Unklare Datengrundlage
Ranking zur Reisesicherheit gibt es erst seit 2007
23.1.2023, 16:10 (CET)
Sicherheitsempfinden ist sehr subjektiv. Bestimmte Studien versuchen dennoch, objektiv abzubilden, wie sicher ein Land ist und legen Ranglisten der «sichersten Länder» auf der Welt an. In einem Sharepic heißt es, Deutschland sei 2002 noch das «sicherste Land der Welt» gewesen, rangiere aber schon 2017 nur noch auf Platz 51. Stimmt das? Auf welche Quellen beziehen sich diese Aussagen überhaupt?
Bewertung
In einer Studie vom Weltwirtschaftsforum (WEF) landete Deutschland 2017 bei der Frage der Sicherheit tatsächlich auf Platz 51. Im Sicherheitsranking des sogenannten Weltfriedensindex erreichte Deutschland im selben Jahr Platz 16. Beide Rankings gab es 2002 noch nicht.
Fakten
Erst einmal zu Platz 51: Dieser stammt aus dem «Travel and Tourism Competitiveness Report» (TTCR) des Weltwirtschaftsforums. Der TTCR will analysieren, wie wettbewerbsfähig die Tourismusbranche eines Landes ist; «Schutz und Sicherheit» ist eines von 14 Kriterien dafür. Im TTCR 2017 landete Deutschland hinsichtlich der Sicherheit auf dem 51. Platz von 136. In einem Interview mit der «Welt» erklärte ein WEF-Sprecher das Ergebnis mit der gestiegenen Angst vor Terrorismus. Außerdem sei eine US-Studie in die Bewertung eingeflossen, die mit teils fehlerhaften Daten gearbeitet habe, heißt es im «Welt»-Artikel. Im Gesamtranking des TTCR kam Deutschland damals auf den 3. Platz.
Die Kategorie «Schutz und Sicherheit» bewertet das WEF nach fünf Merkmalen. Für drei davon werden Geschäftsreisende nach ihrem persönlichen Empfinden befragt: «Kosten von Kriminalität und Gewalt», «Zuverlässigkeit der polizeilichen Dienste», und die «Kosten von Terrorismus». Die restlichen zwei sind quantitative Erhebungen: die «Mord-/Totschlagsrate pro 100 000 Einwohner» - eine Kriminalstatistik der Vereinten Nationen - und der erwähnte «Index der Häufigkeit von Terroranschlägen» aus den USA.
Als Untersuchung zu Frieden und Sicherheit breiter aufgestellt als die WEF-Studie ist der «Weltfriedensindex» («Global Peace Index»; GPI), der von einem australischen Institut herausgegeben wird. Hier landete Deutschland im Jahr 2017 auf dem 16. Platz.
Für ihre Bewertung im GPI nehmen die Wissenschaftler mehrere Indikatoren in den Blick: zum Beispiel den «Grad der wahrgenommenen Kriminalität in der Gesellschaft», die «politische Instabilität», «staatlich verursachten politischen Terror», das «Ausmaß der Gewaltkriminalität» und die «Wahrscheinlichkeit von gewalttätigen Demonstrationen», aber auch die «Zahl der Geflüchteten und Binnenvertriebenen als Prozentsatz der Bevölkerung» oder die «Zahl der Beamten in der inneren Sicherheit und der Polizei pro 100 000 Einwohner». Im Übrigen: 2022 landete Deutschland im GPI erneut auf Platz 16.
Bleibt die Frage, woher die Aussage aus dem Sharepic stammt, Deutschland sei 2002 «das sicherste Land der Welt» gewesen. Aus den oben genannten Indizes stammt sie nicht: Diese erscheinen erst seit 2007. Zu finden ist aber ein altes Zitat des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily. Schily hatte Deutschland im Mai 2002 bei der Präsentation der Kriminalstatistik des Jahres 2001 als eines der sichersten Länder der Welt bezeichnet, wie verschiedene Medien berichteten (hier, hier und hier).
(Stand: 23.1.2023)
Links
Facebook-Beitrag mit Behauptung (archiviert)
Erster nachvollziehbarer Treffer des Claims (archiviert)
«Travel and Tourism Competitiveness Report» 2017 (archiviert)
WEF-Sprecher im Interview mit der «Welt» (archiviert)
«Global Peace Index» 2017 (archiviert)
«Global Peace Index» 2022 (archiviert)
Berichterstattung mit Schily-Zitat, Handelsblatt (archiviert)
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