend für die globale Erderwärmung ist kein Ozean-Zyklus, sondern die CO2-Mengen, die die Menschen emittieren.

Fakten

Der Klimawandel ist menschengemacht, daran lässt die internationale Forschung längst keinen Zweifel mehr. Wissenschaftsleugner versuchen aber immer wieder, diese Erkenntnisse infrage zu stellen und den «Klimaschwindel» zu entlarven. Ein online geteilter Artikel nimmt Bezug auf einen Text, der im sogenannten «Europäischen Institut für Klima und Energie», kurz EIKE, erschienen ist.

Kritisiert wird die fehlende Berichterstattung über eine bevorstehende Abkühlung Europas. Die Abkühlung sei bereits am sinkenden Mittel der globalen Temperatur festzustellen: «Bildet man den Durchschnitt der letzten Jahre, so ist die globale Temperatur seit acht Jahren und vier Monaten konstant. Im Dezember ist die Abweichung der globalen Temperatur vom 30-jährigen Mittel (…) erneut gesunken.»

Quelle dieser Behauptung sind Satellitenmessungen der University of Alabama. Florian Imbery, zuständig für die Klimaüberwachung beim Deutschen Wetterdienst, weiß jedoch: Diese Messungen sind mit Vorsicht zu genießen. Satelliten messen nämlich nicht die Lufttemperatur, sondern die Strahlung der Erdoberfläche.

Wie steht es in Wahrheit um den Wärmegrad?

Weltweit analysieren dem Deutschen Wetterdienst zufolge mehrere Institutionen die globale Temperaturentwicklung, die zwar unterschiedliche Messverfahren nutzen, in ihren Ergebnissen aber grundsätzlich übereinstimmen. Dazu gehört unter anderem die US-Behörde NOAA. Die Daten der NOAA zeigen zwischen 1880 und 2022 einen eindeutigen Aufwärtstrend der Temperaturen.

Man könnte also durchaus davon sprechen, dass die globale Temperatur zuletzt konstant war – allerdings auf einem sehr hohen Niveau. Klimaexperte Imbery sagt dazu: «Es gibt keine Anhaltspunkte, die uns veranlassen würden, davon auszugehen, dass der Trend der globalen Temperaturen in nächster Zeit sinken könnte.» Dazu passt, dass die Daten der NOAA starke Abweichungen vom globalen Mittel, insbesondere in den vergangenen acht Jahren, verzeichnet haben – und nicht eine fortwährende Verringerung, wie online impliziert.

Darüber hinaus gilt: Selbst, wenn einzelne vom Mittel abweichende, kühle Momente zu verzeichnen sind, lässt sich davon keine generalisierbare Aussage über das Klima treffen. Derartige Schwankungen seien nicht ungewöhnlich, erklärt Imbery. «Daher werden in der Klimatologie nach Möglichkeit immer ausreichend lange Zeiträume gemittelt - mindestens zehn, besser dreißig Jahre - und mit anderen, früheren gemittelten Zeiträumen verglichen. Sowohl für die globale wie auch europäische Temperaturentwicklung gilt: Die letzten zehn wie auch dreißig Jahre waren im Mittel mit Abstand die Wärmsten.»

Wie sieht die Temperatur in Zukunft aus?

Als weiteren Beleg gegen den menschengemachten Klimawandel wird der Wärme-Zyklus des Atlantiks angeführt. Weil sich der Ozean derzeit in einer warmen Phase befinde, komme es in Europa entsprechend zu höheren Temperaturen – denn die Erwärmung der Erde sei maßgeblich davon geprägt, nicht von CO2-Emissionen. Nun werden jedoch ein Rückgang der Temperaturen des Nordatlantiks und entsprechend auch kühle Jahre in Europa erwartet.

Hinter dieser Annahme steckt eine Studie, die dem Atlantik - basierend auf Beobachtungsdaten und Simulationen - unterschiedliche Wärme-Zyklen zuschreibt. Darauf aufbauend könnten Klima-Modelle weiter verbessert werden, erklärt Jens Tambke vom Umweltbundesamt. Die Studie stelle allerdings keinen Widerspruch zur bisherigen Klimawissenschaft dar. Die Autoren konzentrieren sich hauptsächlich auf die atmosphärische Zirkulation im Winter. Diese Zyklen der Temperaturverteilung und Dichteverteilung sowie der Zusammenhang von atmosphärischen und ozeanischen Veränderungen im Atlantik seien schon lange ein Objekt der Forschung.

Auf Anfrage erklärt einer der Autoren der Studie, Johann Jungclaus vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, das Phänomen so: Zusätzlich zum anthropogenen Klimawandel gibt es eine Variabilität der Meeresoberflächentemperatur, «sodass die 40-50er Jahre etwas wärmer, die 60-70er etwas kälter und die vergangenen 20 Jahre wieder wärmer sind, als es der lineare Trend erwarten ließe.»

Wenn man diesen Zyklus in die Zukunft fortschreibt, würde dem Atlantik demnächst eine kühlere Phase bevorstehen. «Wichtig ist aber immer die Überlagerung durch die globale Erwärmung», stellt Jungclaus klar. «Hier würden wir, basierend auf der Projektion des statistischen Modells, keine Abkühlung, sondern nur eine Abschwächung des Erwärmungstrends erwarten, etwa so wie in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts.» Prognostizierte Änderungen (Abbildung 7d in der Studie) in Europa zeigen entsprechend auch keine Abkühlung.

Auch eine weitere Autorin der Studie erklärt online, dass der Zyklus die Erderwärmung zwar reduzieren oder dämpfen könnte, das Klima aber nicht auf ein Niveau der 1950er-Jahre bringen könnte. Darum kann man auch nicht behaupten, dass sich der Klimawandel verlangsamt – oder gar nicht existiert.

Hinzu kommt: In der Studie wurden keine anderen Faktoren berücksichtigt, wie sogar Jungclaus selbst einräumt. Für Ende 2023 werde beispielsweise wieder der Beginn des periodisch auftretenden Klimaphänomens «El Niño» erwartet, was sich auch auf Europa auswirken wird, wie auch Tambke deutlich macht. In der Vergangenheit waren damit deutlich wärmere globale Temperaturen und regionale Wetterextreme verbunden. Selbst wenn es also im nördlichen Atlantik in den nächsten Jahren zu einer leichten Absenkung der durchschnittlichen Meeresoberflächentemperaturen kommen sollte, wäre es daher sehr fraglich, ob das die Erwärmung in Europa spürbar vermindern könnte.

(Stand: 26.01.2023)

Links

Mildes Wetter in Mitteleuropa (archiviert)

Facebook-Post (archiviert)

Artikel Deutschlandkurier (archiviert)

Beitrag bei EIKE (archiviert)

NOAA Globale Land- und Ozean-Werte (archiviert)

Studie über den Atlantik (archiviert)

Anomalien 2022 (archiviert)

Statement zur Studie (archiviert)

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